«Tödliches Spiel – Would You Rather?»
Der 2012 gestartete Psychohorrorfilm handelt von der jungen Iris (Brittany Snow), die sich um ihren schwerkranken Bruder Raleigh (Logan Miller) sorgt und dabei nicht nur an die Grenzen ihrer Nerven stößt - sondern auch an die Grenzen ihrer finanziellen Möglichkeiten. Raleighs behandelter Arzt stellt Iris einen mysteriösen Wohltäter (Jeffrey Combs) vor, der behauptet, ein regelmäßiges Spiel zu veranstalten. Sollte Iris teilnehmen und gewinnen, wäre dafür gesorgt, dass sich all ihre Sorgen in Wohlgefallen auflösen. Im Anwesen des Mannes angekommen, begegnet sie weiteren Menschen, die sich um einen großen Esstisch versammelt haben. Doch es wird nur Fleisch serviert, weshalb sich Vegetarierin Iris weigert, auch nur einen Bissen zu nehmen. Ihr Gastgeber gängelt sie daher und bietet ihr 10.000 Dollar, wenn sie ihre Prinzipien aufgibt. Ein anwesender Ex-Alkoholiker wiederum soll gegen Geld sein altes Laster wieder aufleben lassen. Von diesem Punkt an lässt sich der vermeintliche Wohltäter immer perfidere Herausforderungen und Spielchen einfallen – und seine Gäste machen sie zähneknirschend mit ...
Das diesem Film grundlegende Konzept „Hauptfigur braucht Geld, hat kein Geld, also nimmt sie an einem Mutprobenwettbewerb teil“ wird sich nachfolgend wiederholen. Doch Autor Steffen Schlachtenhaufen nutzt die Seitenhiebe auf die Wirtschaftslage lediglich als Sprungbrett für seinen boshaften, kleinen Thriller. Im Fokus dieser Regiearbeit von David Guy Levy steht die Tendenz vieler Menschen, das vermeintlich geringere Übel zu wählen, statt die Vernunft walten zu lassen und nach einer wirklich heilsame Lösung Ausschau zu halten. Iris verrät im Rahmen des auf sie hereinbrechenden „Entweder oder“-Spiels den gesunden Menschenverstand, indem sie Wetten mit niedrigen Gewinnchancen eingeht. Sie verstößt gegen ihre eigenen Prinzipien sowie gegen grundlegende moralische Vorstellungen – und so sehr sich Levy darin hineinsteigert, aus den Entscheidungen der handelnden Figuren sowie deren Folgen Nervenkitzel zu ziehen und harsche Bilder zu suggerieren, hat er einen verurteilenden Film gedreht. Ein Trick, der im Horrorsektor gar nicht so selten vorkommt: Der Filmemacher erschafft eine brutale Situation, doch seine Story zeugt von wenig Empathie. Wer so ruchlos ist wie die gezeigten Figuren, habe kein Mitleid verdient. Ohne Geld mag man zwar in unserer Gesellschaft nicht weit kommen, doch laut «Tödliches Spiel» ist es ergiebiger, ein hehrer Mensch zu bleiben und hart, doch ehrlich zu kämpfen, statt den Pfad der Tugend für schnelles, amoralisches Geld zu verlassen …
«Cheap Thrills»
E. L. Katz' Regiedebüt aus dem Jahr 2013 erzählt die schwarzhumorige sowie suspensereiche Geschichte einer außer Kontrolle geratenden Nacht voller Mutproben: Automechaniker Craig (Pat Healy) verliert seinen Job, und steht finanziell mit dem Rücken zur Wand. Als er sich mit einem alten Schulfreund (Ethan Embry) trifft, lernen sie Colin und Violet (David Koechner und Sara Paxton), ein wohlhabendes Pärchen, kennen. Als dieses von Craigs Lage erfährt, bietet es den Freunden an, mit ihnen nach Hause zu kommen. Dort sollen sie für das Amusement des Geburtstagskinds Violet sorgen, indem sie kleine Aufgaben erfüllen – und dafür Geld annehmen. Doch aus harmlosen Spielchen wie einem Wettsaufen und Luftanhalten werden bald handfestere Mutproben ...
Diese pechschwarze, drastische Komödie hat mehr Mitgefühl für ihre Helden über als «Tödliches Spiel – Would You Rather». Und so verschiebt sich der Fokus vom Anklagen unserer flexiblen Moralvorstellungen hin zu einem zweischneidigen Schwert. Einerseits fällt es schwer, aus der Konstellation eines reichen Paares, das aus der Demütigung Schwächergestellter sadistischen Spaß zieht, keine Gesellschaftsparabel rauszulesen. Statt „Billiger Nervenkitzel“ könnte der Titel auch „Tanz, Äffchen, Tanz“ lauten. Andererseits ist Katz' Szenario angesichts seines bitter-lakonischem Witzes auch eine Bestandsaufnahme mit Galgenhumor: Nach der Wirtschaftskrise und in Zeiten von Dauerpraktika sowie anderweitiger Formen wirtschaftlicher Ausbeutung sind wir so sehr in einer Ellenbogen-Leistungsgesellschaft angekommen, dass wir für ein paar Kröten mehr willens sind, einander auszustechen und uns selber böse zu entwürdigen. «Cheap Thrills» treibt dies nur auf die Spitze.
«13 Sins»
Das 2014 entstandene Remake eines thailändischen Thrillers aus dem Jahr 2006 zieht das wiederkehrende Thema immer harscher werdender Aufgaben in Form eines Psychothrillers mit Paranoiafaktor auf: Seine ganze Familie zählt auf Elliot Brindle (Devon Graye). Daher will er seinen Anvertrauten keinen reinen Wein einschenken, als ihm endgültig klar wird, dass er in absehbarer Zeit nicht mehr aus der Schuldenfalle rauskommen wird und seinen Job verloren hat. Da erhält er einen seltsamen Anruf: Er wird aufgefordert, eine Fliege zu töten. Dafür würde er 1.000 Dollar erhalten. Elliot willigt ein. Nun wird ihm die Aufgabe gestellt, diese Fliege zu essen. Der Anrufer erklärt, dass Elliot Teilnehmer eines geheimen Spiels ist: Er muss 13 Aufgaben mit zunehmender Schwierigkeit absolvieren. Dafür würden ihm kontinuierlich steigende Geldpreise winken. Elliot stimmt zu – nicht wissend, dass er schon bald mit seinem durch diese Prüfungen provozierten Verhalten den knurrigen Detective Chilcoat (Ron Perlman) auf sich aufmerksam macht ...
Regisseur/Autor Daniel Stamm und sein Schreibpartner David Birke liefern mit «13 Sins» die direkteste Antwort auf die (US-amerikanische) Wirtschaftslage unter diesen Filmen ab: Wiederholt wird Elliot von seinem Umfeld suggeriert, kein echter Mann zu sein, wenn er ja wohl offensichtlich nicht alles dafür getan hat, seinen Lieben eine finanziell stabile Lage zu verschaffen. Also lässt er sich von den Köpfen hinter einem geheimnisvollen Spiel ausbeuten. Dass Elliot die Aufgaben selten hinterfragt und möglichen rechtlichen Ärger sowie Blamagen in Kauf nimmt, sich zwischendurch sogar sehr in seiner Rolle als Schnellverdiener gefällt, verstärkt die Bissigkeit dieses Szenarios: Willkommen in der „Bück dich hoch!“-Arbeitswelt. Sobald Elliot doch Zweifel kommen, wird «13 Sins» auch mit Paranoiaelementen durchzogen: Wie sieht eigentlich der Ausweg aus, gibt es überhaupt einen?
Mit dem heute startenden «Nerve» wird das Subgenre "Mutprobenfilm" derweil aus der Social-Media-Richtung aufgezogen: Wie weit gehen wir für digitalen Ruhm? Mehr dazu, wie erfolgreich der Thriller dieses Thema anpackt, gibt es ab Freitag in unserer Review.
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