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Wir Menschen tendieren dazu, wann immer wir einen Affen sehen, zu sagen: „Das Tier ist mir am ähnlichsten, also ist das am intelligentesten!“ Wir wollten aber eine Welt erschaffen, wo es keine solchen Abstufungen an Intelligenz unter den Tieren gibt, darum mussten die Affen aus «Zoomania» weichen
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«Zoomania»-Regisseur Byron Howard
Rich Moore: Wir mussten uns Grenzen setzen, und eine davon war: Weil es keine Menschen gibt, gibt es auch keine domestizierten Tiere. Also keine Hunde und Katzen, dafür aber Wölfe und Raubkatzen. Und weil sich die Story um die Beziehung zwischen Raubtier und Beutetier dreht, haben wir zudem beschlossen, alle Tiere zu ignorieren, die nicht ganz klar in eine dieser Kategorien eingeordnet werden können. Darum haben wir uns auf Säugetiere beschränkt, weil da die Kontraste größer sind als etwa bei Vögeln oder Fischen.
Byron Howard: Außerdem haben wir auf Affen verzichtet. Denn wir Menschen tendieren dazu, wann immer wir einen Affen sehen, zu sagen: „Das Tier ist mir am ähnlichsten, also ist das am intelligentesten!“ Wir wollten aber eine Welt erschaffen, wo es keine solchen Abstufungen an Intelligenz unter den Tieren gibt, darum mussten die Affen aus «Zoomania» weichen. Darüber hinaus haben wir Waschbären rausgenommen, weil sie zwar tendenziell Raubtiere sind, manchmal aber doch gejagt werden … Und dennoch sind wir auf 64 Tierarten gekommen!
Wie war die Zusammenarbeit mit dem Komponisten Michael Giacchino, der ja bereits sehr viel Musik für Ihre Kollegen von Pixar geschrieben hat?
Rich Moore: Michael hat einen richtig schelmischen Sinn für Humor. Als wir so weit waren, uns der Filmmusik zu widmen, haben wir bereits einen sehr langen, schlauchenden Produktionsprozesss durchlaufen. Und mit Michael zusammenzuarbeiten, der so freundlich ist und dessen Arbeit ich so sehr verehre, war für mich extrem aufregend! Als wir uns das erste Mal mit ihm getroffen haben, waren wir völlig erschöpft, so, als hätten wir gerade einen Marathon gelaufen. Aber es war so erfrischend, sich mit ihn zu treffen. Er hat uns zu sich nach Hause eingeladen, und er war so zuvorkommend und lustig. Er ist einer von uns, er ist ein totaler Geek! Er hat alle möglichen Sammelstücke zu «Planet der Affen» und «Star Wars», auch Sachen aus seiner Kindheit, weil seine Mutter alles aufgehoben hat. Durch sein Haus zu gehen, war, als wäre man wieder Kind und besucht staunend einen Freund, der viel mehr Spielzeug hat! Ich wurde so neidisch und dachte die ganze Zeit: „Das hatte ich auch mal. Dann hat meine Mutter es weggeworfen! Ich glaube, meine Mama hat mich nicht lieb!“ (lacht) Es hat mit Michael einfach gepasst: Als wir uns kennengelernt haben, war es auf Anhieb so, als wären wir seit Jahrzehnten Freunde. Und er geht so passioniert an die Arbeit, er kann richtig gute Witze machen …
Byron Howard: … er hat ein fantastisches Gespür fürs Geschichtenerzählen …
Rich Moore: … und er ist ein großartiger Teamplayer. Welches Bild auch immer Sie von ihm als Künstler haben: Er ist noch besser.
Clark Spencer: Das Besondere an Michael Giacchino, und das verehre ich sehr: Er nimmt ein Projekt nur an, wenn er eine Bindung zum Film verspürt. Als wir zu Tom MacDougall, dem Head of Music bei Disney, gegangen sind und ihm unseren Wunsch äußerten, Michael für «Zoomania» anzuheuern, hat er uns erklärt: „Michael arbeitet so: Er kommt her, und ihr erklärt ihm den Film. Er liebt Disney, er liebt John Lasseter, und gerade das kann bedeuten, dass er absagt. Das ist nichts gegen euch persönlich, aber das bedeutet, dass es in der Story oder bei den Figuren Elemente gibt, die dazu führen, dass er nicht über dazu passende Musik nachdenken kann. Und das bedeutet, dass er absagt.“ Entsprechend nervös sind wir ins Meeting gegangen, aber auch mit diesem Silberstreifen an Hoffnung am Horizont …
Rich Moore: „Bitte, bitte, mag mich!“
Clark Spencer: Und es hat auf Anhieb gefunkt! Er hat daraufhin eine 8-minütige Suite geschrieben, ohne dazugehöriges Bildmaterial. Sie sollte nur ausdrücken, wie er sich nach dem Pitch fühlt: „Wenn ich an Judy denke, fühle ich folgendes, wenn ich an Nick denke, spüre ich dieses, und wenn ich an beide zusammen denke, kommt das hier bei raus …“ Als er das vorgespielt hat, wurden wir schon emotional, und dachten, dass es eine richtig tolle Zusammenarbeit wird. Aber dann ist Michael noch einen Schritt weitergegangen. Er ging zu Bernie Dresel, einem großartigen Drummer, der in mehreren Filmen schon das Schlagzeug eingespielt hat, und meinte zu ihm: „Ich weiß zwar nicht, wie du das machst, aber es muss sich tierisch anhören. Wann immer du das Schlagzeug spielst, will ich an Tiere denken!“ Michael hat nur das zu ihm gesagt und gemeint, dass er ihm vertrauen würde. Das nächste Mal haben sie sich im Tonstudio getroffen, und Bernie hat jede Trommel mit einem Tiersymbol versehen. Außerdem hat er das Schlagzeug umgebaut: Die Kick Drum war ein großer, metallener Waschzuber, und er hat neben sich ein Ölfass aufgebaut, das mit einer bestimmten Menge Öl gefüllt war, um ein besonderes Geräusch zu erzeugen. Alle Schlagzeug-Elemente im Film wurden mit diesem Gerät gespielt. Es ist brillant und andersartig, und das haben wir Michael zu verdanken, weil er Bernie sein volles Vertrauen geschenkt hat.
Rich Moore: Ja, Michael ist ein Genie. Und er hat auch seine Hausaufgaben gemacht: Irgendwann meinte er, er habe Pete Docter und Brad Bird über uns ausgefragt, ob wir denn cool seien und Ahnung hätten. (lacht) Michael arbeitet nur mit Leuten, die er schon kennt, oder für die Leute, die er mag, bürgen. Daher war es eine umso größere Ehre, dass er uns akzeptiert hat.
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Mir wurde gesagt, dass es tatsächlich einen Zeitpunkt gab, kurz nachdem Disney Pixar gekauft hat, an dem jemand auf Konzernseite den Vorschlag gebracht hat: „Disney macht ab sofort nur noch Musical-Märchenfilme und Pixar macht zeitgemäße Geschichten, die aus dem Rahmen fallen!“ [...] Es will mir gar nicht in den Kopf, dass jemand das ernsthaft durchsetzen wollte. Wie schlimm wäre das? „So, Leute, ihr macht jetzt noch einen Märchenfilm! Ihr braucht eine Prinzessin! Und ihr, Leute, ihr macht einen Film, in dem vermeintlich leblose Gegenstände ein geheimes Leben führen, sobald keiner mehr im Raum ist!“ Das wäre eine grausame Welt …
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«Zoomania»-Regisseur Rich Moore
Byron Howard: Ich finde es großartig, dass wir nun in einem Arbeitsklima tätig sind, in dem Vielfalt gefördert wird. Und obwohl es Unterschiede in der Studioidentität gibt, allein schon aufgrund der Leute, die für das jeweilige Studio arbeiten, trifft das auf Disney und Pixar gleichermaßen zu. Ich begrüße das sehr, weil es bedeutet, dass Disney nicht weiter unter der Erwartung agieren muss, Filme zu produzieren, die genau in eine Formel passen. Disney kann jetzt Filme wie «Ralph reicht’s», «Baymax – Riesiges Robowabohu» oder «Rapunzel – Neu verföhnt» machen, die allesamt unterschiedlich sind. In meinen Augen hält uns das am Leben, denn wir arbeiten ja sehr lange an einem einzelnen Film. Und wenn wir immer und immer und immer wieder denselben Typ Film machen würden, hätten wir keinen Spaß mehr dran, und das würde sich auf das Publikum übertragen. Der Umstand, dass wir eine satirische Polizistenkomödie ohne Musicaleinlagen machen können, und dann drehen wir uns um, und es wird an einem klassischen, magischen Trickfilmmusical gearbeitet, spricht für ein gesundes Studio. Wenn Sie sagen, dass unsere Filme mit denen von Pixar verwechselt werden, sehe ich das als Kompliment an, immerhin hat das Publikum Pixar lange Zeit wie ein Gütesiegel aufgefasst!
Rich Moore: Clark, Byron, korrigiert mich, wenn ich falsch liege. Denn das war vor meiner Zeit. Aber mir wurde gesagt, dass es tatsächlich einen Zeitpunkt gab, kurz nachdem Disney Pixar gekauft hat, an dem jemand auf Konzernseite den Vorschlag gebracht hat: „Disney macht ab sofort nur noch Musical-Märchenfilme und Pixar macht zeitgemäße Geschichten, die aus dem Rahmen fallen!“ Es ist großartig, dass diese Idee sehr schnell in sich zusammengebrochen ist. Es will mir gar nicht in den Kopf, dass jemand das ernsthaft durchsetzen wollte. Wie schlimm wäre das? „So, Leute, ihr macht jetzt noch einen Märchenfilm! Ihr braucht eine Prinzessin! Und ihr, Leute, ihr macht einen Film, in dem vermeintlich leblose Gegenstände ein geheimes Leben führen, sobald keiner mehr im Raum ist!“ Das wäre eine grausame Welt …
Clark Spender: John Lasseter sagt immer, dass das Entscheidende ist, dass die Regisseure mit Feuer und Flamme an einer Idee arbeiten. Denn wenn die Regisseure im Laufe der vielen Jahre Produktionszeit die Begeisterung für eine Idee verlieren, wird der Film nicht gut. Eine Story wird nur dann großartig, und Figuren werden nur dann großartig, wenn alle Beteiligten vier Jahre lang voll dahinterstehen. Und darum fragt John unsere Regisseure immer, was sie unbedingt machen wollen. Er sagt, seine Aufgabe es bloß sei, ihnen dabei zu helfen, diese Idee bestmöglich umzusetzen.
Vielen herzlichen Dank für das spannende Gespräch.
«Zoomania» ist ab Donnerstag, dem 3. März 2016, in vielen deutschen Kinos zu sehen – in 2D und 3D.
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