«Genial daneben»: Quotenmeter war dabei
Sascha Blättermann war bei mehreren Aufzeichnungen der «Genial daneben»-Neuauflage vor Ort. Lesen Sie hier seinen Bericht vom Donnerstag.Denn in erster Linie eint die beiden Konzepte ein ganz wesentliches Element: Sie sind im Grundsatz sehr einfaches, bewährtes Fernsehen, bei dem der Zuschauer keinerlei konzeptionelle Überraschungen abwarten sollte. Unter seinem Comedy-Spieleabend versteht Sat.1 nämlich im Wesentlichen eine netto rund 45-minütige, leicht aufgemotzte Version von "Tabu", das auf dem Schwestersender ProSieben bereits vor zehn Jahren unter dem Titel «Extreme Activity» unter der Leitung des großartigen Jürgen von der Lippe zu sehen war. Zwei Promi-Teams treten in mehreren Spielerunden an und müssen Begriffe zeichnen, erklären oder pantomimisch darstellen - mitunter einfach so, teilweise aber auch unter erschwerten Bedingungen.
Rasches Spielvergnügen mit viel Pipi-Kaka-Humor
Nein, mehr gibt es zur Grundidee der Sendung eigentlich nicht zu sagen. Und so raten ein Männer- (Chris Tall, Martin Rütter und Wigald Boning) sowie ein Frauen-Team (Jana Ina Zarrella, Verona Pooth und Panagiota Petridou) um die Wette, um am Ende der Show den wahrlich charmanten "Goldenen Paul Panzer" ihr Eigen nennen zu dürfen. Dass die Show hierbei sehr häufig und sehr bewusst mit Begriffen weit unterhalb der Gürtellinie aufwartet, mag man als typisches privates Niveaulimbo bezeichnen, kann aber auch als Mittel zum simplen und ergreifenden Zweck verstanden werden, seinem Publikum einen Abend mit alles andere als verkrampft-verkopften Spaß zu bescheren. Und dieses Ziel muss man auch erst einmal erreichen - beim jüngsten Sat.1-Primetime-Testlauf «So tickt der Mensch» war man daran noch komplett gescheitert.
Dass es hier gelingt, ist in der Auftaktfolge einem guten Zusammenspiel verschiedener Faktoren zu verdanken: Die Promiteams sind gut zusammengestellt und wissen durchweg zu unterhalten, aber auch Moderator Paul Panzer weiß mit seiner leicht genervt-wurschtigen Haltung zu punkten. Die kleinen Gemeinheiten, die man sich für die Promis ausgedacht hat, um ihnen das Leben möglichst schwer zu machen, bringen etwas Abwechslung in den ansonsten sehr simplen Ablauf der Show. Und dankenswerterweise verzichtet Sat.1 entgegen des Trends hin zu XXL-Show-Ausstrahlungen darauf, das Immergleiche über zwei oder gar drei Stunden zu strecken. So ist die Sendung schon fast vorbei, wenn der Zuschauer erstmals so richtig deutlich merkt, dass das Spielprinzip ja eigentlich immer dasselbe ist - und dann kann man das Finalspiel ja auch noch schnell vor Balder mitnehmen.
Der Titel der Show gibt Rätsel auf
Inhaltlich ist den Verantwortlichen von Constantin Entertainment also letztlich wenig vorzuhalten - auch wenn die Produzenten, die in der Vergangenheit auch schon das bereits erwähnte «Extreme Activity» auf die Mattscheibe gezaubert hatten, mit Sicherheit schon größeren Herausforderungen gegenüberstanden als bei der Umsetzung von «Paul Panzers Comedy Spieleabend». Doch so ein wenig fragt man sich dann schon, warum Sat.1 einen solchen Show-Titel gewählt hat. Das Wort "Spieleabend" ist insofern ein wenig verwirrend, dass man darunter wohl eine etwas größere Bandbreite an verschiedenen Spielen erwarten würde, als eine TV-Version von "Tabu". Halt eher so in Richtung «Das Spiel beginnt», das Johannes B. Kerner seit einiger Zeit im ZDF moderiert.
Der vielleicht wichtigere Punkt ist aber der, dass man eine große PR-Chance ein wenig in den Sand gesetzt hat. Immerhin steht das Label "Fun-Freitag" doch ebenso wie die Marke «Genial daneben» für Retro-Fernsehen, die Rückbesinnung auf die Unterhaltungstugenden, die Sat.1 in der Vergangenheit einmal auszeichneten, bevor man viele wichtige Köpfe und noch mehr starke Sendungen schrittweise verlor. Die hier gezeigte Show fügt sich da inhaltlich exzellent ein, trägt diese Ausrichtung aber kaum nach außen. Paul Panzer ist wohl eher nicht der Name, den irgendwer mit der "guten, alten Zeit" verbindet, er ist überdies auch nicht so prägend für das Format, dass sein Name zwingend hätte im Titel stehen müssen. Und zugleich fehlt ein Hinweis darauf, der dem potenziellen Interessenten signalisiert, dass hier quasi «Extreme Activity» reaktiviert wird - ohne Jürgen von der Lippe, aber sonst quasi gleich.
Fazit: Sat.1, wir haben dich vermisst
Doch trotz dieser ausgelassenen Chance bleibt der Gesamteindruck nach der ersten Folge ein Positiver: Zwar wird man mit diesem Format gewiss keinen Kreativitätspreis gewinnen, hat allerdings ein überraschend stimmiges Lead-In für den neuen alten "Fun-Freitag" produziert, das mit Kurzweil und simpler, klassischer Unterhaltungskunst überzeugt. Ob die Masse der Zuschauer auf eine Revitalisierung dessen gewartet hat, müssen die Quoten in dieser sowie den kommenden fünf Wochen zeigen, in denen «Paul Panzers Comedy Spieleabend» und «Genial daneben» den Freitagabend bestücken. Sollte es nicht aufgehen, könnte man dem Sender aber diesmal zumindest nicht vorhalten, einst funktionable Konzepte dermaßen verschlimmbessert zu haben, dass sie ihrer Stärken beraubt worden wären. Und nach zahlreichen gegenteiligen Erfahrungen ist das schon einmal viel wert.
Es gibt 3 Kommentare zum Artikel
11.03.2017 09:12 Uhr 1
11.03.2017 13:27 Uhr 2
Ich habe gerade mal nachgeschaut: Genauer gesagt fühlte ich mich an "Tabu XXL" erinnert, wo eben doch gezeichnet und mit einer Puppe pantomimisiert wird.
Activity war ja schon durch die TV-Sendung repräsentiert, das wollte ich nicht doppelt erwähnen.
Fohlen
11.03.2017 17:17 Uhr 3