Unsere Kritiken zu den europäischen Netflix-Serien
Daraus wurde freilich nichts. Statt einer glänzenden philosophischen Narrative um einen korrupten Bürgermeister und ausgeklügelte Intrigen erwartete die gierigen Zuschauer eine laue Soap, die an die zahllosen von sentimentaler Erotik geprägten hirnlosen Serien erinnerte, mit denen im Land von Voltaire gnadenlos das Fernsehprogramm vollgestopft wird. «Marseille» sah eher aus wie ein ambitionierteres «Plus Belle la Vie» denn wie ein französisches «House of Cards» – um letzteres hatte sich mit «Baron Noir» immerhin schon vorher der Pay-TV-Anbieter Canal+ gekümmert.
Die Kritiken zu Depardieus koksendem Robert Taro waren – erst recht in Frankreich – jedenfalls vernichtend. Und während Netflix im selben Jahr sein lateinamerikanisches Portfolio mit der intellektuell wie emotional starken brasilianischen Serie «3%» um einen Schatz erweiterte, blieb Europa mit Frankreichs Rohrkrepierer im internationalen Netflix-Serien-Vergleich weit abgeschlagen.
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Anfang Oktober startete Netflix mit «Suburra» seine dritte europäische Serie, die wieder in einem südlichen Land – diesmal: Italien – spielte. Und auch «Suburra» setzte den Trend fort, den Netflix mit seinen europäischen Serien ging. Wieder blieb man intellektuell und narrativ hinter den amerikanischen Pendants zurück, wieder wirkte der Neustart, mit dem Netflix einen großen europäischen Markt aufmischen wollte, weniger wie ein neuer Impuls als wie eine hochwertiger produzierte Dutzendware, wie man sie auf dem Zielmarkt bereits kannte.
Ausgerechnet in Deutschland, diesem Serienentwicklungsland, dem ersten nördlichen europäischen Markt, in dem Netflix eine eigenproduzierte Serie veröffentlicht, ändert sich nun auf einen Schlag womöglich: alles. Das Genre – ein Mystery-Thriller – passt überhaupt nicht zur von Krimis und Historiendramen dominierten heimischen Serienwelt. Und weder intellektuell noch erzählerisch noch visuell muss sich «Dark» hinter den großen amerikanischen (und lateinamerikanischen) Formaten verstecken, die Netflix zu einem globalen Game Changer im internationalen Seriengeschäft gemacht hatten.
Lesen Sie hier vor dem morgigen weltweiten Start noch einmal unsere ausführliche Rezension zu «Dark».
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