Filmfacts «Everest»
- Regie: Baltasar Kormákur
- Produktion: Tim Bevan, Eric Fellner, Baltasar Kormákur, Nicky Kentish Barnes, Tyler Thompson, Brian Oliver
- Drehbuch: William Nicholson, Simon Beaufoy
- Darsteller: Jason Clarke, Josh Brolin, John Hawkes, Robin Wright, Emily Watson, Keira Knightley, Sam Worthington, Jake Gyllenhaal
- Musik: Dario Marianelli
- Kamera: Salvatore Totino
- Schnitt: Mick Audsley
- Laufzeit: 121 Minuten
- FSK: ab 12 Jahren
Wenige Minuten ohne Schnee- respektive Sonnenbrille können zu Schneeblindheit führen. Das Atmen ohne künstlichen Sauerstoff ist nur sehr kurzfristig möglich, jeder einzelne Schritt ist ungeheuerlich schwer und bei einem zu langen Aufenthalt droht der Höhenkoller. Von der eisigen Kälte ganz zu schweigen! Aber für den einmaligen Ausblick, die Sehnsucht nach einem unbeschreiblichen Freiheitsgefühl oder schlicht für den Nervenkitzel machen sich dennoch immer wieder Menschen auf den beschwerlichen Weg. Und wieder andere machen es für Geld. Darunter der versierte Bergsteiger Rob Hall (Jason Clarke), seines Zeichens Kopf des kommerziellen Betriebes 'Adventure Consultants', eine der führenden Firmen während der Blütezeit in Sachen Everest-Tourismus. Für eine satte vierstellige Summe verspricht Hall jedem Hobby-Abenteurer eine sichere Besteigung des Mount Everest. In seinem nunmehr fünften Jahr nimmt er unter anderem den geschiedenen Postboten Doug Hansen (John Hawkes), den texanischen Pathologen Beck Weathers (Josh Brolin), die japanische Kletterversessene Yasuko Namba (Naoko Mori) und den Reisejournalisten Jon Krakauer (Michael Kelly) unter seine Fittiche.
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Generell funktioniert die neue Regiearbeit von Baltasar Kormákur («2 Guns») am besten, wenn sie sich voll auf den Überlebenskampf der Bergsteigergruppe konzentriert, der sie in der zweiten Filmhälfte erwartet. Der Kampf Mensch gegen Natur und Wille gegen Können wird von Kormákur ohne Voyeurismus, aber eindringlich in Szene gesetzt. Hier macht sich seine Erfahrung durch das ebenfalls wahre, frostige Drama «The Deep» bezahlt, in dem er schon einmal eisige Landschaftsaufnahmen und bibberndes Schauspiel kraftvoll vermengte. Bedauerlich ist indes, dass sich «Everest» nicht stärker auf das fröstelnde Leid seiner zentralen Akteure verlässt. Denn so überzeugend vor allem Brolin, Clarke und Gyllenhaal als Scott Fischer, der Rock 'n' Roller der Berge, gegen die Widrigkeiten des Everest ankämpfen, so mau ist zwischenzeitlich das Dialogbuch.
Insbesondere die erste Hälfte zieht sich daher: Die zahlreichen Kennenlernszenen, in denen die Figuren grob umrissen werden, führen das Personal aufgrund der flachen Wortwechsel bloß als ein- bis zweidimensionale Abziehfiguren ein. Zudem verlieren sich sämtliche potentiell kritische Untertöne am Everest-Massentourismus in den fahlen Gesprächssequenzen, womit die dramatische Komponente an Gehalt verliert. Bevor es auf dem Achttausender wirklich brenzlig wirkt, überzeugt daher «House of Cards»-Nebendarsteller Michael Kelly am meisten: Seine Figur des Journalisten Jon Krakauer ist in den frühen Momenten die facettenreichste und hält somit den schwachen Einstieg des Films zusammen. Fans von Keira Knightley und Robin Wright sollten indes nicht zu viel von «Everest» erwarten, denn als besorgte Ehefrauen haben sie in diesem Abenteuer recht wenig zu tun.
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Fazit: Die Dialoge in «Everest» sind teilweise so flach, wie der titelgebende Berg hoch ist. Daher enttäuscht die dramatische, menschliche Komponente dieses 3D-Films enorm. Wann immer sich «Everest» darauf beschränkt, ein nervenaufreibender Abenteuer-Thriller mit namhafter Besetzung und atemberaubenden Bildern zu sein, funktioniert er aber sehr gut.
«Everest» ist ab sofort in vielen deutschen Kinos zu sehen – in 3D sowie 2D.