Cast & Crew
- Erfinder: Vince Gilligan, Peter Gould
- Darsteller: Bob Odenkirk, Jonathan Banks, Rhea Seehorn, Patrick Fabian, Michael Mando, Michael McKean u.a.
- Ausf. Produzenten: Vince Gilligan, Peter Gould, Mark Johnson, Melisssa Bernstein
- Musik: Dave Porter
- Produktion: High Bridge, Sony Pictures u.a.
«Better Call Saul» spielt sechs Jahre vor den Ereignissen um Walter White und Jesse, Hauptfigur ist der damals als Nebenfigur bekannte Saul Goodman. Gerade der 'Langweilige' also aus «Breaking Bad»? Genau der. Saul Goodman erschien in der Originalserie nie als interessante Figur, vielmehr als notwendiges Übel zum Zweck. Goodman fehlte Charakterisierung, er fungierte ein wenig als comic relief, als Korrektiv im sonst so dunklen Drama – speziell in der deutschen Synchronisation, wo man Goodman eine wenig ernstzunehmende Stimme verpasste. Warum gerade also dieser Charakter für ein eigenes Format? Nun, vielleicht gerade deshalb, weil sein Potenzial von allen Figuren des «Breaking Bad»-Universums am wenigsten ausgeschöpft war. „Wir lieben den Charakter einfach. Wir lieben es, ihn zu schreiben. Es ist so lustig, in seinen Kopf zu kriechen und ihm diese Dialoge in den Mund zu legen“, sagt Vince Gilligan auf die Frage, warum gerade Goodman ein Spin-Off bekommt. Und er schiebt nach: „Die Zeit wird zeigen, ob das eine gute Idee war oder nicht.“
- AMC
Als verarmter Pflichtverteidiger hat Jimmy McGill nichts zu lachen. Ob ihn ein unmoralisches Angebot schwach werden lässt?
Nach zwei Folgen lässt sich zumindest vorläufig festhalten: Es war eine gute Idee. In «Better Call Saul», das Jahr ist 2002, tritt Goodman noch unter seinem echten Namen James McGill in Erscheinung. McGill ist lokaler Pflichtverteidiger, ein guter, aber das Geld reicht lange nicht zum Leben, nicht einmal zum Sterben. Fälle werden gewonnen, Fälle werden verloren, am Ende bleiben dem Mann für jede Verteidigung nicht mehr als pauschal 700 Dollar. Sein Büro hat McGill im Hinterzimmer eines Fußpflege-Salons, nebenan röhren die Waschmaschinen. Die Würde hat er noch nicht verloren: Vor jedem Gerichtsauftritt pusht sich Jimmy, wie er gern genannt wird, zum Äußersten; und bei Anrufen von Mandanten imitiert er eine Sekretärin, um Professionalität vorzutäuschen. Eigene Klienten, die zu ihm kommen und die er mit gutem Gewissen vertreten kann, wünscht er sich. Und natürlich das dringend benötigte Geld.
Am liebsten verhandelt Jimmy unter vier Augen, seine großen rhetorischen Stärken werden schnell in der Serie unter Beweis gestellt. „Ich mag die Idee einer Anwaltsserie, in der der Anwalt alles versucht, um dem Gerichtssaal fernzubleiben“, sagt Vince Gilligan über die Figur. Gerichtssaalszenen halten sich bei «Better Call Saul» tatsächlich in Grenzen. Es geht um den Charakter selbst, dargestellt als verzweifelter, noch nicht gebrochener – und versucht aufrichtiger – Mann: Nachdem Jimmy wieder das Geld ausgeht, plant er mit zwei Komplizen einen Auffahrunfall vorzutäuschen, um Geld aus dem vermeintlichen Täter herauszupressen. Die Pläne setzen eine Ereigniskette in Gang, die ihn tief in dunkle Geschäfte verstricken. Hier entsteht der innere charakterliche Konflikt, der die Serie bislang trägt: Eigentlich wolle Jimmy das richtige tun, so Vince Gilligan. „Er will gut sein, nicht immer für sich, aber für andere. Er ist heldenhafter als ich jemals gedacht hatte, als wir den Entwicklungsprozess begannen.“
Hier wären wir bei den – nicht offensichtlichen, aber doch stark vorhandenen – Parallelen zu «Breaking Bad»: Zunächst ist die Serie eine One-Man-Show, ähnlich wie in der ersten Zeit um Walter White, als dieser als Hauptfigur charakterlich ausgearbeitet wurde. Wieder wird der Verlierertyp gezeigt, der seinem Schicksal entrinnen und anderen helfen will. McGill ist der unumstrittene Star der Serie, bislang eingeführte Nebencharaktere wie sein paranoider Bruder bleiben blass. Davon ausgehend startet Vince Gilligan abermals das Spiel um das Gute und das Böse in uns: Wird Jimmy McGill dem kriminellen Geschäft verfallen oder versucht er aufrichtig zu bleiben? Und wie weit wird er gehen wollen? Diese grundsätzlichen Fragen werden auch in «Better Call Saul» angedeutet, und sie werden vermutlich die Serie bestimmen. Die Erzählweise jedoch ist eine andere, das Format kommt heiterer daher als «Breaking Bad», es wird als Drama und als schwarze Komödie tituliert. Und es dauert nicht lange, bis man sich als Zuschauer an das «Fargo»-Universum erinnert fühlt. Auch Jimmy McGill ist so einer, der doch eigentlich nur Gutes wollte – und immer tiefer in den Schlamassel hineingezogen wird.
Es ist also gelungen: «Better Call Saul» erfüllt die Erwartungen, sowohl Neulinge als auch Fans von «Breaking Bad» werden ihren Spaß haben – letztere erwarten genügend Anspielungen und ein paar bekannte Charaktere, über die man sich wiederzusehen freut. Das Erzähltempo ist perfekt und verleibt den Zuschauer in ruhigen Momenten ein. Die Zeit für Charakterisierung wechselt sich wie bei «Breaking Bad» ideal mit temporeichen Passagen ab, die einem teils den Atem vor Überraschung stocken lassen. Auch diese Szenen hat «Better Call Saul» bereits in den ersten Episoden. Die schauspielerische Leistung von Bob Odenkirk als McGill ist über jeden Zweifel erhaben und verleiht dem zuvor einigermaßen monotonen Charakter schon jetzt eine Tiefe, die bewundernswert ist. Darstellerisch steht Odenkirk seinen früheren «Breaking Bad»-Kollegen Bryan Cranston und Aaron Paul in nichts nach – und dies ist die höchste Auszeichnung, die man ihm verleihen kann.
Die erste Folge von «Better Call Saul» stellte am Sonntag einen neuen Zuschauerrekord auf: Nie sahen im US-Kabelfernsehen mehr Menschen aus der werberelevanten Zielgruppe eine Serienpremiere. Saul Goodman ist nicht mehr der lame guy aus «Breaking Bad». Vince Gilligan hat es wieder geschafft.
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