Filmfacts: «Es»
- Kinostart: 28. September 2017
- Genre: Horror/Drama
- FSK: 16
- Laufzeit: 135 Min.
- Kamera: Chung-hoon Chung
- Musik: Benjamin Wallfisch
- Buch: Chase Palmer, Cary Fukunaga, Gary Dauberman
- Regie: Andy Muschietti
- Darsteller: Bill Skarsgård, Jaeden Lieberher, Jeremy Ray Taylor, Sophia Lillis, Finn Wolfhard, Chosen Jacobs, Jack Dylan Grazer, Wyatt Oleff, Jake Sim
- OT: It (USA 2017)
Dass das Remake von Andy Muschietti («Mama») also zum genau richtigen Zeitpunkt angekündigt wurde, ließ sich schon an den enormen Abrufzahlen des ersten Trailers erkennen, der aus dem Stand sämtliche bisherigen Klickhits (darunter in erster Linie der Disney-Konzern mit «Star Wars: Das Erwachen der Macht» und weiteren Blockbustern) übertraf. Trotz dadurch bereits höher geschraubter Erwartungshaltung von Seiten des Studios pulverisierte «Es» zum Start sogar noch einmal sämtliche Prognosen und holte sich direkt mehrere Rekorde: «Es» gelang auf Anhieb der beste September-Start, der beste Horror-Start und der zweitbeste Start aller Zeiten für einen Film mit einem R-Rating. Und da angesichts der Qualität nicht von einer negativen Mundpropaganda auszugehen ist, darf man sich noch auf viele weitere Erfolgserlebnisse gefasst machen.
Wovor hast Du Angst?
Im Mittelpunkt stehen sieben junge Außenseiter, die in dem Städtchen Derry in Maine aufwachsen – sie bezeichnen sich als Club der Loser. Aus dem einen oder anderen Grund sind sie alle ausgegrenzt worden, die Rowdys des Ortes haben sie ins Visier genommen … und alle haben erlebt, wie ihre innere Angst plötzlich real wurde als uralter, aggressiver Gestaltwandler, den sie einfach nur „Es“ nennen. Seit es den Ort gibt, ist Derry immer schon das Jagdrevier dieses Monsters gewesen: Alle 27 Jahre steigt es aus der Kanalisation herauf, um sich vom Schrecken seiner bevorzugten Beute zu ernähren: nämlich den Kindern von Derry. Innerhalb eines ebenso grauenhaften wie mitreißenden Sommers tun sich die Loser zusammen und bilden eine unverbrüchliche Gemeinschaft, um so ihre eigene Angst zu überwinden und den mörderischen Amoklauf zu beenden, der an einem Regentag begonnen hat: Ein kleiner Junge rannte seinem Papierschiffchen hinterher, das in einen Gully gespült wurde, … und geriet so in die Fänge des Clowns Pennywise.
- © Warner Bros.
Der «Es» von 2017 beginnt mit einer Szene, die bis auf kleine Details nahezu eins zu eins vom Original übernommen wurde: Der kleine Georgie (Jackson Robert Scott) macht sich mit einem selbstgebastelten Papierboot auf in den Regen. Hier landet das kleine Spielzeug schließlich im Gully – und dort wartet bereits der ab sofort von Bill Skarsgård («Atomic Blonde») verkörperte Clown Pennywise auf ihn. Dass dem Jungen im nächsten Moment in einer brutalen Szene der Arm abgebissen wird, scheint ein erstes Indiz auf einen weitaus höheren Gore-Gehalt – und in Zeiten nach «Saw» und Co. schien dieser Schritt nur erwartbar, auch wenn Andy Mischietti sich abseits davon eher in den auf Atmosphäre und Spannung setzenden Gefilden eines «Conjuring» aufhält. «Es» ist ein astreiner Gruselthriller, der sich heute im Jahr 2017 nur einfach viel mehr trauen kann, als damals – nicht zuletzt, weil dieser Film jetzt seine erste Auswertung in den Kinos erfährt und nicht direkt über den televisionären Weg seine Zuschauer findet.
Trotzdem kann „Es“ noch weitaus mehr, als sich lediglich den modernen Sehgewohnheiten anzupassen, denn während man sich bei einigen Dingen ganz am horrenden Zeitgeist orientiert, bleiben die Drehbuchautoren Chase Palmer, Cary Fukunaga («Beasts of No Nation») und Gary Dauberman («Annabelle 2») an anderer Stelle betont nah am Original: Der Club der Verlierer von 2017 besitzt in seiner ausgiebigen Betrachtung nämlich einen ähnlichen Stellenwert, der «Es» wie schon die Variante von 1990 eher zu einem Coming-of-Age-Film macht; nur eben zu einem, mit allerlei Horrorelementen.
Zwischen Horrorschocker und Coming-of-Age-Drama
Die Stars des ersten «Es»-Films (spätestens durch die Einblendung «Chapter One» kurz vor dem Abspann weiß jeder, dass der zweite Teil des Buches eine eigene Leinwandauswertung erfahren wird) sind die Kinder: Jaeden Lieberherr («The Book of Henry»), Sophia Lillis («A Midsummer Night’s Dream»), Jeremy Ray Taylor («Alvin und die Chipmunks: Road Chip»), Finn Wolfhard («Stranger Things») und Jack Dylan Grazer («Tales of Halloween») bilden eine Gruppe von Außenseitern, durch deren Augen der Zuschauer die sich (nach der dynamischen Auftaktszene) sehr langsam zuspitzenden Ereignisse in dem kleinen Ort Derry beobachtet. Dabei geht es lange nicht um das große Ganze und auch, wenn Pennywise schon früh auftaucht und sich in teils verdammt gruseligen Einzelszenen immer wieder den Weg zu seinen Opfern bahnt, geht es zunächst doch vor allem um die Kinder, deren teils tottraurige Backgroundstories (aus dem Verhältnis zwischen Beverly und ihrem unterschwellig widerwärtigen Vater ließe sich direkt ein ganz eigenes Drama spinnen) und den Versuch, sich sowohl gegen die Schulrowdys zur Wehr zu setzen, als auch seinen Platz im Leben zu finden.
Daraus ergibt sich ein mannigfaltiges Konstrukt sämtlicher Jugendängste und pubertärer Wirrungen, die hier und da sogar noch einmal symbolisch unterfüttert werden (Stichwort: Menstruation). Letzteres wäre gar nicht nötig, doch findet Muschietti ohnehin immer einen guten Kontext, um seine Assoziationen im Film unterzubringen; bei der Inszenierung der Jumpscares und Gruselszenen fährt der einst von Guillermo del Toro entdeckte und geförderte Filmemacher nämlich eine immense Vielfalt auf.
Der erste Horror-Blockbuster seit «Der weiße Hai»
Neben Pennywise in furchterregender Clownsgestalt (bei der schon bald nicht das Äußerliche an sich das Gruseligste ist, sondern in erster Linie die Art und Weise, wie er sich fortbewegt), gibt es noch einige weitere Figuren zu erleben, die sich aufgrund ihrer bei den Kindern ausgelösten Furcht aufmachen, an den Nerven des Publikums zu zerren. So hat der Eine etwa Angst vor einem gruseligen Gemälde, sodass sich die darauf abgebildete Gestalt schon wenig später in Persona auf die Jagd nach ihrem Opfer begibt (der stark umgesetzte CGI-Effekt steht stellvertretend für die technische Brillanz des gesamten Films), während von allen Seiten zombieähnliche, verkohlte oder auch schon mal kopflose Menschen und Kinder auftauchen, die Pennywise häufig nutzt, um wenig später selbst in Erscheinung zu treten. Die effektiv platzierten Jumpscares sind zwar auf der einen Seite fester Bestandteil dieses zwar durch und durch modernen, jedoch nicht minder nostalgisch anmutenden Films, andererseits verkommen sie nie zum Selbstzweck, sondern dienen vorzugsweise der Entladung der sich ohnehin sukzessive aufstauenden Ängste der fünf Protagonisten.
Auf abgedroschene (falsche) Fährten wie die plötzlich irgendwo hervor springende Katze oder Banalitäten wie das sich Erschrecken vor einem plötzlich auftauchenden Freund gibt es in «Es» nicht. Wenn das Grauen über die Figuren und Zuschauer hereinbricht, hat es dieses in sich und kommt dabei ohne jede Form der Redundanz aus. Das Spektrum an Schockeffekten ist groß genug, um zu jedem Zeitpunkt etwas Neues zu bieten.
Mit einem Budget von gerade einmal 35 Millionen US-Dollar war «Es» vergleichsweise günstig, wenngleich er für eine Horrorfilmproduktion schon mit recht üppigen Mitteln ausgestattet wurde. Dieser finanzielle Aufwand hat sich allerdings nicht bloß angesichts der Einspielergebnisse gelohnt, auch visuell handelt es sich bei «Es» um einen absolut hochwertigen Genrevertreter, der sich nicht bloß aufgrund seiner absolut kurzweiligen, aber auf dem Papier üppigen Länge von 135 Minuten wie ein „großer Film“ anfühlt, sondern auch durch die aufwendigen Setpieces und die starke Kameraarbeit von Chung-Hoon Chung («Die Taschendiebin»). Seine Bilder stecken voller Eleganz und Detailvielfalt – «Es» ist vermutlich der erste richtige Horrorblockbuster seit Steven Spielbergs «Der weiße Hai» und spricht das Publikum auf diversen Ebenen an.
Gleichzeitig ist er handgemacht und edgy genug, um nicht in Austauschbarkeit zu verfallen. Die vor der Kamera stehenden Figuren mit all ihren Problemen und Ängsten besitzen Herz und Seele und müssen hier nicht bloß gegen einen fiesen Killerclown ankämpfen, sondern gegen die Dämonen ihrer Kindheit. Das ist ein so universelles Ausgangsszenario, dass es eigentlich schade wäre, wenn sich nur Liebhaber des Horrorkinos in diesen Film verirren. Daher appellieren wir an dieser Stelle von Herzen: traut Euch!
Fazit
Der neuen Verfilmung von Kings Bestseller «Es» wäre damit Unrecht getan, würde man sie lediglich auf ihr Dasein als Horrorschocker reduzieren. Andy Muschietti gelingt ein feinfühliges Coming-of-Age-Drama über innere Dämonen und die Ängste des Erwachsenwerdens, garniert mit einer ordentlichen Prise Gruselhorror, starken Effekten und einem Club der Verlierer, in den man sich auf Anhieb verliebt.
«Es» ist ab dem 28. September bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.
Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
28.09.2017 14:52 Uhr 1
Ich bin ich kein Fan von Remakes und Reboots. Erschwerend kommt hier hinzu, das ES mein Lieblingsroman ist und ich auch den Fernsehfilm mit Tim Curry sehr gut fand (ja, wirklich).
Dennoch habe ich mich ein bisschen vom Hype der Neuverfilmung anstecken lassen und die ersten bewegten Bilder ließen definitiv auf gute Unterhaltung und Kurzweil hoffen.
Im Vorfeld war zu lesen, daß sich die Neuverfilmung noch enger an das Buch halten soll, als der Original-Film. Daher war ich natürlich überaus ent- und gespannt.
Um es nun gleich vorweg zu nehmen: dies ist definitiv nicht der Fall. Der neue Streifen hat (im Detail) mit dem Buch noch sehr viel (!) weniger zu tun als der erste Film. Das ist in sofern schade als auch verwirrend, da einige Schlüsselelemente, die zum (vorläufigen) Ende von ES führen, überhaupt nicht vorkommen und somit gigantische Logiklücken in den Film reißen und dieser so in dieser Form gar nicht hätte enden können/dürfen.
Desweiteren wurden die Charakterelemente und auch -verhältnisse teilweise derart verdreht und verändert, das ein Kenner des Originalstoffes kaum noch hinterher kommt. Es wirkt, als würden im Uhrwerk ein paar Zahnräder fehlen und den Ablauf durcheinanderbringen.
Viele Film-Szenen kommen im Buch gar nicht vor und sind dahingehend auch unrelevant für dessen Fortlauf, hätten also gar nicht gedreht werden müssen. Sehr wichtige Schlüsselszenen wiederum wurden zu schnell runtergespult oder nur angerissen - sehr schade, denn gerade durch diese Szenen hätte man mehr über den Hintergrund der Charaktere und der Story erfahren.
Darstellerisch sind alle Leistungen durch die Bank hervorragend. Auch technisch bietet der Film ordentlich was fürs Auge. Die Schock- und Goreeffekte sind sehr gut und gezielt eingesetzt - ein paar nette Jumpscares inklusive. Es gibt sogar eine kleine, liebevolle Reminiszenz an Tim Curry
Generell ist es ein handwerklich gut gemachter Film. Für Liebhaber des Buches jedoch in weiten Teilen enttäuschend.
Daher schenke ich mir tatsächlich hier mal eine Bewertung, da ich niemandem den Spaß am Kinogang versauen möchte. Horror-Film des Jahres: Ja. Aber mehr nicht.
28.09.2017 16:37 Uhr 2
"Das Remake, auf das alle gewartet haben: «Es»"
Wer bitte ist denn "alle"? Wenn mit "alle" die Horrorfans gemeint sind, sollte man das auch dazu schreiben!
Ich bin absolut kein Horrorfan, und eine große Anzahl anderer ist es auch nicht, haben eben nicht auf diesen Unsinn gewartet!