Die Kino-Kritiker

«Zoomania»

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Ganz schön ausgefuchst: Disney bringt mit «Zoomania» eine tierische Buddy-Cop-Komödie in die Kinos, die vor Ideenreichtum und Gags fast schon platzt.

Filmfacts «Zoomania»

  • Regie: Byron Howard, Rich Moore
  • Produktion: Clark Spencer
  • Drehbuch: Jared Bush, Phil Johnston
  • Story: Byron Howard, Rich Moore, Jared Bush
  • Synchronsprecher: Josefine Preuß, Florian Halm, Frederick Lau, Rüdiger Hoffmann, Daniel Zillmann und viele mehr
  • Musik: Michael Giacchino
  • Laufzeit: 108 Minuten
  • FSK: ab 0 Jahren
Die Walt Disney Animation Studios durchlaufen derzeit eine Phase der Vielseitigkeit: Nach dem immens erfolgreichen Märchenmusical «Die Eiskönigin – Völlig unverfroren» startete mit «Baymax – Riesiges Robowabohu» der erste Superheldenfilm des Traditionsstudios in den Kinos. Die Adaption einer wenig bekannten Marvel-Comicreihe wurde von positiven Kritiken begrüßt und generierte ein stattliches Einspielergebnis. Als nächstes entführt das Disney-Trickstudio in eine Welt ohne Menschen: «Zoomania» ist nur von anthropomorphen Tieren bevölkert. Und mit eben diesen sprechenden, auf zwei Beinen laufenden Tieren erzählt Disney eine Geschichte über Gerechtigkeit und den steten Kampf gegen Vorverurteilung.

Jahrhunderte, nachdem Säugetiere die Wildnis verlassen und eine zivilisierte Gesellschaft gegründet haben, hallen noch immer Vorurteile durch die Gedanken jedes Einzelnen: Zwar bekommen Kinder beigebracht, dass jeder alles erreichen kann, letzten Endes glauben Erwachsene aber nicht daran. Wie etwa die Eltern der Häsin Judy Hopps (Originalstimme: Ginnifer Goodwin / deutsche Synchro: Josefine Preuß). Judy träumt davon, als erste ihrer Art in der Großstadt Zoomania Polizistin zu werden. Ihre Eltern hingegen bekommen bei diesem Gedanken das Grauen. Judy verbeißt sich trotzdem in ihren großen Berufswunsch. Und tatsächlich gelingt es ihr, die Polizeiprüfung zu bestehen und nach Zoomania zu gehen. Dort werden Judy prompt neue Steine in den Weg gelegt: Ihr Vorgesetzter lässt sie bloß Politesse spielen – dabei gibt es aktuell zahlreiche Vermisstenfälle zu lösen! Die verbissene Judy steigert sich in diesen Job hinein, während sie ungeduldig auf eine Gelegenheit wartet, ihr wahres Können zu beweisen.

Als die optimistische Häsin doch einen Vermisstenfall übernehmen darf, bekommt sie prompt ein knallhartes Ultimatum gestellt, weshalb ihr nur eine Option bleibt: Sie muss sich Tipps beim gerissenen Fuchs Nick Wilde (Jason Bateman / Florian Halm) holen. Doch Zivilisation hin, Zivilisation her: Fuchs und Hase sind sich auch in Zoomania nicht grün …

Die von «Ralph reicht’s»-Regisseur Rich Moore und «Rapunzel – Neu verföhnt»-Macher Byron Howard inszenierte Produktion ist zu einem Teil eine kesse Komödie mit Cartoon-Tieren, zu einem Teil ein flauschiger Buddy-Cop-Movie und zu einem Teil ein überraschend politischer Unterhaltungsfilm. Allen Aspekten, aus denen sich «Zoomania» zusammensetzt, ist der hohe Comedy-Faktor gemein: Disney-Animationsfilme sind zwar nahezu ausnahmslos humorvoll, doch dieser setzt auf ein sattes Gagfeuerwerk, wie man es von Disney nur selten zu sehen bekommt. Ganz gleich, ob die Filmemacher Pointen daraus gewinnen, dass sie ein tierisches Spiegelbild unserer Welt schaffen, oder sie auf Klischees des Polizeifilms anspielen: Die Gagdichte ist immens hoch, und aufgrund des großen Findungsreichtums fällt auch die Trefferquote äußerst zufriedenstellend aus. Von Disney-Eigenparodien hin zur Faultier-Zulassungsbehörde: Für nahezu jede humoristische Neigung wird etwas geboten.

Bei aller Spaßigkeit geht «Zoomania» zwischen den Zeilen allerdings unerwartet stark darauf ein, was in unserer Welt so alles schiefgeht – und was sich wohl selbst in einem Paralleluniversum voller Tiere nicht ändern lässt: Die Disney-Künstler erschaffen mit diesem Trickspaß eine große Analogie zum Thema Rassismus und Schubladendenken. In «Zoomania» denken Beutetiere, wie etwa Hasen und Schafe, dass Raubtiere von Natur aus gefährlich sind. Füchse halten Hasen für dumm, Elefanten haben natürlich allesamt ein gutes Gedächtnis. Selbstredend wurde ein Löwe zum Bürgermeister gewählt (der das ihm untergeordnete Schaf andauernd herumkommandiert), Otter gelten als süß und unschuldig, Wieseln dagegen sollte man nicht über den Weg trauen. Mit diesen Vorurteilen gehen die Bewohner des Schmelztiegels namens Zoomania unterschiedlich um: Während Judy unentwegt dagegen anzukämpfen versucht und blauäugig predigt, dass jeder alles sein kann, sonnt sich Nick darin, alles zu erfüllen, was die Gesellschaft über Füchse denkt. Doch hinter dieser Fassade wünscht sich Nick ein freieres Denken, wohingegen die sich selbst als aufgeklärt umjubeln lassende Judy sehr wohl versteckte Vorurteile hat ...

Die Botschaften von «Zoomania» sind allesamt verständlich und familientauglich verpackt, darüber hinaus vermeidet es das Autoren-Team, reale politische Probleme 1:1 auf seine Tierwelt zu übertragen. Es ist unmöglich, «Zoomania»-Gruppen exakt als bestimmte demografische Gruppen unserer Realität zu entschlüsseln, stattdessen setzen sich Vorurteile, Benimmregeln und Tabus in dem Disney-Tieruniversum aus diversen echten Vorbildern zusammen: Mal beschweren sich Hasen über das Vokabular, das man ihnen gegenüber anbringt, dann wird es tabuisiert, das flauschige, krause Haupthaar von Schafen anzufassen. Durch dieses „Mix & Match“-Verfahren vergrößern die Filmschaffenden das Identifikationspotential mehrerer Figurengruppen und drosseln zugleich das Potential für Kontroversen, da sich die Ärgernisse aus der Filmrealität nur partiell in die Wirklichkeit übertragen lassen.

Darüber hinaus sorgt die visuelle Gestaltung von «Zoomania» dafür, dass die teils sehr spitzen politischen Seitenhiebe in eine vergnügliche Verpackung gebettet werden: Nachdem schon «Baymax» damit punktete, dass die Disney-Künstler mit der Großstadt San Fransokyo einen faszinierenden Schauplatz erschaffen haben, zeigt nun auch «Zoomania» den schöpferischen Ideenreichtum der Disney-Trickstudios in Sachen filmischer Großstädte. Da diese Komödie, im Gegensatz zu fast allen anderen Trickfilmen über vermenschlichte Tiere, die realen Größenverhältnisse zwischen den jeweiligen Tierarten achtet, ist die Stadt Zoomania auf eine Vielzahl von kleinen Einfällen angewiesen, um zu funktionieren. So haben Züge mehrere Türen, um Nagern und Hünen ein gleichermaßen sicheres Ein- und Aussteigen zu ermöglichen. Und Verkaufsstände in Bahnhöfen verfügen über Rohrpost-Gadgets, damit die Verkäufer die Produkte an größere Kunden losschlagen können. Der Film platzt geradezu vor solchen Details, welche den Schauplatz lebendig und faszinierend machen – und somit auch bei mehrfacher Filmsichtung dafür sorgen, dass noch immer liebevoll eingebaute Kleinigkeiten entdeckt werden können.

Diese Detailliebe ist auch in der Figurenanimation wiederzuentdecken: Das Fell sämtlicher Tiere ist einzigartig, es verhält sich im Wind und bei direkter Sonneneinwirkung jeweils anders und auch die mimischen und gestischen Ticks der Tierarten sind mannigfaltig. Vor allem das zentrale Duo erhält durch diese Feinheiten einprägsame Charakteristika, aber auch die illustre Riege an Nebenfiguren wird durch die Übertragung echter, tierischer Verhaltensweisen in diese Cartoonwelt sehr denkwürdig. Wohl jeder Kinogänger wird «Zoomania» mit einem persönlichen Favoriten verlassen, der sich durch diesen wilden Filmspaß tummelt.

Für die musikalische Untermalung dieses Geschehens haben Rich Moore und Byron Howard den Oscar-Preisträger Michael Giacchino verpflichtet. Der «Lost»-Komponist, der für die Musik mehrerer Pixar-Filme verantwortlich ist, verleiht der tierischen Komödie ein variationsreiches Klangbett voller kultureller Referenzen. Giacchinos «Zoomania»-Score verbindet Anklänge an Cop-Serien und Actionfilm- und Kriminaldrama-Klassiker sowie zahlreiche, den ganzen Globus umspannende Einflüsse. Von dschungelhafter Percussion über indisch angehauchte, losgelöste Melodien bis hin zu italienischer musikalischer Folklore: «Zoomania» entführt auf eine musikalische Welt- und Zeitreise, der es allerdings an einem deutlich erkennbaren roten Faden mangelt. Deshalb bleibt dieser Score hinter Giacchinos einprägsam-schwungvollen «Die Unglaublichen»-Kompositionen oder seiner atmosphärischen «Ratatouille»-Arbeit zurück. Und handlungsbedingt ist sie auch nicht so herzzerreißend wie die ebenfalls von Giacchino erdachten Klänge aus «Alles steht Kopf» und «Oben». Ein Flop ist Giacchinos spaßige, energiereiche Begleitmusik dieser Disney-Trickproduktion aber keineswegs – sie ragt bei ihrer Vielzahl an Querverweisen bloß nicht so sehr als Gesamtwerk hervor wie die Pixar-Stücke des Komponisten.

In gewisser Weise passt der Score somit perfekt zum Film: «Zoomania» glänzt mit Einfallsreichtum und einer Fülle an Details, Referenzen und kleinen Gags. Und die Verquickung aus Disney-Cop-Komödie und cleverem Statement für eine friedvollere, vielseitigere Welt ist so gelungen, wie sie überrascht. Aber diese Menge an faszinierenden Kleinigkeiten überschattet teilweise die Figuren: Judy Hopps ist liebenswert, Nick Wilde ist cool und die zahlreichen Nebenfiguren amüsant, allerdings hallen die Aussage und der Witz des Films stärker nach als die soliden Charaktermomente.

Fazit: Tierisches Lachmuskeltraining für die ganze Familie: «Zoomania» ist mit seiner immensen Detailliebe und beeindruckendem Ideenreichtum ein extrem vergnüglicher Trickspaß, der seine löbliche politische Botschaft mit einem rasanten Gagfeuerwerk übermittelt. Die von Disney gewohnte Herzlichkeit wird bei diesem Comedy-Tumult allerdings etwas zurückgefahren.

«Zoomania» ist ab dem 3. März 2016 in vielen deutschen Kinos zu sehen. In 2D und 3D.

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