Hingeschaut

Dieses Finale war legen...

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Wartet einen Augenblick! Der Abschluss von «How I Met Your Mother» zählt zu den umstrittensten Finalepisoden der jüngeren US-Seriengeschichte. Wieso sollte jemand mit diesem Ende zufrieden sein?

Über den Autor (und seinen Artikel):

Sidney Schering schaut «How I Met Your Mother» von Beginn an, verlor jedoch im Laufe der ersten Staffel kurz das Interesse, ehe er dank der zahlreichen Mittagsausstrahlungen die Sitcom lieben gelernt hat. Er genoss an der Serie nicht nur ihren Humor, sondern auch, dass sich aus dem Beziehung-wechsle-dich-Spielchen der ersten Jahre in späteren Staffeln eine ambitioniert erzählte Liebesgeschichte entwickelte. Da die Serienschöpfer berichteten, dass sie autobiografische Elemente in die Sitcom einbauten und der ganze Spaß zudem aus der Ich-Perspektive des redseligen Ted erzählt wurde, dachte Sidney, es sei nur fair, «How I Met Your Mother» aus ganz subjektivem Winkel einen letzten Tribut zu zollen.
Leser, ich lege euch jetzt eine unglaubliche Rezension dar. Sie handelt davon, wieso ich mit dem Ende von «How I Met Your Mother» zufrieden bin. Nein, ihr sollt nicht für irgendetwas bestraft werden. Ich möchte mit meinen Argumenten für dieses Serienfinale niemandes Meinung streitig machen. Ich möchte einfach nur meine Gedanken sortieren, ich möchte ausführen, was ich fühle … und all jenen, die das Finale noch nicht verdaut haben mit meiner Erläuterung Gedankenanstöße geben. Denn jede Trennung ist schwer, und es kann nur helfen, danach in einen Dialog zu gehen. Dies ist eine der vielen Lektionen, die uns «How I Met Your Mother» über die Liebe gegeben hat – und ich denke, sie lässt sich auch auf den Abschied einer geliebten Serie anwenden.

Selbstredend folgen nun zahlreiche Spoiler über die gesamte Serie, wer also das Ende noch nicht kennen sollte und aus Neugier in diese kleine, monologisierende Therapiesitzung gestolpert ist, sollte schnell fliehen, wenn er nun plötzlich kalte Füße bekommt.

Ich hatte vor Ausstrahlung des Finales auch kalte Füße, war nervös, wie sich das viel diskutierte, kontroverse Ende wohl abspielen wird. Und ich will gar nicht wissen, wie es den Serienschöpfern Carter Bays und Craig Thomas erst ergangen ist. Denn ich wusste „bloß“ seit dem 31. März dieses Jahres, dass zahllose US-Fans mit dem Ende unglücklich sind und war dem entsprechend nervös, ob es mir ähnlich ergehen wird. Bays und Thomas dagegen entschieden sich während der Produktion der zweiten Staffel für das Finale und drehten zusammen mit Lyndsy Fonseca und David Henrie, den Darstellern von Teds Kindern, deren allerletzte Szene. In dieser erklären sie ihrem Vater energisch, dass sie den Tod ihrer Mutter überwunden haben und in den Erzählungen ihres Dads eine ehrliche Zuneigung für ihre Ruftante Robin raushörten. Also soll er sich ein Herz nehmen und sie sich schnappen.

Rund sieben Jahre schleppten Bays und Thomas dieses Vorhaben mit sich herum. In dieser Zeit bekamen sie zu spüren, welche Schattenseiten langfristige Pläne aufzeigen können, denn die Dynamik ihrer Serie entwickelte ein Eigenleben. Hatten in den ersten Jahren Ted und Robin die prickelndste Chemie untereinander, stiegen später Robin und Barney zu einem unwiderstehlichen Paar auf. Derweil schlug Teds Handlungsfaden neue Wege ein: Aus dem unverbesserlich kitschigen Romantiker wurde ein realistisch denkender, pragmatischer Philosoph in Liebesdingen. Die Odyssee ins Herzen der emotional unterkühlten Nachrichtenmoderatorin Robin wandelte sich in die Erkenntnis, dass sich Liebesschicksale nicht planen oder erzwingen lassen. Dass es eine saubere, schnörkellose Liebesbiografie nicht gibt und es Rückschläge, Sackgassen, zusammenbrechende Illusionen und Phasen der Verblendung benötigt, um zu dem Menschen zu werden, der eines Tages dasteht und sein menschgewordenes, größtes Glück in die Arme nehmen kann.

Ich mochte «How I Met Your Mother» zu Beginn, dann wurde im Laufe der ersten Staffel aufgrund der meiner Meinung nach etwas hölzernen romantischen Turbulenzen von Ted, Barney und Robin aber auch Lily und Marshall mein Respekt vor der Serie etwas gedämpft. Dann aber legte die von Pamela Fryman so zielstrebig, pointiert und teils auch verblüffend einfühlsam inszenierte Sitcom ihre Einstellung zur Liebe immer konkreter sowie mitreißender nieder. Viele Filme haben ein verkitschtes Postkartenverständnis von Romantik – etwa Garry Marshalls immer wieder spaßiger Klassiker «Pretty Woman». Andere nehmen eine von Enttäuschungen zerrüttete, zynische Sichtweise ein und begeistern dann zumeist mit intensiv-dramatischem Schauspiel. «Take This Waltz» zum Beispiel. «How I Met Your Mother» dagegen, so sehe ich es zumindest, handelt nicht nur von Liebe, sondern liebt dieses bewährte Thema großer Erzählungen in all seinen Facetten. Die Serie ist zu einem Format herangewachsen, dass an romantischen Verwicklungen genauso viel Freude verspürt wie an sinnlosen Eskapaden und dem großen Glück, das keines weiteren Kommentars bedarf. Aber genauso an den Enttäuschungen, die damit irgendwann einhergehen müssen.

Und das, was «How I Met Your Mother» über Liebe aussagt, lässt sich problemlos auf meine Beziehung mit dieser Serie übertragen. Sie hatte ihre Dürreperioden, ihre lang anhaltenden Hochphasen, ihre spaßigen aber unnützen erzählerischen Umwege. Stets befand sich diese Sitcom in einem Balanceakt zwischen pointiert-überzeichneter Natürlichkeit und comichafter Karikatur – und dieses Kunststück gelang oft beeindruckend, manchmal aber ging es schief. Sie traf clevere Aussagen, sie löste mehrmals bei mir Gänsehaut aus, sie enttäuschte mich hin und wieder und machte all diese Enttäuschungen rasch wieder gut. Ich weiß natürlich nicht, wie sehr Bays und Thomas solche Dopplungen zwischen Serieninhalt und Serienwirkung beabsichtigt haben, und wie viel davon improvisiert oder bloßer Zufall war. Und wahrscheinlich wissen sie es selbst nicht einmal, denn wie uns «How I Met Your Mother» ebenfalls vorführte, kann einem die Erinnerung allerhand Streiche spielen.

Letztlich ist es aber, und auch das behandelte diese unvergleichliche Sitcom, nicht so wichtig, weshalb eine Liebe entflammte. Wichtiger ist, dass sie existiert. Und da «How I Met Your Mother» mit allen Höhen, Tiefen, Überraschungen, perfekt geplant scheinenden Entwicklungen und (un-)glücklichen Zufällen zu einer meiner Lieblingsserien wurde, nehme ich ihr auch die finale Staffel nicht übel. Diese Sitcom, die mich zum Lachen und Schwärmen brachte, stellte sich der Herausforderung, die jede TV-Serie ereilt, die von ihrem nahenden Ende weiß: Wie mache ich ein großes Finale? Immerhin steht viel auf dem Spiel: Es muss etwas Besonderes sein, der Serie aber treu bleiben. So viele Serien setzen auf eine ungewöhnliche, letzte (Doppel-)Folge mit vielen Antworten, neuem und einmaligem Setting, faszinierenden Gaststars oder einem ungewohnten, gern epischeren Tonfall.

«How I Met Your Mother» griff nach höheren Sternen. Statt alles mit einer Doppelfolge über die lang erwartete Hochzeit zwischen Robin und Barney zu beenden, spielte nahezu die gesamte neunte Season an einem einzelnen Wochenende. So setzten die Serienmacher auf die Narrative des Formats einen drauf und reizten Teds Hang zum Schwadronieren und sprunghaften Erzählen bis zum Äußersten aus. Sie gaben uns einen neuen, romantischeren Schauplatz und unternahmen somit einen spürbar gut gemeinten, ambitionierten, liebevollen Schritt. Aber wie es so in Beziehungen passieren kann, sind manche überwältigende, vom Herzen kommende Geschenke für den Anderen nur enttäuschend. Ich wollte dieses einschneidende Wochenende, an dem Robin und Barney heiraten und Ted endlich die Mutter seiner Kinder kennenlernt, im Detail sehen. Aber nicht so detailliert und noch weniger mit einem nervigen Subplot über Marshalls Reise quer durchs Land, der „Richter Fudge“ nicht wirklich gerecht wurde.

Ich kann diese überambitionierte Finalseason nicht herabwürdigen, weil ich die Idee hinter ihr sehe und weil obendrein die emotionalen Wendepunkte noch immer rührten. Und weil viele Gags noch immer trafen. Und dann kam sie, diese letzte Doppelfolge. Sie machte so lange alles perfekt: Dass nach dem in aller Ausführlichkeit erzählten Wochenende rasche Zeitsprünge folgen, ist genial. Denn Robins und Barneys Hochzeit war der große Wendepunkt dieser fiktiven Freundesgruppe. Ab dann waren die fünf jungen Erwachsenen aus New York plötzlich zwei befreundete Ehepaare und ein drittes, bis über beide Ohren verliebtes Paar. Die Singleabenteuer haben somit ein Ende. In jeder Konstellation von Freunden kommt der Tag, ab dem alle ihr eigenes Leben leben müssen und nicht mehr die Gruppendynamik im Vordergrund steht. Mit dieser Wende verfliegt die Zeit schneller, es gibt weniger gemeinsame Erlebnisse – und so für Ted beziehungsweise die Serienmacher weniger zu erzählen.

Wer allein schon diesen Aspekt vom «How I Met Your Mother»-Finale nicht ausstehen kann, muss, so denke ich, nur lang genug warten. Wahrlich nicht alle Freundschaften lösen sich auf, aber die Dichte, mit der Freundschaften spürbar sind, lockert sich auf. In manchen Gruppen braucht es ein paar berufliche Änderungen, in anderen eine Handvoll Umzüge, bei anderen müssen noch Ehen, Kinder oder sonstige biografische Höhepunkte geschehen. Aber es wird passieren, und wie sich das anfühlt, drückt die abschließende «How I Met Your Mother»-Doppelfolge gelungen aus.

Tja, und dann wäre da halt diese letzte Szene. Die immerhin so einschneidend ist, dass Bays und Thomas nach eigenen Angaben noch wenige Tage vor Ausstrahlung aller Langzeitplanung zum Trotz damit liebäugelten, im Schneideraum ein neues Ende zu kreieren. Ist es ein Schlag in Gesicht all jener, die im Laufe der neunten Staffel die von Cristin Milioti mit mühelos wirkendem Charisma gespielte Mutter namens Tracy lieben lernten? Ja. Ja, das ist es! Machen Bays und Thomas damit Teds Charakterentwicklung kaputt? Gute Güte, nein! Und noch viel weniger machten sie aus Ted einen Unsympathen, dem alles, was er sich je wünschte, auf dem Silbertablett serviert wird!

Ja, das Ende ließ mich zunächst stutzig zurück. Es war kein Ende, das mich vor Freude oder Rührung schluchzen ließ. Aber es ließ mich genauso wenig an die Decke gehen. Denn es ist genau das Ende, dass sich diese Serie erarbeitet hat – selbst wenn das zunächst widersprüchlich klingt. Wie Teds Erzählungen und die Interaktion zwischen Milioti und Ted-Darsteller Josh Radnor überdeutlich zeigen, ist Tracy Teds große Liebe, die Frau, die ihn mit Glück erfüllte und die er glücklicher machen konnte als jede andere Frau. Ja, die Serie einfach mit Ted und Tracy zu beenden, wie sie unter dem Regenschirm stehen und flirten wäre ein glückliches, wunderschön-kitschiges Ende. Aber dies passt nicht zur Einstellung von «How I Met Your Mother», zur großen Lektion, dass es im Leben nicht auf das ankommt, was man sich wünscht. Denn makelloses Glück gibt es nicht – Marshall und Lily machten erst eine schmerzliche Trennung durch, ehe sie wieder für immer zueinander fanden. Robin und Barney hatten drei sehr glückliche Jahre, bevor alles zusammenbrach. Und Ted musste erst viele, viele Fehler begehen, ehe sich alles perfekt fügte.

Doch ganz gleich, wie glücklich wir sind: Eines Tages wird jeder von seinem Seelenverwandten verlassen. Manchmal im Streit, manchmal weil sich beide Seiten auseinander gelebt haben. Oder weil der Tod die Liebenden scheidet. Es ist eine harsche Realität, die sehr lange bei «How I Met Your Mother» mitschwang – und sich im Finale passenderweise mit einem Knall zur großen Schlussnote heraus kristallisierte. Dass Ted danach mit Robin zusammenkommt, ist kein Verrat an Tracy. Es ist ein narrativer Kreisschluss: Selbst wenn der Höhepunkt hinter uns liegt, bedeutet es nicht, dass wir ins Bodenlose fallen. Ted und Robin sind füreinander eine ideale zweite Wahl, nach allen Turbulenzen, die sie durchmachten, haben sie sich zu neuen Menschen entwickelt, die endlich zusammenpassen.

Damit fand «How I Met Your Mother» ein bittersüßes Ende. Der Ted der späteren Staffeln fand alles, was er jemals suchte, verlor es jedoch nach vielen glücklichen Ehejahren. Und der Ted aus der Pilotfolge ist endlich mit Robin zusammen – auch wenn diese Beziehung lediglich einen schmucken Kompromiss mit dem Schicksal, Armor oder wem auch immer darstellt. Hätten die Serienmacher etwas zielsicherer auf diesen Schluss hinarbeiten können? Auf jeden Fall: Die Reaktion von Teds Kindern in ihrer letzten Szene ist zu selbstironisch für den Tonall, den die letzten fünf oder sechs «How I Met Your Mother»-Folgen anschlugen. Und gewiss hätte es nicht geschadet, Tracy in Staffel neun mehr als nur eine Folge im Scheinwerferlicht zu geben, um so ihre Beziehung mit Ted stärker zu verdeutlichen und Fehldeutungen der Marke „Tracy war also nur die zweite Wahl und nach ihrem Tod schnappt sich Ted dann einfach Robin als sei nichts gewesen“ im Keim zu ersticken.

Dennoch bin ich mit dem Schluss von «How I Met Your Mother» glücklich. Denn statt wie ein Feuerwerk brillant zu verpuffen, setzt es auf Langzeitwirkung. Und es unterstreicht die bereits angesprochene Dopplung zwischen Serieninhalt und -wirkung. Ted musste einen schweren Verlust hinnehmen und lernt nun, abseits der von der Sitcom erzählten Handlung, „ein Leben danach“ zu führen das ihn erfüllt. Und so geht es doch auch uns «How I Met Your Mother»-Fans. Wir waren in einer glücklichen televisionären Beziehung mit Ted und Co., mussten einen schweren Schock verdauen und wurden verlassen. Jetzt gilt es, loszulassen, die schönen Zeiten in Ehren zu halten – und mit dem Leben danach zu beginnen.

….


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