Die Kino-Kritiker

«A World Beyond»

von

Aufmunternder Kinospaß nach alter Schule: George Clooney und «Under the Dome»-Star Britt Robertson reisen in Brad Birds Tomorrowland.

Filmfacts «A World Beyond»

  • Regie: Brad Bird
  • Produktion: Brad Bird, Damon Lindelof, Jeffrey Chernov
  • Drehbuch: Damon Lindelof, Brad Bird
  • Story: Damon Lindelof, Brad Bird, Jeff Jensen
  • Darsteller: George Clooney, Hugh Laurie, Britt Robertson, Raffey Cassidy, Tim McGraw, Kathryn Hahn, Keegan-Michael Key
  • Musik: Michael Giacchino
  • Kamera: Claudio Miranda
  • Schnitt: Walter Murch
  • Laufzeit: 130 Minuten
  • FSK: ab 12 Jahren
Die Zukunft. Was bringt sie uns? Wofür steht sie? Wie sieht sie aus? Vor 50 Jahren gab es nicht viel über diese Fragen nachzudenken. Die Antwort war nahezu einhellig: „There's a Great Big Beautiful Tomorrow …!“ Solch eine optimistische Zukunftsperspektive spiegelte sich in Liedern, Filmen und Büchern wider. Zugegebenermaßen: Natürlich fanden sich schon immer vereinzelte dystopische Werke, gemeinhin war der Blick gen Morgen aber ein freudiger, einer voller Erwartungen. Wie sich auch in den Anfangsjahren des Disneylands zeigte, wo der Sci-Fi-Themenbereich namens Tomorrowland noch in hellen, freundlichen Farben gehalten war und die Attraktionen allesamt erheitern wollten, statt sich mit Thrills zu brüsten.

Der Gipfel der Zukunftsfreude war jedoch möglicherweise die Weltausstellung 1964 in New York. Von der Weltsicht, die dort propagiert wurde, haben wir uns längst abgekehrt, um stattdessen im Alltag und in unseren Medien förmlich sämtliche möglichen Zukunftssorgen aufzusaugen. Brad Bird sorgt nun allerdings für Gegenprogramm. So, wie vor vielen Jahrzehnten der Pessimismus in der Sci-Fi-Popkultur eine Minderheit darstellte, entlässt der Regisseur hinter «Ratatouille» und «Mission: Impossible -Phantom Protokoll» mit «A World Beyond» nun einen raren Schimmer des Zuversicht in die Lichtspielhäuser. Erzählt wird das mysteriöse Sci-Fi-Abenteuer von einem Duo, das trotz seiner Liebe zur Wissenschaft charakterlich nicht unterschiedlicher sein könnte. Zunächst wäre da Frank Walker (George Clooney), ein brillanter Erfinder, der auf der Weltausstellung 1964 Unglaubliches entdeckt hat und viele Jahre seines Lebens damit verbrachte, der Welt eine traumhafte Zukunft zu ermöglichen. Doch Frank erging es schlussendlich ähnlich wie der Allgemeinheit, wenn nicht sogar noch schlimmer: Er hörte auf, an seine Utopie zu glauben und gab sich resigniert dem Zynismus hin.

Die abenteuerlustige und neugierige Teenagerin Casey Newton (Britt Robertson) dagegen ist völlig gegen den heutigen Zeitgeist gebürstet: Beispielsweise ist sie noch immer von der Arbeit der NASA begeistert und stellt in der Schule enthusiastisch Fragen darüber, wie wir dafür sorgen können, dass wir als Gesellschaft wieder den richtigen Kurs einnehmen. Als Casey eines Tages einen rätselhaften Pin überreicht bekommt, der ihr Visionen einer utopischen, friedfertigen Welt offenbart, geht sie der Spur dieser außergewöhnlichen Anstecknadel nach – und stolpert somit in ein Erlebnis, das sie sich nie zu erträumen gewagt hätte …

In gewisser Weise ist Regisseur Brad Bird und den ebenfalls für die Story verantwortlichen Autoren Damon Lindelof und Jeff Jensen mit «A World Beyond» der quintessentielle Disney-Film gelungen: Firmengründer Walt Disney wurde von seinen Zeitgenossen zu gleichen Teilen als großer Nostalgiker aufgefasst sowie als hoffnungsvoller Zukunftsfreund. «A World Beyond» vereint den Blick zurück und den Blick nach vorn auf eine Weise, die eine absolute Rarität darstellt: Bird drückt mit dieser hochvergnüglichen Geschichte aus, wie sehr er sich fürs Heute eine Zukunftsperspektive herbeisehnt, wie sie im Gestern üblich war. Das Tomorrowland, wie es Casey beim Berühren ihres wundersamen Pins zu sehen bekommt, ist vom Design her stark daran orientiert, wie sich US-amerikanische Künstler in den 50er- und 60er-Jahren die ferne Zukunft vorstellten – nur opulenter und ethnisch vielfältiger. Und auch der Tonfall von «A World Beyond» ist wie aus der Zeit gefallen.

Das Feeling dieses an die ganze Familie gerichteten Kinospaßes kettet sich dabei nicht ganz so sklavisch an die 50er und 60er wie er es hinsichtlich seiner Zukunftsvorstellungen und dem Design seiner futuristischen Elemente macht. Die wenigen, dafür umso abwechslungsreicheren Actioneinlagen in «A World Beyond» wecken eher Erinnerungen an altersübergreifende Leinwandabenteuer wie sie unter anderem Steven Spielberg einst inszenierte: Die Lage für unsere Helden wird delikat genug, um junge Zuschauer zu fesseln, sie aber nie einzuschüchtern. Und das ältere Publikum darf derweil über die Effektarbeit und findigen Ideen staunen, sowie zusammen mit den Jüngeren über perfekt sitzenden Gags lachen oder sich einfach von dem gebotenen, fantasiereichen Spaß verzaubern lassen. «E.T. - Der Außerirdische» lässt ebenso grüßen wie leichtgängige, dennoch ereignisreiche Disney-Produktionen im Stile von «Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft» und Konsorten.

Die von Anfang bis Ende nahezu makellose Retro-Mixtur aus Abenteuer, Action, Humor und einem Hauch „Was wartet hinter der nächsten Kurve?“-Mystery dient aber einem höheren Ziel: Bird möchte die Zuschauer zu Denkern und Träumern erziehen, die wie Casey ticken. Die Karten dafür, dass der «Die Unglaublichen»-Regisser seine Mission mit Erfolg abschließt, stehen nicht schlecht. Allein schon das extrem unterhaltsame, in sich schlüssige Drehbuch würde dafür genügen. Hinzu kommt aber, dass die Hauptrolle mit Britt Robertson besetzt ist, eines der vielversprechendsten Newcomer-Talente der letzten Jahre und einer formidablen Identifikationsfigur. Die Mimin ist nicht nur dank ihrer gewinnenden Persönlichkeit eine der tragenden Säulen des Films, sondern auch dank ihrer wunderbaren Interaktion mit einem sichtbar engagierten George Clooney sowie der nicht minder bestechenden Raffey Cassidy. Letztere ist als geheimnisvolles junges Mädchen namens Athena zuständig für einige der besten Gags und spektakulärsten Momente von «A World Beyond» verantwortlich. Da lässt es sich leicht verkraften, dass Hugh Lauries Figur derweil etwas zu kurz kommt – ein cleverer Monolog rettet seine grimmig dreinguckende Rolle namens David Nix zwar davor, einen garvierenden Minuspunkt darzustellen, mehr hätte dennoch drin sein dürfen.

Audiovisuell gibt es derweil kaum etwas zu klagen – zwischen die insgesamt sehr überzeugenden Computereffekte mischen sich zwar gelegentlich schwache Greenscreen-Aufnahmen, Claudio Mirandas Kameraarbeit verzückt dafür mit satten, frohen Farben. Die harmonische, vergnügliche Filmmusik aus der Feder von Michael Giacchino letztendlich beweist einmal mehr, dass der «Lost»-Komponist zu den einfallsreichsten Mitgliedern seiner Zunft gehört.

Fazit: «A World Beyond» ist großes, unterhaltsames Kino für die ganze Familie, voll mit geschickt eingesetzten Disney- und Sci-Fi-Referenzen, erstaunlichen Einfällen und fast makelloser Bild- und Klangästhetik. Ein Retro-Trip in ein besseres Morgen!

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