Aber Totgesagte leben länger. Das behauptet nicht nur der Volksmund, dieses Urteil passt obendrein zur Handlung dieses aufwändigen filmischen Rundumschlags, der quer durch das gesamte Western-Genre reitet. Sowie zur Rezeptionsgeschichte der Bruckheimer-Produktion! Die schleichende Neuevaluierung von «Lone Ranger» begann bereits während der Kinoauswertung dieses ungewöhnlichen Films: Außerhalb der USA fiel der Kritikerkonsens längst nicht so garstig aus wie im selbsternannten Land der Freiheit. Zugegeben: Um «Lone Ranger» in einen internationalen Hit und Kritikerliebling zu verwandeln, reichte diese erste Welle positiver Stimmen nicht. Doch «Lone Ranger» ist einer dieser Filme, die am Rande der popkulturellen Wahrnehmung stehen. Und langsam reifen.
Bereits ein Jahr nach Kinostart ruderte etwa der US-Filmblog ‚The Dissolve‘ zurück, der «Lone Ranger» ursprünglich in der Luft zerrissen hat. In einer mit etwas mehr Abstand zum Marketing und der Vorabberichterstattung verfassten Neukritik wurden plötzlich Vergleiche mit dem Kultklassiker «Big Trouble in Little China» angestellt. Dem Western sei ein ähnliches Schicksal garantiert: „«Lone Ranger» hat den Look eines Blockbusters und die Seele eines Kultfilms, und er scheint ebenso für eine rückblickende Ernennung zum Kulthit vorbestimmt zu sein, wie ihm die ursprüngliche Mainstream-Schelte sicher war.“
Und die Köpfe hinter ‚The Dissolve‘ sind längst nicht allein: Bei ‚Cinemablend‘ erhielt der unangepasste Western mit Johnny Depp und Armie Hammer zunächst eine negative Kritik. 2015 allerdings räumte die Crew hinter der Webseite ein: „Wenn man «Lone Ranger» erst einmal sacken lässt, stellt er sich als extrem unterhaltsamer und turbulenter Western heraus, der Spektakel und Action in Fülle bietet, und bei dem es sehr spannend ist, zu sehen, wie er sich entfaltet.“ Das Fazit der Mini-Kritik im Rahmen einer Hitliste der besten modernen Westernfilme lautet letztlich: „«Lone Ranger» ist ein unterschätztes Blockbuster-Juwel. Gebt ihm noch eine Chance!“
Und so zieht es sich durch das Web. Praktisch überall, wo Filminteressierte einen zweiten Blick auf «Lone Ranger» werfen, wird der Tonfall plötzlich viel freundlicher. Ich will mich ja nicht selber beweihräuchern, aber: Ich hab’s euch ja gesagt! Ich zählte 2013 zu der Minderheit jener Kritiker, die «Lone Ranger» gefeiert haben. Doch ich muss zugeben: Sogar ich entdecke noch immer neue Qualitäten in Gore Verbinskis Bombastwerk. Mit jeder Sichtung dieses Films, finde ich ihn immer besser: Von der ersten Einstellung an, die ein Kind auf einem Rummel zeigt, das seinen roten Ballon verliert und verzweifelt versucht, ihn wieder einzufangen, hat mich dieser Film. Verbinski kündigt in diesem Moment an, sowohl kritisch auf Amerika zu blicken, das vergeblich seine Unschuld wieder zu erlangen versucht, als auch jahrmarktsmäßigen Spaß und Abenteuer zu bieten. Und dieser Ankündigung wird «Lone Ranger» gerecht!
Kurzum: Egal, ob man es bevorzugt, Filme bis ins kleinste Detail zu analysieren, oder ob man sich einfach in eine andere Welt entführen und dort bespaßen lassen will – «Lone Ranger» hat es drauf. Wenn RTL am Ostersonntag die Free-TV-Premiere zeigt, solltet ihr Zweifler also einschalten.
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