Die Kritiker

Stromberg im Bundestag

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Manchmal weiß man nicht, ob man lachen oder heulen soll, so zynisch wird der Politbetrieb in der neuen ZDFneo-Serie «Eichwald MdB» dargestellt. Das ist Teil des Konzepts - und gefällt hervorragend.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Bernhard Schütz als Hajo Eichwald
Rainer Reiners als Berndt Engemann
Lucie Heinze als Julia Schleicher
Leon Ullrich als Sebastian Grube
Maren Kroymann als Birgit Hanke
Robert Schupp als Uwe Bornsen

Hinter der Kamera:
Produktion: Kundschafter Filmproduktion und ZDF
Drehbuchautor und Showrunner: Stefan Stuckmann
Regie: Fabian Möhrke
Kamera: Timon Schäppi
Produzenten: Andreas Banz, Dirk Engelhardt, Matthias Miegel und Robert Thalheim
Was käme dabei heraus, wenn Bernd Stromberg im Deutschen Bundestag säße? Wohl eine Serie wie «Eichwald MdB».

Hajo Eichwald hat schon lange keinen Bock mehr auf seinen Job als Bundestagsabgeordneter. Eigentlich ist er ein ganz normaler Arbeitnehmer in der inneren Kündigung, nur ist sein Arbeitgeber das deutsche Volk, beschreibt es der Pressetext. Eichwald vertritt seit Jahrzehnten den Wahlkreis Bochum II und hat es seitdem geschafft, sich ein paar nette Pöstchen zu sichern und ansonsten der großen Politik aus dem Weg zu gehen. Ein bisschen Ausschuss für Verbraucherschutz, ein bisschen Landwirtschaftspolitik.

Doch jetzt auf seine alten Tage, wo er es sich gerade in der inneren Emigration so schön gemütlich gemacht hat und die üppige Pension schon sehen kann, wird ihm ein neuer Abgeordneter gefährlich: Uwe Bornsen kommt aus dem selben Wahlkreis wie Eichwald, ist aber jung und dynamisch – und könnte damit dem alten Griesgram das sichere Direktmandat streitig machen. Es gilt, wieder einmal kräftig zu intrigieren.

Wenn man Christopher Lauers Einlassungen Glauben schenken mag, ist Politik ein ekelhaftes, entwürdigendes, asoziales Geschäft, in dem es nur die zu etwas bringen, die in der Lage sind, psychisch und emotional komplett dicht zu machen. In den etablierten Parteien gehe es noch schlimmer zu als bei den Piraten, nur eben hinter verschlossenen Türen.

Nun sagt sowas nicht nur Lauer. Dass Politik voll Heuchelei, Anbiederung, Intrigengespinne und knallhartem Machttrieb steckt, ist – je nach Sichtweise – ein gängiges Vorurteil oder eine Binsenweisheit. Wahrscheinlich beides. Und natürlich ist Politik mitunter genau deswegen ein hervorragendes Umfeld für spannende fiktionale Stoffe. «The West Wing» hat es vorgemacht, wie man den hoch komplexen politischen Abläufen in einer spannenden Serie Herr werden und gleichzeitig noch sehr viel für die Vermittlung demokratischer Werte tun kann. «House of Cards» handelt von einem brillanten Psychopathen, der sich bis ins Weiße Haus intrigiert – und gilt als ein Paradebeispiel für exzellentes serielles Erzählen.

Ein Niveau, mit dem «Eichwald MdB» freilich nicht mithalten kann. Muss es auch nicht, schließlich wählt die Serie einen anderen Zugang: einen satirischeren, komödiantischeren. Einen anderen Blickwinkel sowieso: den des desillusionierten Hinterbänklers, der sein Versagen verwaltet und weder das Interesse noch die Kompetenz hat, sinnvolle Politik zu machen.

Neben dem permanenten Zynismus der Figuren fällt als erstes die hohe Geschwindigkeit auf, mit der diese Serie erzählt: Die Dialoge, voll von Anspielungen auf den realen Polit-Betrieb mit knallharten Seitenhieben auf all die Seehofers und Schröders der Republik, verlangen den Darstellern einiges an Sprechgeschwindigkeit ab und sind so schmissig und snappy geschrieben wie in kaum einer anderen deutschen Serie. Das wirkt sehr stimmig, schließlich läuft man bei einem satirisch angehauchten fiktionalen Format auch bei einer schnellen Erzählgeschwindigkeit nicht Gefahr, oberflächlich zu werden. Die Oberflächlichkeit ist Teil des Konzepts.

Natürlich sind am Schluss alle Figuren Karikaturen. Aber sie sind immer sehr genau beobachtete Überspitzungen von Typen, die man sich so oder so ähnlich gut in vergleichbaren Positionen vorstellen kann. Der Abgeordnete, der nichts zu Stande bringt, in den Querelen in der Fraktion und mit dem politischen Gegner untergeht und sich am Schluss in Fatalismus und Jähzorn flüchtet. Der Social-Media-affine Referent, dessen Dampfgeplauder den Unsinn katalysiert. Der altgediente wissenschaftliche Mitarbeiter, der mit den aktuellen Trends und Methoden nichts anfangen kann und dessen sinnigere Ideen stets verworfen werden, weil sie trotz ihrer Sinnhaftigkeit unsexy klingen. Die Büroleiterin, die sich nach außen hin engagiert gibt, der aber prinzipiell alles scheißegal ist.

Eine Truppe, wie man sie sich für die deutsche Politik nicht unbedingt wünscht. Die man sich aber durchaus so vorstellen kann. Und die einen glänzend unterhält.

ZDFneo zeigt vier Folgen von «Eichwald MdB» donnerstags ab dem 16. April um 22.45 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/77555
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