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«Daredevil» bei Netflix: Teuflisch gut?

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Ein blinder Anwalt, der Verbrecher jagt. Ein Stadtteil, der im Chaos versinkt. Eine Superheldenserie, die sich nicht wie eine anfühlt. Unsere Kritik zu «Daredevil».

Die nächsten Netflix-Neustarts

  • 10. April: «Daredevil»
  • 8. Mai: «Grace & Frankie»
  • 21. Mai: «Between»
  • 5. Juni: «Sense8»
  • 12. Juni: «Orange is the New Black» - Season 2
  • 17. Juli: «Wet Hot American Summer»
  • irgendwann 2015: «BoJack Horseman» - Season 2, «Longmire» - Season 4, «Marvel's A.K.A. Jessica Jones»
  • 2015/2016: «Club de Cuervos», «The Crown», «F is for Family», «Flaked», «Hemlock Grove», «Love», «Marco Polo» - Season 2, «Marseille»
  • noch ohne Termin: «Lemony Snicket’s A Series of Unfortunate Events»
Die beste Nachricht zuerst: Marvels neue «Daredevil»-Serie ist um Meilen besser als der Kinofilm von 2003, in dem Ben Affleck dem Comiccharakter keine Ehre machte. Mit Netflix soll nun alles besser werden, gleich fünf Marvel-Formate bestellte der Konzern, die miteinander funktionieren sollen. «Daredevil» ist der erste Versuch einer neuen Interpretation des Superhelden-Genres, und er funktioniert.

Dabei beginnt man ganz klassisch, mit dem einen Vorfall im Leben des Matt Murdock, der ihn später zum Kämpfer für die Gerechtigkeit machen soll: Die ersten Minuten von «Daredevil» zeigen den jungen Matt, das Kind, das bei einem Autounfall sein Augenlicht verliert. Von dort an ist Matt blind, aber seine anderen Sinne werden umso stärker ausgebildet: Er kann besser hören, riechen, schmecken, fühlen als jeder andere Mensch auf der Welt. Und zum Beispiel am Herzschlag anderer erkennen, ob sie gerade lügen oder nicht. Die Schritte von Gangstern hört er auf zig Meter Entfernung.

Allein, «Daredevil» fühlt sich an als mehr als „nur“ eine Superheldenserie. Abseits der «Batman»-Filmtrilogie gilt das Genre nicht als das anspruchsvollste, und oft bieten die Formate wenig mehr als Popcorn-Action. Man könnte auch sagen: Sie bedienen zu oft das Klischee. «Daredevil» macht es anders. Zwar besitzt man die klassischen Zutaten – Kämpfe, Gegner, die Darstellung der übernatürlichen Fähigkeiten. Doch die ersten Folgen der Netflix-Serie vermitteln den Eindruck, dass die Autoren mehr zeigen wollen als nur den Superhelden Daredevil. Sie wollen den Charakter hinter Daredevil ergründen, Matt Murdock eben. So wie Bruce Wayne in der «Batman»-Trilogie eine relevantere Rolle einnahm als sein Alter Ego. Ebenso wirkt «Daredevil» dunkler und depressiver als die meisten modernen Superhelden-Stoffe. Kalte Farben dominieren, stakkatohafte Soundsequenzen irritieren. Das Format fühlt sich pulpig an, im Comicsprech auch „grim and gritty“ genannt, düster und grob. Das Gegenteil von Marvels anderer großer Superhelden-Serie eben, «Agents of S.H.I.E.L.D.».

Der Pilotfilm erzählt von den Anfängen Murdocks als junger Anwalt. Zusammen mit seinem Kollegen Foggy Nelson eröffnet er eine Kanzlei, und da beide noch keinen einzigen Klienten haben, klopfen sie bei der Polizei an. Ihr erster Fall: Eine junge Frau, Karen Page, wird des Mordes angeklagt. Als sie an einem Morgen in ihrer Wohnung aufwacht, liegt der leblose Körper eines Arbeitskollegen neben ihr. Schnell stellt sich heraus, dass Karen unschuldig ist, aber ihr wird nach dem Leben getrachtet. Bald wird Karen in der Kanzlei mitarbeiten, sie ist der Ausgangspunkt einer größeren Geschichte um Macht und Geld, die Murdock noch länger beschäftigen wird. Das erkennen bald auch die Gangsterbosse von Hell's Kitchen, dem New Yorker Stadtviertel, in dem «Daredevil» zu Hause ist. Schon in Folge zwei wollen sie Murdock ausschalten, nehmen ein Kind gefangen, um ihn in die Falle zu locken.

Vom grundlegenden Plot liest sich «Daredevil» wie eine eher gewöhnliche Superhelden-Serie. Was sie aber von anderen abhebt, ist ihr großes Interesse für die eigenen Figuren und ihre Geschichte. Actionszenen wechseln sich ab mit langsamen Szenen, mit stillen Kameraeinstellungen und teils fast kammerspielartigen Diskussionen zwischen Charakteren. Überhaupt lässt man viel Raum für Dialoge. Die Serie will, dass man als Zuschauer eine Beziehung zu ihren Hauptfiguren entwickelt. Allein in Folge zwei gibt es zahlreiche Flashbacks, die von Matts Kindheit erzählen, von seinen ersten Erfahrungen als Blinder, von seinem Vater, dem Einzelkämpfer. Diese Flashbacks dienen nicht nur der Charakterisierung von Murdock, sie fungieren auch als Parabel auf das Wiederaufstehen, im uramerikanischen Sinne: Matts Vater war Untergrund-Boxer, einer der schlechten, der aber immer wieder in den Ring stieg. Der Titel von Episode zwei – „Cut Man“ – sagt vieles: Matt nähte die Wunden seines Vaters wie selbstverständlich zusammen, er lernte, nie aufzugeben.

«Daredevil» konzentriert sich aber nicht nur auf Matt Murdock, auch sein Anwaltspartner Foggy Nelson und die Sekretärin Karen Page nehmen viel Raum ein. Die zweite Folge erzählt wunderbar von einer durchzechten Nacht, in der Foggy und Karen sich näher kommen. Karens Darstellerin Debobrah Ann Woll ist der heimliche Star der ersten Folgen, ihr erfrischendes und authentisches Schauspiel beeindruckt. Aber auch Charlie Cox (als Murdock) und Elden Henson (als Nelson) bieten hohes Niveau und harmonieren wunderbar. Etwas zu kurz kommen zu Beginn der Serie die Gegner, mit denen Murdock es zu tun bekommt (oder bekommen wird): Die großen Bosse bleiben im Hintergrund, lange hat man es nur mit Handlangern zu tun. Aber auch dies scheint gewollt: Der Zuschauer soll nur einen vagen Eindruck davon bekommen, was im Manhattener Stadtviertel Hell's Kitchen vor sich geht. Drogen, Menschenschmuggel, Kidnapping, Geldwäsche. Murdock wird noch viel zu tun haben.

Die erste Staffel von «Daredevil» ist seit 10. April bei Netflix abrufbar.

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