Sonntagsfragen

Christian Rach: 'Die Testeritis wird den Zuschauern irgendwann zu viel'

von   |  1 Kommentar

Der Sternekoch erläutert im Quotenmeter.de-Interview, wieso er nicht mehr «Der Restauranttester» ist, wie er zum Spannungsfeld zwischen Kritikern und dem Publikum steht und wie er sich den geringen Erfolg seiner Formate über bessere Ernährung erklärt.

Bevor wir auf «Rach sucht: Deutschlands Lieblingsrestaurants» zu sprechen kommen, möchte ich kurz ein Kompliment für «Rach Undercover» aussprechen. Als jemand, der beruflich auch TV- und Kino-Kritiken verfasst, fand ich es sehr spannend, wie Sie darauf eingegangen sind, dass es auch sehr unfundierte, ungerechte Kritiken im Netz gibt. War es Ihnen ein wichtiges Anliegen, mit unfähigen Kritikern abzurechnen?
Ja, das war meine ureigene Idee. Es war nicht nur eine Reaktion darauf, was wir im Film- und Fernsehgeschäft zu lesen bekommen oder über gastronomische Betriebe, sondern darauf, was wir auf allen Ebenen erleben. Als Guido Westerwelle gestorben ist, war ich im Netz, und direkt das erste, was mir ins Auge sticht, ist wie irgend ein Arschloch, das muss ich so sagen, geschrieben hat: „Ja, wahrscheinlich war das wegen ‘ner Schwulenkrankheit!“ Der erste Kommentar! Das sind Auswüchse, die mit Nichts zu rechtfertigen sind. Nun muss ich mir eingestehen, dass auch ich nicht auf vielen Gebieten vernünftige Kritik leisten kann. Ich würde mir selber nicht zutrauen, eine Filmkritik zu schreiben, ich traue mir nur zu, mit Ihnen ganz frei über einen Film zu reden. Im Fachgebiet Essen hingegen traue ich mir das natürlich zu, und da machen mich die Kritiken im Netz zumeist wahnsinnig. Und die meisten Kommentatoren stellen sich natürlich keiner Widerrede.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Ein Restaurant hatte 22 Kritiken, davon waren 19 sehr gut bis ausgezeichnet. Zwei waren befriedigend, und eine war ungenügend. Mit der Begründung: „Das ist die Frechheit, da gibt es keinen Parkplatz!“ Also habe ich gefragt, wie denn das Essen war. „Ja, das kann ich nicht sagen, wir sind natürlich sofort wieder gefahren!“ Das stand aber nicht im Netz. Da stand nur die Sechs. Und solche Dinge brennen mir unter den Nägeln. Denn ich finde Kritik unglaublich wichtig! Ob Sie mich bei Quotenmeter kritisieren oder ob das jemand anderes auf anderem Wege macht, so etwas gehört einfach dazu. Wichtig ist aber, dass man einen Film oder eine Sendung aufmerksam geguckt hat, beziehungsweise, dass man irgendwo auch wirklich essen war oder etwas Fundiertes zu Themen wie dem Tod von Guido Westerwelle oder Roger Cicero beizutragen hat.

Ich finde Kritik unglaublich wichtig! Ob Sie mich bei Quotenmeter kritisieren oder ob das jemand anderes auf anderem Wege macht, so etwas gehört einfach dazu. Wichtig ist aber, dass man einen Film oder eine Sendung aufmerksam geguckt hat, beziehungsweise, dass man irgendwo auch wirklich essen war oder etwas Fundiertes zu Themen wie dem Tod von Guido Westerwelle oder Roger Cicero beizutragen hat.
Christian Rach
Ihre neue Sendung befindet sich sozusagen am anderen Ende derselben Linie: Nachdem letztes Mal ungeheuerliche Kritiken als solche enttarnt wurden, dreht sich dieses Mal alles darum, aus Restaurants, die von Zuschauern inniglich empfohlen wurden, die Besten raus zu picken …
Ich finde, wir haben genug Dreck und Elend im Fernsehen gezeigt, gerade, was Restaurants angeht. Also warum nicht einmal den Leuten zeigen, wie es richtig laufen kann und was für tolle Lokale es gibt? Ich habe den Aufruf im Oktober letzten Jahres bei RTL gestartet, und es sind 10.061 Bewerbungen eingegangen. Das hat mir die Schuhe ausgezogen! 10.061 Bewerbungen! Da hatten wir natürlich eine Menge zu tun gehabt. Wir befinden uns gerade noch in der letzten Gestaltungsphase, bevor es ab Montag losgeht.

Was war die Initialzündung, die zu «Rach sucht: Deutschlands Lieblingsrestaurants» geführt hat?
Die Leute fragen mich ja alles mögliche. Wie ich die politische Situation einschätze, was ich von Merkel halte, was für ein Hemd ich trage, wie meine Unterwäsche aussieht … Die am häufigsten gestellte Frage ist dennoch: „Herr Rach, wo gehen Sie eigentlich zum Essen hin?“ Und ich sage da natürlich nicht einfach: „Geh zu dem Drei-Sterne-Kollegen aus Sonstwoher!“ Gutes Essen ist den meisten Menschen ein wichtiges Anliegen, viele fahren dafür sogar Dutzende oder Hunderte Kilometer weit. Und daher haben die Menschen es verdient, Tipps zu erhalten, die vom Herzen kommen und die auch auf sie zugeschnitten sind. Aber wo informieren sich die meisten vorab? Mittlerweile immer häufiger über TripAdvisor und Co. … Das ist zwar eine wunderbare Informationsquelle, aber sie zerschießt sich selber, weil es da keine Regularien gibt. Mir fehlt da das Zwischenmenschliche. Im gemeinsamen Gespräch kann ich mich dagegen mit Ihnen darüber austauschen, was Sie gastronomisch alles mögen, und was Sie lieber meiden. Darauf basierend kann ich Ihnen Empfehlungen geben. Auf solch einer vertraulichen, persönlichen Ebene soll das in der Sendung auch ablaufen, selbst wenn ich natürlich nicht mit jedem Zuschauer ein direktes Gespräch abhalten kann. Der Grundtenor soll aber so ähnlich ausfallen.

Wie sah der Prozess aus, um aus diesen Bewerbungen die Restaurants auszuwählen, die es in die endgültige Sendung schaffen?
Ich habe zehn Food-Journalisten engagiert und die jeweils mit einem Mitglied aus meiner Redaktion zusammengesteckt. Die sind dann von Nord nach Süd, von Ost nach West durchs Land gefahren, und die haben getestet, gegessen und getrunken, was das Zeug hält. So haben wir das bereits für meine Auswahlrunden etwas runtergedampft. Und in den im Fernsehen gezeigten, finalen Runden werden die Restaurants in jeweils vier Kategorien unterteilt. Ich habe das gemacht, um es für den Zuschauer nachvollziehbarer zu machen und zudem zu vermeiden, ständig Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Die Kategorien sind: Deutsche Küche, italienische Küche, Steakhäuser – das ist der neue Boom hier in Deutschland – und als finale Sparte gibt es eine Spezialkategorie. Die existiert, weil ich nicht 20 Sendeplätze zur Verfügung habe, sondern nur sechs, und da sind Thailänder drin, Griechen, französische Restaurants, vegane Lokale und so weiter. Somit erhalten wir einen repräsentativen Querschnitt des Angebots in der deutschen Gastro-Landschaft.

War eine der Kategorien bei den Einsendungen überrepräsentiert?
Ja. Das fand ich erstaunlich. Es hat mich aber auch froh gemacht. Die meisten Bewerbungen gab es in der Kategorie ..?

Ich hätte eigentlich auf Italiener getippt, aber das wäre zu einfach, sonst würden Sie ja nun nicht fragen …
Genau. Das hatte ich auch getippt. Vorne lag tatsächlich die deutsche Küche. Das ist Wahnsinn. Ich finde es erstaunlich, was ich hier in Deutschland an Konzepten, Ideen und Marketinginstrumenten gefunden habe. Und diese Innovationen betrafen nicht nur das Äußere, sondern auch das, was auf dem Tisch präsentiert wird. Fantastisch!

Auf der nächsten Seite: Christian Rach darüber, weshalb er «Der Restauranttester» nach seiner Rückkehr zu RTL nicht wieder übernommen hat, welche aktuellen Formate er gut findet und wie er sich den eher geringen Erfolg seiner Formate über Ernährungsaufklärung erklärt.

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Sentinel2003
02.04.2016 18:07 Uhr 1
Krass, tolles und schönes, langes Interview!!
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