Mit «Detlef Soost» bringt RTL II ab dem 18. September 2017 Daily Talks, dieses fast vergessene Genre, zurück ins deutsche Fernsehen. Dann werden werktags ab 15 Uhr wieder allerlei Alltagsprobleme thematisiert werden. Vaterschaftstests, Mobbing, Luxus vs. Armut oder Beziehungsprobleme – all diese Themen kündigt RTL II im Rahmen seines neuen Talks nach altem Konzept an, der vom einst als «Popstars»-Tanzlehrer bekannt gewordenen Soost moderiert wird. Ist der Daily Talk überhaupt noch zeitgemäß? Zumindest in Deutschland wurde das Genre eigentlich bereits vor einigen Jahren zu Grabe getragen, andererseits waren einige deutsche Daily Talks einst unwahrscheinlich erfolgreich. Wir blicken zurück auf die deutsche Daily Talk-Geschichte im Privatfernsehen.
RTL: Wie «Hans Meiser» die Daily Talks aus der Taufe hob
RTL-Talkshows
- «Hans Meiser» (1992-2001)
- «Ilona Christen» (1993-1999)
- «Barbel Schäfer» (1995-2002)
- «Birte Karalus» (1998-2000)
- «Sabrina» (1999-2000)
- «Die Oliver Geissen Show» (1999-2009)
- «Natascha Zuraw» (2008)
Sehr umtriebig zeigte sich dabei besonders RTL, das die Daily Talks nach Deutschland brachte. Bis zu fünf Sendungen betrieb der Kölner Sender zwischenzeitlich in seinem Programm um die Jahrtausendwende. Ein Jahr nach dem Start von «Hans Meiser» debütierte beispielsweise «Ilona Christen» mit der titelgebenden vorigen Moderatorin des «ZDF-Fernsehgartens». 1995 folgte «Bärbel Schäfer», weitere Formate hießen «Birte Karalus» und «Sabrina». Schnell übersättigte sich der Markt. Auf RTL liefen Ende der 90er Jahre nicht nur vier Formate am Nachmittag, sondern mit «Sabrina» auch eine Sendung am Vormittag. Unterdessen etablierte auch die Konkurrenz im Privatfernsehen massig Daily Talks.
Ab dem Jahr 2002 hielt RTL schließlich nur noch an der «Oliver Geissen Show» fest, nachdem selbst «Hans Meiser» (Foto) nach 1.700 Episoden in den Ruhestand ging. Bis 2009 sendete Geissen von dort an im RTL-Programm und überrundete dabei sogar noch «Hans Meiser» hinsichtlich der Episodenzahl. Eine hohe Aufmerksamkeit erhielt «Die Oliver Geissen Show» vor allem im Rahmen solcher Ausgaben, die Vaterschaftstests enthielten – eine Praktik, die in den USA in derlei Formaten Gang und Gäbe ist, in Deutschland aber stets kritisch kommentiert wurde. Letztlich gab «Die Oliver Geissen Show» jedoch viele Marktanteile an seine direkten Konkurrenzformate von ProSieben und Sat.1 ab, sodass die Sendung letztlich aufgrund ausbleibenden Erfolgs abgesetzt wurde. Mit dem 19 Episoden umfassenden «Natascha Zuraw» hatte 2008 nur noch ein Format ein kurzes RTL-Gastspiel, das beim Publikum jedoch nicht mehr ankam.
Sat.1: «Kerner», Zietlow & Pilawa – früher bei Daily Talks, heute große Namen
Sat.1-Talkshows
«Herrmann» (1993)«Kerner» (1996-1998)
«Vera am Mittag» (1996-2006)
«Sonja» (1997-2001)
«Jörg Pilawa» (1998-2000)
«Ricky!» (1999-2000)
«Peter Imhof» (2000-2001)
«Franklin - Deine Chance um 11» (2000-2004)
«Britt - Der Talk um eins» (2001-2013)
Sonja Zietlow übernahm 1997 mit «Sonja» einen der erfolgreichsten Sat.1-Talks, der zu seinen Bestzeiten mit Quoten über 20 Prozent «Hans Meiser» auf RTL den Rang ablief. Anders als andere Formate, die sich mit einem bunten Themen-Mix befassten, konzentrierte sich «Sonja» auf Konflikte zwischen ihren Gästen, die es zu lösen galt. Vielleicht auch aufgrund der leichten Andersartigkeit sanken die Marktanteile von «Sonja» entgegen denen anderer Daily Talks kaum. Durch Zietlows Wechsel zu RTL im späten Jahr 2000 endete jedoch auch «Sonja». Ein weiterer großer Name kam 1998 mit «Jörg Pilawa», das ab 1999 eine von vier Talkshow darstellte, die den Sat.1-Nachmittag besiedelten. Es folgten 1999 mit «Ricky!», «Peter Imhof» und «Franklin – Deine Chance um 11» weitere Formate, auf die Sat.1 insgesamt etwas länger setzte als Konkurrent RTL. «Peter Imhof», der kurzlebigste Sat.1-Talk, stellte dabei einen Guinness World Record auf, als der ehemalige MTV-Moderator, der der Sendung ihren Titel verlieh, 24 Stunden ununterbrochen durchmoderierte und dabei sechs Sendungen aufnahm. Sogar in Werbe-, Umbau- und Schminkpausen moderierte Imhof weiter.
Ab 2005 strahlte Sat.1 neben «Vera am Mittag» (Foto) allerdings nur noch das 2001 gestartete «Britt – Der Talk um eins» aus. Letzterer Talk sollte sich im deutschen Fernsehen insgesamt am längsten halten und wurde noch bis 2013 fortgesetzt, nachdem «Vera am Mittag» in Sat.1 2006 nach knapp zehn Jahren beendet wurde. «Britt» mit Moderatorin Britt Hagedorn wies dabei eine besondere Nähe zu US-Talkshows auf und setzte auf reißerische Formulierungen, Beschimpfungen, Lügendetektor- oder Vaterschaftstests. Lediglich körperliche Gewalt wurde untersagt. Weitere Testballons platzten mit «Annica Hansen - Der Talk» und «Ernst-Marcus Thomas - Der Talk» im Jahr 2012.
ProSieben: Die ewige «Arabella»
ProSieben-Talkshows
- «Lindenau» (1994)
- «Arabella» (1994-2004)
- «Andreas Türck» (1998-2002)
- «Nicole» (1999-2001)
Bis 2004 hielt sich «Arabella» (Foto) im ProSieben-Programm, ehe auch bei ihr der Quoten-Einbruch folgte. Ein Engagement von Laiendarstellern zur höheren Sensationalisierung des Formats lehnte Kiesbauer gegen Ende der Sendung öffentlich ab, als Pseudo-Doku-Soaps bereits ihren Weg ins deutsche Fernsehen gefunden hatten. Ab Februar 1998 gesellte sich «Andreas Türck» zum Talk-Line-Up ProSiebens hinzu, das im März 1999 um «Nicole -Entscheidung am Nachmittag» mit Nicole Noevers ergänzt wurde. «Arabella» überlebte beide Formate, denn «Nicole» endete im Dezember 2001 und «Andreas Türck» im Januar 2002. Davor bat Türck erfolglos darum, seinen Talk selbst produzieren zu dürfen, wie es viele deutsche Talkshow-Hosts ebenfalls praktizierten, darunter beispielsweise «Hans Meiser» oder Vera Int-Veen. Den «Andreas Türck»-Sendeplatz übernahm danach Tobias Schlegl, der mit «Absolut Schlegl» jedoch nur etwa ein Jahr durchhielt. So fing ProSieben nicht nur am spätesten mit Daily Talks an, sondern beendete diese Programmfarbe auch am ehesten wieder.
Eruptionsartig schossen in den 1990er Jahren die Daily Talks aus dem Boden, die sich aufgrund der Vielzahl der Formate um die Jahrtausendwende schließlich gegenseitig zerfleischten, sodass der kurze Hype vergleichsweise schnell wieder vorüber war. Dass RTL II mit «Detlef Soost» dieses Genre nun wiederbeleben will, kennzeichnet eine mutige Entscheidung angesichts der Tatsache, dass ähnliche, dem Affektfernsehen zuzuordnende Formate in der jüngeren Vergangenheit weder von Kritikern noch von Fernsehzuschauern positiv aufgenommen wurden. Der Ankündigung nach will «Detlef Soost» in Sachen Daily Talks keine neuen Akzente setzen, sondern auf die bewährte Gangart setzen, die sich deutsche Daily Talks schon von ihren US-Vorbildern abschauten. Springen Zuschauer wieder an? Eventuell werden sie einige Fernsehende vermisst haben, berühmte Sätze wie: „Du bist nicht der Vater!“
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