Dann würden die vier vor Live-Publikum, lässig auf Sofas sitzend, bei einer Sex-Hotline und einer Astro-„Beratung“ anrufen und die beiden Leitungen zur allgemeinen Belustigung miteinander verbinden.
Dann würde Jan Köppen ohne den blassesten Schimmer von Kunstgeschichte spontan Museumsführungen mit aberwitzigen Interpretationen anbieten und die Zuschauer hätten einen Heidenspaß daran, mitanzusehen, wie die ahnungslosen Führungsteilnehmer den ganzen Blödsinn für bare Münze nehmen.
Dann würde sich Palina Rojinski als Moderatorin eines russischen Fernsehsenders ausgeben und ein herrlich skurriles Interview mit einem nordrhein-westfälischen Karnevalsprinzenpaar führen.
Dann würde Katrin Bauerfeind als RTL-Reporterin auf einer Camping-Messe versuchen, Scripted-Reality auch im Journalismus unterzubringen, indem sie sich wahllos Messebesucher greift, denen ein paar Kärtchen mit Antworten in die Hand drückt und sie als Experten ausgibt.
Und tatsächlich: All das gibt es bald bei RTL zu sehen, in einer neuen vierteiligen Comedy-Show mit dem Titel «Was wäre wenn?», die man ab dem 28. August spätabends um 23.15 Uhr zeigen wird.
Es ist im Show-Bereich die eigentümlichste Produktion des Senders seit den «TV Helden», die Anfang 2009, also vor mittlerweile über fünf Jahren, liefen. Man hat sich also reichlich Zeit für eine neue Anarcho-Comedy gelassen. Angesichts der sonstigen Programmstruktur von RTL, die freilich allein auf Masse abzielt, was Nischenunterhaltungsformen von Haus aus im Wege steht, darf man jedoch durchaus überrascht sein, dass es eine Sendung wie «Was wäre wenn?» überhaupt on air schafft.
Aus Kritikersicht war das jedenfalls eine goldrichtige Entscheidung: «Was wäre wenn?» sprüht vor Freude am Medium Fernsehen, was man angesichts der vielen kaputtoptimierten Shows des Senders dort lange nicht mehr erlebt hat. Es ist eines der wenigen Formate von RTL, die nicht so aussehen, als wären sie primär in der Controlling-Abteilung entstanden.
Ähnlich den «Unwahrscheinlichen Ereignissen im Leben von Frank Elstner», die jüngst beim WDR zu sehen waren und «Was wäre wenn?» konzeptuell nicht ganz unähnlich sind, zündet auch beim anarchischen Quartett auf RTL nicht jeder Gag. Wenn Jan Böhmermann mit Hitler-Bärtchen im Asia-Restaurant „Nazi-Goreng“ bestellt oder Katrin Bauerfeind am Drive-Thru-Schalter bei McDonald’s Nonsens ins Mikrofon blabbert, wird es stellenweise öde. Über die gesamte Laufzeit des Formats gerechnet, fällt das aber kaum ins Gewicht. Zu amüsant ist es, wenn die Pointen sitzen und die vier Comedians auch mal anecken. Die Beispiele dafür sind zahlreich: Wenn Katrin Bauerfeind im Rahmen des „Schlimmsten Telefongesprächs ihres Lebens“ vor Live-Publikum einen persönlichen Freund anruft und ihn um eine Samenspende bittet. Oder bei Sätzen wie „Toleranz funktioniert in Deutschland, solange der Döner schmeckt und keiner eine Moschee baut“.
- © RTL
Jan Böhmermann ruft Reiner Calmund an.
Oder wenn RTL sein Fett wegbekommt. Etwa als Jan Köppens Alterego eines versnobbten, desinteressierten Pseudojournalisten ein (Meta-)Interview mit Renate Künast führen will und sie fragt: „Gleichberechtigung? Interessiert das noch?“ Worauf Künast antwortet: „Ja. Selbst bei RTL interessiert das noch wen.“
Dann muss man sich durch einen Blick in die linke obere Ecke des Bildschirms tatsächlich kurz vergewissern, dass man tatsächlich gerade RTL guckt. Das RTL von «Supertalent» und «Bauer sucht Frau». Aber eben auch das RTL der Spitzen-Selbst-Persiflage à la «Ich bin ein Star – Holt mich hier raus», der relevanten Wallraff-Reportagen – und neuerdings auch der intelligenten Anarcho-Comedy «Was wäre wenn».
Und was wäre erst, wenn diese Sendung breiten Anklang beim Publikum fände und eine wohlverdiente zweite Staffel bekäme?
RTL zeigt «Was wäre wenn» ab Donnerstag, den 28. August um 23.20 Uhr.