Die Handlung
Filmfacts «Rammbock»
- Regie: Marvin Kren
- Drehbuch: Benjamin Hessler
- Produktion: Melanie Berke, Sigrid Hoerner
- Darsteller: Michael Fuith, Theo Trebs, Anka Graczyk, Emily Cox, Sebastian Achilles
- Musik: Marco Dreckkötter, Stefan Will
- Kamera: Moritz Schultheiß
- Schnitt: Silke Olthoff
- Erscheinungsjahr: 2010
- Laufzeit: 63 Minuten
- FSK: ab 16 Jahren
Während sich Michael mit dem Jüngeren der Handwerker, Harper, im Gespräch befindet, bekommt der Andere urplötzlich einen Tobsuchtsanfall und stürzt sich auf die Beiden. Ein Blick auf den Innenhof der Wohnsiedlung verrät Harper und Michael, dass nicht nur Harpers älterer Kollege durchdreht: Mehrere Menschen sind zu blutrünstigen Bestien mutiert, die zu allem Überfluss über ein exzellentes Gehör verfügen. Michael und Harper verschanzen sich in Gabis leerstehender Wohnung, versuchen, so leise zu möglich zu bleiben, und beobachten ebenso gebannt wie eingeschüchtert die Lage im Innenhof …
Was für ein Horror?
«Rammbock» ist ein durch und durch klassischer Zombiehorror nach Vorbild solcher Genreklassiker, wie sie George A. Romero in den 60ern, 70ern und 80ern verantwortet hat. Regisseur Marvin Kren («Blutgletscher», «Tatort: Die Feigheit des Löwen») und Drehbuchautor Benjamin Hessler wandeln den Stil dieser Vorbilder dezent ab, etwa, indem sie die Fähigkeiten der Zombies sowie die nebenläufig durch Fernseh- und Radioansagen erklärten Hintergründe der Zombieseuche anders gestalten als bei Romero. Sie verschieben den Fokus dabei jedoch nicht, so wie viele Zombiefilme der späten 2000er- und frühen 2010er-Jahre, gen Action, sondern noch stärker in Richtung einer „Beobachten, abwarten, handeln“-Strategie der Protagonisten.
Die 6 glorreichen Aspekte von «Rammbock»
Der von ZDF – Das kleine Fernsehspiel mitfinanzierte, trotzdem auch ins Kino entlassene Horrorfilm hat diversen Genrekollegen voraus, dass er komplett ohne Längen erzählt wird, aber ebenso wenig abgehetzt erscheint: In lediglich 63 Minuten Laufzeit (inklusive Vor- und Abspann) führen Regisseur Marvin Kren und Drehbuchautor Benjamin Hessler die handelnden Figuren sowie die leicht abgewandelte Zombieprämisse ein, erschaffen mehrere spannungsreiche Zwickmühlen für ihre Helden und bahnen sich dann zügig, wohl aber dramaturgisch ausgereift einen Weg zu einem grauen Finale. Es gibt keine sich ermüdend wiederholenden Splattersequenzen, keine elendig lange Exposition, kein lästig-ausführliches Actionfinale.
Vor allem im Mittelpart suchen Kren und Hessler weniger Parallelen zum schnellen, actionreichen «28 Days Later», sondern zu Alfred Hitchcocks suspensereicher Arbeit in «Das Fenster zum Hof»: Der mit einem sehr spröden, österreichischen Humor ausgestattete Michael Fuith und der die Gefährlichkeit der Situation besser begreifende, von Theo Trebs sympathisch-direkt gespielte Harper richten ihr Handeln zwischenzeitlich komplett danach aus, was sich im Innenhof abspielt. Kren fängt dies in bester «Das Fenster zum Hof»-Manier so ein, dass man sich selber wie ein Voyeur fühlt, der nur einen fenstergroßen Einblick ins Schicksal seiner Nachbarn erlangt. Dadurch, dass Michael und Harper den Innenhof als Messgrad dafür nehmen, wie ernst die Lage ist, entsteht eine plausible Handlungsdynamik: Teils werden Allianzen geschlossen, teils zanken sich die Protagonisten mit Anliegern darüber, wie vorzugehen ist – und teils bringt man sich durch entstandenen Lärm ungewollt in noch harscheren Ärger.
Neben diesem Fokus aufs Beobachten und Abwarten weicht «Rammbock» auch in einem weiteren Aspekt vom klassischen Zombiefilm ab: Zwar sind Gewissensbisse, ob zum Zombie mutierte Freunde und Verwandte getötet werden sollen, ein wiederkehrendes Element dieses Genres, allerdings wissen Zyniker sehr wohl, dass das Zaudern vieler Zombiefilmhelden unsinnig ist. Oft genug darf man ausrufen: „Das ist nicht mehr [Name], sondern nur noch ein blutrünstiges Monster, jetzt schieß!“ In «Rammbock» ist ein friedlicher Umgang mit den Zombies gerechtfertigt, denn eine Radiodurchsage behauptet, dass der Blutdurst dieser Wesen nur bei Adrenalinschüben geweckt wird – und dass nach wenigen Tagen Ruhe die Infektion mit dem Zombievirus wieder abklingt. Somit wird im Kampf mit den Zombies von den «Rammbock»-Helden deutlich mehr Taktik abverlangt als von den Protagonisten anderer Filme, die ihr Gewissen einfach abschalten könnten.
Dessen ungeachtet kommt es in «Rammbock» genregemäß wiederholt zu Gewaltspitzen, die allesamt sehr effektiv ausfallen: Die Effekte sind herausragend, erst recht angesichts des geringen Budgets dieses Films – sowohl die wenigen, präzise eingesetzten Splattereffekte als auch das Zombie-Make-up sind sehr überzeugend, generell hat «Rammbock» eine gelungene Bildsprache. Kren und sein Kameramann Moritz Schultheiß setzen auf eine von Farbe freigewaschene, dreckig-ausgebleichte Bildästhetik, vor allem die Szenen im Innenhof setzen zudem auf flackerndes Licht, das Erinnerungen an die Bildqualität abgenutzter Filmkopien erinnert – all dies, ohne so sehr zu übertreiben, dass es ins Parodistische kippt.
Zu guter Letzt ist die obligatorische, romantisch begründete Motivation der Hauptfigur Michael nachvollziehbar und frei von Kitsch: Michaels Zuneigung zu Gabi wird klar so dargestellt, dass der nervöse Single angesichts der apokalyptischen Umstände Selbsttäuschung betreibt. Die Vorstellung, dass sie zueinander finden werden, ist das einzige, woran er sich in der ihn überfordernden Situation festzuhalten weiß. Im Laufe der einstündigen Story macht Michael trotzdem plausible Stimmungsschwankungen durch, ist mal manischer, mal niedergeschlagen – womit er diesem Spannungsfilm auch eine menschlich-emotionale Note verlieht.
«Rammbock» ist auf DVD erhältlich.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel