«Avengers: Age of Ultron» in der Kurzkritik
Das von Joss Whedon beeindruckend inszenierte, zweite Aufeinandertreffen der Avengers ist verrückter, dramatischer und bombastischer als «Marvel's The Avengers». Aufgrund einiger außergewöhnlich-verschrobener Storyaspekte ist dieser pompöse Superheldenmythos allerdings auch längst nicht mehr so zugänglich wie der Erstling. Geschliffene Dialoge, eine klarere Ausdifferenzierung der Figuren und abwechslungsreich-überwältigende Action werden Fans der Reihe aber über diese Kleinigkeit hinwegtrösten.Während daher ein 'Cinematic Universe' nach dem anderen angekündigt wird, legt Marvel mit «Avengers: Age of Ultron» die Messlatte nun noch höher – und führt seinen Mitbewerbern einmal mehr vor, dass die Idee eines zusammenhängenden Kinouniversums alleine nicht genügt. Die zahlreichen Fäden müssen auch gekonnt geführt werden. Gerade bei diesem Versuch verheddern sich so manche Ultra-Blockbuster, allen voran Marvel-Trittbrettfahrer wie Sonys «The Amazing Spider-Man»-Reihe. Joss Whedon derweil hält beim zweiten großen Superhelden-Stelldichein mehr Fäden denn je in der Hand, und lässt es so mühelos aussehen wie schon im ersten «Avengers». Was allerdings keinesfalls bedeuten soll, dass das neue Marvel-Epos schlicht bereits Geleistetes wiederholt. Stattdessen erschließt «Avengers: Age of Ultron» kühn neue Horizonte im Marvel-Universum und stellt somit einen spannenden Wendepunkt dar.
Gewohntes und Andersartiges kollidieren
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Schlechte Fortsetzungen folgen stur dem Ablauf des Erstlings, hoffend, so dieselben Publikumsreaktionen hervorzurufen wie der beliebte Vorgänger. Exakt dieses Vorgehen resultiert zuweilen in Logiklöcher (gelernte Lektionen werden von den Figuren verlernt, womit sie wieder in alte Schemata fallen) und obendrein behält es dem Zuschauer neue Sehgenüsse vor, womit oftmals Langeweile vorprogrammiert ist. Dessen ungeachtet braucht eine filmische Fortführung ein kleines Maß an Wiederholung, um seine Zielgruppe nicht zu enttäuschen – denn wer eine Karte für ein neues Abenteuer mit alten Bekannten löst, möchte diese ja auch gern wiedererkennen. Ein «Stirb langsam» braucht den „Yippie-Ya-Yeah, Schweinebacke“-Spruch, ein «Pirates of the Caribbean»-Film muss eine Abwandlung des „He's a Pirate“-Stücks bieten und wenn James Bond eine ganze Mission ohne seinen Martini absolviert, sind die Fans schockiert.
«Buffy – Im Bann der Dämonen»-Schöpfer Joss Whedon, der bei «Avengers: Age of Ultron» in Personalunion als Regisseur und Drehbuchautor fungiert, ist sich glücklicherweise der zwiespältigen Anforderung bewusst, der sich Sequels stellen müssen. Und so greift er auf einen ebenso schlichten wie genialen Kniff zurück, um zu gewissen «Avengers»-Grundpfeilern zurückzukehren und trotzdem früh zu verdeutlichen, dass Part zwei ein ganz eigenes Biest darstellt: Nur wenige Sekunden nach Filmbeginn serviert Whedon eine halsbrecherische Plansequenz, die alle Avengers höchstkonzentriert unter Einsatz ihrer besonderen Fähigkeiten zeigt.
Solch eine turbulent-vergnügliche Kamerafahrt stellte beim ersten Aufeinandertreffen der Marvel-Superhelden den Höhepunkt des ausführlichen Finalkampfes dar. Und es dürfte wohl zu verführerisch gewesen sein, solch eine mühevoll orchestrierte, vor Coolness beinahe zerberstende Sequenz auch im zweiten Teil für den Schlussakt aufzubewahren. Sozusagen als effektvolle Geheimwaffe, um dem Gebotenen in den letzten Zügen einen zusätzlichen Knall zu verleihen – bloß, dass eben diese dann gar nicht mehr so richtig überrascht hätte. Dass «Avengers: Age of Ultron» viel, viel früher als erwartet seine Geheimwaffe zückt, ist daher auf mehreren Ebenen effektiv: Gleich zu Beginn des Films wirkt sie, da der Zuschauer sich gerade noch dabei befindet, sich in das Leinwandgetümmel einzufinden, ungemein umwerfend. Und sie dient als Warnschuss: Die alten Regeln aus «Avengers» gelten nicht mehr. Neues Gefecht, neue filmische Grundsätze. Wie die extrem stylische Plansequenz darüber hinaus unterstreicht: Die Avengers müssen nicht schon wieder zusammenfinden. Sie sind schon von der ersten Sekunde an ein verdammt gut eingespieltes Team!
Das drückt nicht nur der Prolog aus, sondern auch das charmant verzerrte Gegenstück zu den Helicarrier-Dialogpassagen aus Teil eins. Ziehen diese ihren Reiz daraus, dass sich eine Gruppe unangepasster Sturköpfe auf einem schwebenden Flugzeugträger raffiniert geschriebene Feindseligkeiten an den Kopf wirft, gibt es in «Avengers: Age of Ultron» erneut eine längere Phase, die allein von verbaler Interaktion lebt. Bloß, dass die titelgebenden Helden dieses Mal eine Siegesfeier schmeißen, freundschaftliche Schwätzchen abhalten, sich kollegial necken, flirten und ihre gemeinsame Zeit auf Erden genießen. Die Casting-Leistungen Marvels zahlen sich in dieser Passage zu himmlischen Ergebnissen aus: Die Chemie innerhalb des Avengers-Sextetts sowie mit Darstellern zweitrangiger Figuren aus diesem Filmuniversum, wie etwa «How I Met Your Mother»-Darstellerin Cobie Smulders alias Ex-Agentin Maria Hill, ist einzigartig. Kombiniert man diese toll aufgelegte, perfekt gecastete Truppe mit Whedons geschliffen-spaßigen Dialogen, wünscht man sich als Betrachter glatt, diesen festlichen Abend im Avengers-Tower in Echtzeit miterleben zu dürfen.
- © Disney
Erneut müssen sich die Avengers versammeln, um die Menschheit zu retten - und sie alle bringen ihre eigenen Stärken und Schwächen mit. Von links nach rechts: Wissenschaftler Bruce Banner alias Wutmonster Hulk (Mark Ruffalo), Spitzensoldat Steve Rogers alias Captain America (Chris Evans), Donnergott Thor (Chris Hemsworth), Erfinder Tony Stark alias Iron Man (Robert Downey Jr.), Agentin Natasha Romanova alias Black Widow (Scarlett Johansson) und Scharfschütze Clint Barton alias Hawkeye (Jeremy Renner).
Gemeinsamer Abstieg in die Finsternis
Aber jede Party findet einmal ihr Ende – manche gar ein unrühmliches, wie etwa die von Ultron nachhaltig getrübte Siegesfeier der Avengers. Mit ihr endet auch vorerst der locker-leichte Tonfall, der vornehmlich mit den Marvel-Kinospektakeln assoziiert wird. Aufgrund der immensen Fähigkeiten Ultrons und seines schauderhaften Plans nimmt «Avengers: Age of Ultron» nach dem verspielt-leichtherzigen Anfang eine zielstrebige Wende ins Dramatische. Verstärkt wird dies dadurch, dass Ultron – anders als einige Marvel-Filmschurken vor ihm – eine einnehmende Persönlichkeit hat: Das entfesselte Spiel James Spaders, der Ultrons Zeilen am Set zum Besten gab, wird durch bestechende Computeranimationen wiedergegeben und ermöglicht so, Ultron zu einem unvergesslichen Bösewicht aufsteigen zu lassen. Ultron ist nicht nur energisch und skrupellos, sondern hat des Weiteren einen finsteren Sinn für Humor und zudem einige charakterliche Macken, die zum Schmunzeln einladen. Dank dieser fesselt es umso mehr, wenn Ultrons abartige Machenschaften aufgehen oder er einen sardonischen Monolog hält. Im Grunde funktioniert diese Rolle wie eine Roboterversion des Jokers aus «The Dark Knight», wenngleich Heath Ledgers Paraderolle noch eine Spur besser ist. Sie haben zwar eine gänzlich andere Motivation und Persönlichkeit, die Wirkung dieser Figuren ist dagegen verblüffend ähnlich: Wenn sie eine Szene betreten, reißen sie diese auch sofort an sich, und selbst wenn sie gelegentlich amüsieren, verleihen sie ihrem jeweiligen Film mittels schwer widerstehlicher, unheilvoller Ausstrahlung einen düsteren Tonfall.
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Dass dieser Balanceakt gelingt, liegt – und somit schließt sich der Kreis – größtenteils an der Interaktion des gewaltigen Figurenrasters in hellen wie dunklen Momenten: Jeder der Avengers hat sein ganz eigenes Humorverständnis, seinen eigenen inneren Handlungsantrieb und seine ganz eigene Art, sich im (verbalen oder handgreiflichen) Kampf durchzusetzen. Dies wissen die Skriptzeilen und Performances ohne Verwendung der Brechstange zu vermitteln, wodurch der Plot unentwegt in Bewegung und auch in sich plausibel bleibt: Wie zuvor erwähnt und im Film eingangs vorgeführt, sind die Avengers eine eingespielte Mannschaft und somit am Zusammenhalt interessiert, da alle Figuren aber eine eigene Persönlichkeit aufweisen, entsteht eine glaubwürdige Reibung. Durch diese Reibung bleibt es spannend, ob das Helden-Team oder Ultron das jeweils nächste Kapitel der Story gewinnt, was wiederum den eher düsteren Tonfall befeuert und zugleich die Figuren bemerkenswerter macht. Die Avengers sind weder ein eintöniges Team, noch eins, das in diesem Film aufgrund ewiger, unüberwindbarer Konflikte nach einer Auflösung schreit. «Avengers: Age of Ultron» meistert also das Kunststück, der wachsenden Ansammlung an Figuren gerecht zu werden, ohne dass irgendeine Rolle einseitig, unnütz oder störend wirkt. Schon im Erstling war dies eine respektable Leistung, Teil zwei aber traut sich, die Charakterentwicklung ausdifferenzierter zu betreiben und verzichtet dabei zugleich darauf, innerhalb des Avengers-Teams zwischen 'zentralen' und 'nebensächlichen' Personen aufzuteilen. Es sind daher fast (aber nur fast!) zu viele Fäden, an denen Whedon ziehen muss – und trotzdem hakt die Narrative zu keinem Zeitpunkt und es gibt auch keinen Moment, in dem eine Figur ohne Erklärung wider ihrer Natur handelt. Da muss doch schwarze Magie im Spiel sein!
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