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Günther Jauch: Vom gefeierten Showmaster zum gescheiterten Talkmaster?

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Mit dem Jahr 2015 endet auch die Ära Günther Jauch bei der ARD. Ist die Beendigung seines gleichnamigen Polittalks eine richtige Entscheidung oder wird seine zurückhaltende Art der Gesprächsführung fehlen?

Nach vier Jahren mit eigener Talkshow wird Günther Jauch Ende 2015 seine Karriere als Talkmaster bei der ARD beenden. Vier Jahre, in denen der mittlerweile 59-jährige Münsteraner immer wieder für seine Zurückhaltung kritisiert wurde. Dabei ist es schon merkwürdig, dass ein Showmensch mit jahrzehntelanger Erfahrung und bis dahin makellosem Image so abschätzig bewertet wurde. Immerhin soll der Moderator in seinem Format «Günther Jauch» ja vorzugsweise seinen Gästen das Reden überlassen.

Es ist gerade einmal drei Wochen her, als die Diskussion um Jauchs Moderationsfähigkeiten durch den skurrilen Auftritt von AfD-„Politiker“ Björn Höcke neuen Zündstoff bekam. Vor einem Millionenpublikum versuchte der Mann, der zu Beginn der Sendung eine Deutschlandfahne zwecks „Symbolismus“ über seiner Armlehne ausbreitete, rechte Parolen zu verteidigen. Einhalt wurde ihm dabei vorzugsweise von den anderen Gästen geboten. Darunter Justizminister Heiko Maas, die öffentlich-rechtliche Journalistin Anja Reschke sowie Saarlands Innenminister Klaus Bouillon. Große Online-Magazine titelten am Folgetag „Hilfe, war das eine schlechte Moderation“ (Spiegel Online), fragten schon Monate zuvor bei einem ähnlichen Thema, warum man als Gast „AfD-Mann Lucke“ einlade (Focus) oder beantwortete die Frage, weshalb Björn Höcke mit seinem Auftritt „sein Ziel erreicht“ habe (Süddeutsche). Dabei wird nicht etwa bloß die Frage gestellt, ob die Einladung rechtsgesinnter Politiker in Talkshows überhaupt toleriert werden sollte. Immer wieder steht auch Günther Jauch selbst im Kreuzfeuer, wenn es darum geht, Antworten darauf zu finden, weshalb Gespräche mit derartigen „Politikern“ im öffentlich-rechtlichen Fernsehen überhaupt möglich sind, geschweige denn aus dem Ruder laufen können (Stichwort: Deutschlandflagge).

Um die Frage, wie mit rechtsgesinnten Politikern in deutschen Talkshows verfahren werden soll, soll es an dieser Stelle allerdings gar nicht gehen. Stattdessen steht eine ganz andere Frage im Raum: Ist Günther Jauch als Talkshowmoderator gescheitert, weil er sich nicht aktiv gegen die Parolen seiner kontroversen Gäste zur Wehr setzt? Ist er überhaupt gescheitert? Oder ist er es gerade deshalb nicht, weil er seinen Moderationsposten derart verinnerlicht hat, dass er weiß, dass er nicht aktiv in das Diskussionsgeschehen eingreifen darf? Diese Frage zu beantworten, geschweige denn, sie mit einer klaren Stellungnahme zu beenden, ist schier unmöglich. Schon deshalb, weil kein TV-Genre derart von den subjektiven Sehempfindungen des Publikums abhängig ist, wie es auf Polittalks gerade zu diesen angespannten Zeiten zutrifft. Dies ist notwendig, um die Grundlage einer möglichst abwechslungsreichen, ja, bisweilen sogar hitzigen Diskussion zu bilden. Sich hier als Moderator einzumischen, wäre falsch, schließlich ist sein Posten jener des Betrachters und Organisators, aber keiner, welcher Einfluss auf den Gesprächsverlauf hat. Stattdessen ist Günther Jauch darauf aus, ab einer gewissen Diskussionsdynamik die Lenkung des Geschehens in die Hände seiner Gäste zu begeben. Er verknüpft die Aussagen jener und weist auf Bezüge hin. Damit macht es sich der Moderator nicht leicht – im Gegenteil. Dass er seine Autorität dabei zurückstellt, wird gar von vielen Zuschauern als Schwäche angesehen. Dabei unterscheidet sich sein Führungsstil in seiner subversiven Art lediglich eklatant von den sich einmischenden Attitüden seiner Konkurrenz.

Beide Arten der Gesprächsführung haben ihre Daseinsberechtigung. Dabei sind einige Punkte von besonderer Wichtigkeit. Günther Jauch ist als Moderator nie desinteressiert und bekommt jedwede Argumente innerhalb der Diskussionen genau mit. Gerät ein Gespräch ins Stocken, ist er in der Lage, aus seiner Zurückhaltung auszubrechen und mithilfe von wesentlich früher erwähnten Argumenten einen neuen Gesprächsfaden aufzunehmen. Er lässt sich nicht ansteckten von den teilweise äußerst hysterischen Meinungmachern. Er weiß die mitunter schwer mit seinen eigenen Ansichten vertretbaren Äußerungen ordentlich einzuschätzen und gibt insbesondere rechtstendenziösen Politikern nicht die Möglichkeit, der eigenen Propaganda zu frönen. Das Beispiel mit Björn Höcke lässt sich bei näherer Betrachtung nämlich vor allem in eine für ihn und die AfD kontraproduktive Richtung drehen. Die Reaktionen in den sozialen Netzwerken beweisen, dass gerade das Zulassen derartig lächerlicher Aktionen dafür sorgt, dass sich die AfD selbst demontiert. Hätte Günther Jauch diesen Moment vorzeitig abgebrochen, hätte das Gespräch eine völlig andere Wendung genommen, die möglicherweise nie derart entlarvende Züge angenommen hätte, wie sie es schlussendlich tat.

Dies lässt sogleich einen weiteren Punkt zutage treten, mit welchem sich Günther Jauch eben doch als exzellenter Talkshowmoderator bewiesen hat: Einschätzungsvermögen. Jauch ist in der Lage, Diskussionsrichtungen vorab zu erkennen. Driftet etwas zu sehr in eine radikale Richtung ab, oder droht – auch abseits aktueller AfD- und Pegida-Diskussionen – in eine Sackgasse zu laufen, so ist «Günther Jauch» die Sendung, in welcher ein weitestgehend ausgeglichener Redeanteil herrscht. Dies gilt natürlich nicht für sämtliche Sendungen. Besonders wortkarge Diskutanten kann auch ein Günther Jauch nur schwer aus der Reserve locken. Aber er schafft sowohl ein gerechtes Gespräch, als auch eine insgesamt ruhige Atmosphäre. Auch das muss man als Zuschauer mögen. Diese „lassen wir es laufen“-Mentalität eckt gerade bei jenen Zuschauern an, die darin eine gewisse Form der Bequemlichkeit sehen. Doch das ist sie nicht. Denn stille Wasser sind bekanntlich tief.

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