Hingeschaut

Kaum drin und schon wieder raus: Wenig «Newtopia» in «Newtopia»

von   |  3 Kommentare

Mit einem aus Holland bekannten Kniff eröffnete Sat.1 seine neue Reality «Newtopia»: Die erste Sendung zeigte die Pioniere größtenteils daheim. Manuel Weis über den Start des Talpa-Formats und beim deutschen Publikum drohende Tücken...

Die 15 Pioniere

  • Andre (27), Restaurantleiter aus Augsburg
  • Aurica (40), Kassiererin aus Krefeld
  • Candy (44), Politikwissenschaftler aus Berlin
  • Christian (28), Landwirt aus Bad Bentheim
  • Conny (45), Architektin aus Potsdam
  • Derk (26), Key-Account-Manager aus Frankfurt/Main
  • Diellza (26), Model aus Siegburg
  • Hans (30), Fitness-Trainer aus Hamburg
  • Isolde (55), Schulleiterin aus Böblingen
  • Karolina (26), Studentin aus Berlin
  • Kerstin (38), Buchhalterin aus Nabburg
  • Lennert (26), Handwerker aus Wiefelstede
  • Lenny (29), Student aus Essen
  • Steffen (61), Hartz-IV-Empfänger aus Gelbensande bei Rostock
  • Tatjana (19), Schülerin aus Norderstedt
“Ich träume von einer besseren Welt!” - Passender, weil vielschichtiger hätte «Newtopia» in Deutschland nicht beginnen können. Dieser Satz trifft wohl auf jeden einzelnen der 15 ausgewählten Kandidaten, die hier Pioniere heißen, zu. Und genauso auch auf den Sender Sat.1, wo die Show von «Big Brother»-Erfinder John de Mol das größte Vorabendprojekt seit Jahren ist und die zuletzt brach liegende 19-Uhr-Sendefläche wieder salonfähig machen soll. Für de Mol selbst dürfte es in diesen Tagen zudem um nicht weniger gehen als die Zukunft seiner vielleicht besten Idee seit «The Voice». In Holland ist es gelungen mit dem Reality-Format den Vorabend des kleinen Senders SBS6 zu sanieren, in Amerika bei FOX aber floppte die Show, lief dort allerdings auch nicht täglich und nicht im Vorabend. Das Abschneiden in Sat.1 wird demnach entscheidend sein, wie sich das Format in den nächsten Monaten auf dem internationalen Markt schlägt.

Kein Wunder also, dass die Macher der Produktionsfirma Talpa sich hierzulande streng am niederländischen Vorbild orientierten. Die erste und vielleicht wichtigste Episode von «Newtopia» war an einigen Stellen gar eine 1:1-Kopie. In Rekordzeit von gerade einmal sechs Minuten wurden die 15 Pioniere in ihrem neuen Zuhause abgeliefert und an einen gemeinsamen Tisch gebracht. Dort bekamen sie - vor allem aber die Zuschauer mittels 3D-Animation die wichtigsten Spielregeln erklärt. Und der Clou der Premierenfolge folgte auf dem Fuße. Jeder Teilnehmer durfte nämlich noch einmal für 15 Minuten nach Hause, um wichtige Dinge in eine Kiste zu packen. Dass der Aufbruch in ein neues Leben direkt zu Beginn noch einmal in das alte Leben führt, ist ein Kniff, der in Holland für viel positives Feedback gesorgt hat.

Auch in der deutschen Version ließen sich so einige Geschichten noch einmal schön erzählen. Etwa die des knapp 30-jährigen Lenny, dem der Abschied von Freundin Sarah ohnehin schon schwer fiel. Oder die des Politwissenschaftlers Candy, der offiziell ohne festen Wohnsitz ist und deshalb zu “Mami” nach Hause fuhr. Das Packen der privaten Gegenstände nahm den Großteil dieser ersten Episode ein, was für das «Big Brother»-gewohnte Publikum ein kleiner Kultur-Schock gewesen sein könnte. Aber es wurde somit eines gleich klar: «Newtopia» ähnelt nur in den Grundzügen dem Großen Bruder, hat insgesamt viel mehr Möglichkeiten und Freiheiten.

Eine wichtige Vorgabe war, dass wir ein ganz spezielles Reality-TV umsetzen wollen. Dabei hatte es unter anderem Priorität, sich nicht an Formaten wie «Big Brother» zu orientieren, sondern technisch eine eigene Drama- und Soap-Note zu kreieren. Das heißt, wir möchten die Zuschauer nicht nur voyeuristisch von oben auf das Geschehen drauf schauen lassen, sondern sie durch tiefere Kamerapositionen in die Perspektive der Protagonisten mitnehmen und somit eindrucksvoller in die Welt von Newtopia einbinden. Im Vergleich zum holländischen Ursprungsmodell wurde beim deutschen «Newtopia» die technische Ausstattung nochmal erweitert und neu arrangiert.
Michael Westhofen, Director of Photography
Für die Pioniere selbst war der Trip nach Hause noch einmal die Gelegenheit von der Gruppe Abstand zu nehmen. Dass es in der Dynamik untereinander zu Spannungen kommen wird, dürfte - den Castern wird’s gefallen - jetzt schon sicher sein wie das Amen in der Kirche. Da reagierte Sportler Hans schon in einer der ersten Szenen recht angespannt, als er der Gruppe mitteilte, er wolle sich vor allem Sportschuhe und eine Jogginghose einpacken. Kandidatin Kerstin, die vorher verlautbaren ließ, sie werde Chefin der neuen Gesellschaft, zeigte sich direkt gar empört von so vielen Alpha-Tieren und klagte bei sich daheim, dass es wohl eine harte Zeit für sie werde.

Und so flossen schneller als von manchen erwartet schon die ersten Tränen im neuen Sat.1-Vorabendformat. Ganz neu eben konnte auch John de Mol das Genre Reality nicht erfinden. Themen wie Neid oder Faulheit sind schon angeklungen, etwa immer dann, wenn sich der schlafende Candy von dem Rest der Truppe distanziert. Wie die 15 sich ihre neue Gesellschaft, die nun entstehen soll, vorstellen, war noch kein Thema der ersten Sendung. Noch haben die Kandidaten alle Geldscheine, insgesamt 5000 Euro zur Verfügung - und auch das Dorf-Handy mit einem Guthaben von 25 Euro ist noch unberührt. Schon bald aber werden sie investieren und Geld verdienen müssen. Und erst dann geht das Spiel so richtig los. Mit aktuell sechs Tagen Vorlauf wird «Newtopia» produziert. Dieser Montag ist eigentlich schon der siebte Abend im etwa ein Hektar großen Gelände und die Kandidaten haben sich so ihre Gedanken gemacht, wie man die Summe auf ihrem Gemeinschaftskonto anschwillen lassen kann. Sie wollen wohl Entdeckungsreisen durch ihre Welt anbieten. Denn: Zuschauer dürfen «Newtopia» auf Einladung durchaus besuchen. Die Frage - drinnen wie draußen - wird nur sein: Wie gefällt dem deutschen Publikum die Sendung und das Gelände? Die ersten 54 Minuten - gerade einmal zwei Minuten Werbung liefen am Montag - waren vielversprechend - und ließen Raum für Erzählmöglichkeiten in vielen Richtungen. Erkennbar war auch die gute Vorarbeit der Produktion.

Mit viel Mühe und Akribie haben die Verantwortlichen das Set so realistisch wie möglich gestaltet. Die leere Scheune, den großen Acker, die Stallanlagen, einen Tümpel. Mutter Natur ist da aber eines der Probleme. Es ist Ende Februar. Nichts blüht. Nichts sieht attraktiv oder freundlich aus. «Newtopia» ist - am Tage wie in der Nacht - momentan noch ziemlich karg. Das hat in Holland die Zuschauer nicht abgehalten, einzuschalten. In Deutschland ist der klassische Reality-Fan aber anders sozialisiert. Er ist den Standard von «Big Brother» gewohnt - also einen Schauplatz mit vielen Schauwerten, bunten Farben, vielleicht sogar luxuriöser Einrichtung.
Welche Note hat «Newtopia» verdient?
Sehr gute erste Sendung. Eine 1.
28,8%
Luft nach oben besteht noch. Eine 2.
34,7%
Der Auftakt war durchschnittlich. Eine 3.
14,0%
Über eine 4 kommen wir nicht hinaus.
6,9%
Das war nichts. Ich vergebe eine 5-6.
15,5%

Genau das bekommt er in der neuen Sat.1-Sendung nicht. Macht nichts, sagen die Produzenten. Müssen sie sagen. Die Historie von Reality-Fernsehen aber lehrt etwas anderes. In «Newtopia» wird von einer neuen und anderen Welt geträumt. Auch von einer, die diese Erfahrungen über Bord wirft. Neun Prozent am Dienstag wären schon ein kleiner Erfolg, zweistellige Quoten erst recht. Das Gute an «Newtopia» ist: Es ist ein langer Weg: Für die Kandidaten und die Macher. Das Projekt ist auf ein Jahr angelegt, kann bei Erfolg sogar länger gehen. Oder eben kürzer, wenn kaum jemand zuschaut. Für die Premiere gingen die Macher - so gut es ging - auf Nummer sicher. Ob der Cast stimmt, ob sich aus der Gruppe heraus genug Themen ergeben und ob Sat.1 somit endlich wieder einen Vorabenderfolg hat, werden die nächsten Tage zeigen.

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Es gibt 3 Kommentare zum Artikel
Sentinel2003
23.02.2015 21:05 Uhr 1
Mir hats gefallen! 8)
P-Joker
23.02.2015 21:10 Uhr 2
Ich frage mich, wer diesen hirnrissigen Quatsch überhaupt schaut!
Makato
23.02.2015 21:29 Uhr 3
Hat mir gefallen! Endlich wieder ein spannendes TV-Projekt im deutschen TV.



@P-Joker

Ich frage mich, wie man solche hirnrissigen Kommtentare schreiben kann. Du Oberschlaumeier!
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