Kurzreview zu «Star Wars: Das Erwachen der Macht»
Neue Helden, neue Fieslinge mit altbekannten Methoden, und einige heroische Veteranen erfüllen die Leinwand: Unter der präzisen Regie von J. J. Abrams erzählt «Star Wars: Das Erwachen der Macht» eine spannende, wennschon klar auf die Original-Trilogie schielende, Geschichte über den ewigen Zwist zwischen Gut und Böse. Von Kameramann Dan Mindel in mächtigen Bildern eingefangen und von Mary Jo Markey sowie Maryann Brandon einfallsreich geschnitten, ist dieses Weltallepos ein großes Popcorn-Vergnügen mit fesselnden Action-Passagen und einem unvergesslichen Ensemble. So geht Blockbuster-Entertainment!Vollkommen unerwartet kommt diese Einstellung keineswegs: Entscheidend ist im Kino viel mehr die Frage nach der Qualität als die nach dem nüchternen Inhalt. Denn fast jede Geschichte kann dank gelungener Umsetzung fesseln oder aufgrund missratener Verwirklichung enttäuschen. Gerade die «Star Wars»-Reihe ist ein Paradebeispiel dafür. «Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung» erzählt etwa davon, wie eine ganze Galaxis in einen Krieg gestürzt wird. Und trotzdem wird er von Fans ohne Unterlass gescholten, während der erste «Krieg der Sterne» auf dem Papier so wirr klang, dass nahezu alle Beteiligten an eine filmische Katastrophe geglaubt haben. Und letztlich wurde daraus ein unvergesslicher Klassiker …
Eine neue Hoffnung
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Wenn der findige Wildfang Rey (Newcomerin Daisy Ridley) unbeeindruckt durch Wüstenlandschaften wandert, in denen monumentale Kriegsmaschinen verrotten, sagt dies deutlich eleganter aus, wie viel Zeit in der «Star Wars»-Welt vergangen ist, als es jeder Dialogwechsel vermögen würde. Auch wird auf jene übertrieben deskriptiven Dialogzeilen verzichtet, mit denen George Lucas die Prequels partiell zur Lachnummer gemacht hat. Wenn sich Rey nach neuen Horizonten sehnt oder ihre zufällig über den Weg gestolperter Gefährte Finn («Attack the Block»-Mime John Boyega) einsieht, dass er seinen bisherigen Lebensweg nicht weiter verfolgen kann, dann sind es allein die Mimik der Darsteller und die von Abrams gewählte Farbästhetik, die Aussagen treffen – sowie John Williams‘ klassisch gehaltener Score.
Sehr originär sind obendrein viele der Effekte und Sets geraten: «Das Erwachen der Macht» schlägt durchaus Nutzen aus den Fortschritten in Sachen Digitaltrick, beispielsweise durch vereinzelte Alienrassen, die dank Computeranimation mit äußerst expressiver Mimik aufwarten. Oder dadurch, dass sich größere Raumschiffflotten endlich perfekt in die Landschaften und Sternenpanoramen fügen. Diese und andere aus dem Computer stammenden Tricks dienen hier aber allein als nahtlose Ergänzung der zahlreichen praktischen Bauten. Sei es ein in der Wüste stehender, verlebter Alien-Basar, der Anblick diverser herrlich grotesker Wesen oder eine Vielzahl an geräumigen, detailverliebten Raumschiff-Inneneinrichtungen: In Kombination mit Abrams' Inszenierungsstil, der weitaus weniger hektisch als in seiner vorherigen Regiearbeit «Star Trek Into Darkness», und dennoch sehr dynamisch ausfällt, ist das Design von «Das Erwachen der Macht» das perfekte Gewand für eine Weltall-Mär, die vom erzählerischen Tonfall wieder am Erstling anknüpft: Aufregende Action, dramatische Charaktermomente, große, schwelgerische Abenteuerlust und viel Humor!
- © Lucasfilm
Die dunkle Seite der Macht hat neue Kraft getankt. Nun führt Kylo Ren (Adam Driver) seine Leute im Kampf gegen die Jedi und Rebellen an.
Das Imperium schlägt zurück
Der erste «Star Wars»-Film ist tonal zwar der siebten Episode am ähnlichsten, ein Hauch des häufig gefeierten zweiten respektive fünften Teils, «Das Imperium schlägt zurück», weht jedoch ebenfalls durch die Story: Obwohl der ausdrucksstarke, knuffige Droid BB-8 und diverse launige, losgelöste Momente zwischen neuen wie alten Figuren für viele herzliche Lacher sorgen, wirkt die Bedrohung durch die First Order naher und dringlicher als im verspielten Ursprungsfilm.
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Hilfreich ist außerdem, dass auf das Pathos verzichtet wird, mit dem George Lucas seine Prequel-Siths zeichnete, und dafür ein effizienter Kompromiss aus überhöht-launiger Abenteuerfilm-Bedrohlichkeit und charakterbasierter Motivation eingegangen wird – nicht ungleich «Das Imperium schlägt zurück». Wie auch in diesem Genreklassiker sind die Actionsequenzen in «Das Erwachen der Macht» zwar turbulent und aufwändig, aber nicht chaotisch-vollgestopft, und wechseln je nach inhaltlichem Kontext zwischen einem Entdeckerlust weckenden, erfreulichen Tonfall und Weltraumoper-Suspense. Das unterstreichen auch die Schnitt- und Kameraarbeit erfolgreich: Abrams lässt, gerade in Flugsequenzen, wiederholt die Kamera aufregend durch die Luft wirbeln, Zwei-Personen-Kämpfe wiederum sind zumeist ruhiger inszeniert, um sie stärker zu erden und als charakterbezogene Konfliktsituationen zu markieren.
Die Rückkehr der Jedi-Ritter
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Aber auch die «Star Wars»-Veteranen bekommen im Verlauf des mit pfiffigen Szenenübergängen punktenden Film ihre Augenblicke im Scheinwerferlicht. Während Carrie Fisher mit dunkler Raucherstimme ihren wenigen Dialogen Gewicht verleiht, ist Harrison Ford der Überflieger unter den Rückkehrern. Dass Ford verwegenen Haudegen Gravitas verleihen kann, ist längst kein Geheimnis mehr, aber die lebende Legende erstaunt in «Das Erwachen der Macht» mit einer Spielfreude, die er seit Jahrzehnten nicht mehr auf der Leinwand zu Tage hat kommen lassen.
- © Lucasfilm
"Chewie wir sind zuhause." In «Das Erwachen der Macht» begegnen die Zuschauer wieder ihren alten Bekannten Han Solo (Harrison Ford) und Chewbacca (Peter Mayhew).
Die dunkle Bedrohung
Wo die helle Seite der Macht wirkt, ist die dunkle Seite nicht fern. Allerdings sind die schauerlichen Elemente, welche die Hoffnungen der «Star Wars»-Liebhaber auf eine rosige Zukunft trüben, denkbar gering: So flüssig das Drehbuch strukturiert sein mag, knubbeln sich nach dem Eintreffen der Veteranen kurz einige leicht bemüht wirkende, nachgeschobene Erklärungen, was aufgrund des engagierten Spiels der Beteiligten aber nicht zu schwer wiegt. Und, um auf sehr hohem Niveau zu meckern: Die Reprisen und Neuarrangements bekannter «Star Wars»-Themen sind so grandios, dass die stimmungsvollen neuen musikalischen Motive nicht sofort ins Ohr gehen, sondern von den Klassikern überschattet werden. «Episode I» kann mit vielen Vorwürfen bedacht werden, diverse neue Stücke aus dem Ur-Prequel sind jedoch regelrechte Ohrwürmer. Ansonsten gibt es nur noch das willkommene, wenngleich mitunter sehr bewusst eingesetzte Element der Familiarität …
Angriff der Klonkrieger
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Überhaupt wiederholen sich einige Konstellationen – ein neu auftauchendes, altes, weises, Gnomwesen wird sich in Fangesprächen wohl ebenso als „neuer Yoda“ deklarieren lassen müssen, wie die Frage gestattet ist: Wie viel soll einer bestimmten, kleinen Figurentruppe aus einem so umfangreichen Universum denn noch widerfahren? Diese (weltall-)seifenopernartigen Zufälle sind erfreulicherweise durch die Mythologie des Franchises gerechtfertigt, und somit in «Episode VII» noch genehm. Da Disney in Zukunft aber noch Dutzende von «Star Wars»-Projekten plant, darf der Wunsch geäußert werden, dass über kurz oder lang auch ganz neue Personengruppen und Geschehnisse in den Fokus gerückt werden. Dann verschwindet vielleicht auch die Versuchung, alte Fanlieblinge mit aller Macht in den Film zu hebeln – «Das Erwachen der Macht» schlägt sich dahingehend zwar um Längen besser als die Prequels, die Auftritte von R2D2 oder C-3PO sind vor strengen Blicken übertrieben kritischer Zuschauer dennoch nicht gefeit. Fans dieser schillernden Rollen werden diese Wiedersehen hingegen herzlich willkommen heißen.
Die Rache der Sith
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Fazit: Die Macht ist stark, sehr stark mit der siebten «Star Wars»-Episode: Disney, Lucasfilm und J. J. Abrams ergänzen den Blockbuster-Olymp um ein galaktisches Spektakel, das Fans und Neulinge gleichermaßen anspricht – mit viel Witz, großartiger Optik, denkwürdigen Figuren und fescher Action.
«Star Wars: Das Erwachen der Macht» ist ab dem 17. Dezember 2015 in vielen deutschen Kinos zu sehen – in 2D und 3D!