Vermutlich um gerade den Vorwürfen der mangelnden Objektivität und der vermeintlichen Einseitigkeit das Wasser abzugraben, hat sich Sandra Maischberger neben «Tagesschau»-Sprecherin Pinar Atalay, WDR-Intendant Tom Buhrow und der herbstblonden Eminenz Thomas Gottschalk auch den ehemaligen ProSieben- und Premiere-Manager Georg Kofler (obwohl er die Branche schon vor einem Jahrzehnt verlassen hat) und die rechtsextreme Scharfmacherin Beatrix von Storch von der AfD eingeladen. Wenig verwunderlich, dass in der Sendung, in die auch ein «Weltspiegel-Spezial» über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in anderen europäischen Ländern eingebettet war, nicht nur lebhaft diskutiert, sondern auch reichlich sachverhaltsfremde Befindlichkeiten vorgetragen wurden.
Das Niveau der Sendung war keines, das man nicht bereits aus ähnlichen Diskussionsrunden kannte: Tom Buhrow versuchte routiniert, auf die gängigen Vorurteile mit Fakten zu entgegnen: die gigantischen Pensionsansprüche der Beschäftigten, die nun bereits da, wo es rechtlich eben gehe, reduziert würden; die ausufernde Bürokratie, die ja bereits abgebaut würde, aber ohne die es eben auch nicht so ganz gehe; die vielen Unterhaltungsprogramme, mit denen man dem Privatfernsehen unlauter Konkurrenz mache, wo das öffentlich-rechtliche Fernsehen gemäß Rundfunkstaatsvertrages doch auch einen Unterhaltungsauftrag und eine gesellschaftliche Sozialisationsfunktion habe.
"Alle kloppen auf dem #ÖR rum...!"
— Maischberger (@maischberger) 28. Februar 2018
Muss es denn auch wieder so kalt sein draußen, Herr #Buhrow?#maischberger #Rundfunkbeitrag pic.twitter.com/UM2BONJbY2
Die zumindest in ihrer Zuspitzung vergleichsweise neuen (und abstrusen) Vorwürfe gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk kamen wenig überraschend von Beatrix von Storch: Sie warf ihm eine tendenziöse Berichterstattung vor, gerade zu Themen, für oder gegen die ihre Partei agitiert: Man berichte verzerrend über Trump und Brexit (gemeint hat sie: zu negativ) sowie über Deutschlands Aufnahme von einer Million Asylbewerbern (gemeint hat sie: zu positiv). Ihre Argumentation hat sie sogleich untermauert (und offenbart), indem sie auf den gerade eben ausgestrahlten Beitrag über die Eingriffe in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Polen Bezug nahm, der seit Beata Szydlos Ernennung zur Premierministerin tendenziös im Sinne der rechtskonservativen Regierung berichtet und Stimmung gegen die Europäische Union macht. Leider kam Tom Buhrow nur ganz am Schluss auf von Storchs offensichtliche, aber in dieser Sendung mühsam verklausulierte und hinter ihrer Rosenkranzmiene versteckte Motivation zu sprechen, aus der heraus sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland in seiner aktuellen Form tatsächlich ablehnt: Denn jedes Mal, wenn er darüber berichtet, wie sie auf Facebook kommentiert, dass man notfalls auch auf Menschen an der Grenze schießen solle, oder ihre Parteifreunde sich im obszönsten Duktus über Halbneger und die Merkelnutte auslassen, ist das für von Storch nur ein störendes Korrektiv.
Fasst man diese Beobachtung etwas weiter, wird schnell klar, warum eine Konstellation von Gästen, die entweder direkt vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen profitier(t)en oder aus seinem Ende oder zumindest radikalen Umbau politisches oder wirtschaftliches Kapital schlagen könnten, den Inhalten enge Grenzen setzt. So kam auch das Totschlagargument, mit dem zumindest die Funtamentaloppositionellen gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf die Probe gestellt worden wären, vom anfangs aus der Schweiz zugeschalteten Kabarettisten Emil Steinberger, der den No-Billag-Initiatoren vorwarf, die realen Konsequenzen ihres Antrags nicht im Ansatz bedacht zu haben. Mit Blick auf das deutsche System hätte man gerade Beatrix von Storch fragen können: Nun gut, wie soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk dann konkret abgewickelt werden? Werden die Zehntausenden Angestellten einfach von einem Tag auf den anderen auf die Straße gesetzt? Wie soll sich die private Produzentenwirtschaft – ein Milliardengeschäft – auf die unmittelbaren Verwerfungen einstellen und welche Maßnahmen soll die Politik ergreifen, um sie zu stützen, oder will man sie lieber gleich vor die Hunde gehen lassen?
Beatrix von Storch wäre bei diesen Fragen am selben Problem gescheitert, mit dem Populisten mit ihren radikalsimplen Vorstellungen immer ins Schleudern geraten und die gerade auch Theresa May zu spüren bekommt, der der von Beatrix von Storch als nachahmenswert ins Spiel gebrachte Brexit um die Ohren fliegt: Der Teufel steckt im Detail, und die detaillierten Zwänge des Faktischen und Rechtlichen verhindern die Umsetzung der blauäugigen Vorstellungen von Populisten in der Realität. Sie in einem solchen Gespräch anzusprechen, wäre eines der wirksamsten Instrumente, um die unseriöse Qualität der Vorschläge herauszustellen, die von Leuten wie Beatrix von Storch ausgehen.
Eher für’s große Rad zuständig sah sich Thomas Gottschalk, dessen reichhaltige, aber sachdienliche und schmissig vorgetragene Anekdoten die wahren Probleme des öffentlich-rechtlichen Fernsehens ansprachen – und der, kurz und prägnant, aber frei von Populismus, einen optimistischen Blick in die Zukunft wagte, eben weil der Druck auf die öffentlich-rechtlichen Fernsehmacher durch die enorme Konkurrenz gerade so groß ist wie nie zuvor: „Heute geht allen die Pumpe, und das ist gut so.“
Betriebsblindheit und einseitige Berichterstattung!
— Maischberger (@maischberger) 28. Februar 2018
Was stimmt nicht mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, @Beatrix_vStorch?#maischberger #Rundfunkbeitrag #ÖR #GEZ #AfD pic.twitter.com/dVTc63DWgV
Denn natürlich ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht frei von Fehlern. Er ist wie jedes immense und Sachzwängen unterliegende Gebilde betroffen von allerhand inhaltlichen Defiziten, von Inkonsequentheiten und einer gewissen Trägheit, die sich wohl verringern, aber sicherlich nie ganz vermeiden ließe. Insofern war es angenehm, dass Tom Buhrow diese Sachzwänge wie auch die administrativen und inhaltlichen Erfolge ruhig und bedacht vortrug, auch wenn er im Detail zu Fehleinschätzungen neigte: Beim Blick ins Ausland, in eine Welt ohne starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk, trug er die Situation in den USA mit einigem Grausen über den journalistischen Zustand der dortigen Privatsender vor, wobei ihm entging, dass gerade Kabelsender wie MSNBC einen Journalismus auf einem Niveau produzieren, das es in Deutschland so nicht gibt – auch nicht auf den Sendern, die Buhrow verantwortet.
Die weitsichtigste und vielleicht auch prägnanteste Diagnose kam unterdessen wieder von Gottschalk: „Den Öffentlich-Rechtlichen fehlt die Arroganz“, konstatierte er, und meinte die Arroganz, inhaltlich über den Privatsendern stehen zu können und sich nicht mit ihnen in den Quotentabellen messen lassen zu müssen. Und gerade diese Leitlinie – mehr Arroganz – könnte tatsächlich das herbeiführen, dessen Fehlen gerade Kritiker am öffentlich-rechtlichen Fernsehen stets bemängeln: besseres Programm.
Es gibt 11 Kommentare zum Artikel
02.03.2018 11:13 Uhr 1
02.03.2018 12:55 Uhr 2
Allerdings hatten, wenn mich nicht alles töuscht, erstmalig ARD und ZDF Ein gemeinsames Studio für Olympia!
02.03.2018 14:31 Uhr 3
Das verzerrt mir doch ein bisschen die Inhalte, die insgesamt besprochen wurden.
Gottschalk hat die Runde sehr gut geschlossen. Ein überregionales ZDF und die ARD gesundschrumpfen und auf Regionalität beschränken.
Niemand (auch nicht Storch) fordert, dass das alles von heute auf morgen geschieht. Aber es gibt Lösungen für solche Transformationen, große Konzerne müssen das alle Jahrzehnte durchlaufen.
Wie es in der Schweiz ist, kann ich nicht bewerten. Aber auch hier wird es Lösungen geben, wenn sich die Schweizer dazu entscheiden sollten.
Es ist auch vollkommen normal, dass Leute, die auf Probleme hinweisen, nicht sofort den Generalplan zur Lösung aus der Tasche ziehen können.
Aber irgendwann muss man mit der Diskussion und Entscheidungsfindung anfangen. Je größer die Veränderung, desto länger dauert so ein Meinungsbildung- und Entscheidungsprozess.
Ich kann diese "Es geht nicht mehr, wir tun schon alles" Verteidigungshaltung nicht verstehen.
Wäre der ÖRR ein Privatunternehmen, dann würden (hoffentlich) schon alle Alarmglocken schrillen. Das Publikum überaltert und ist dann schlicht weg.
Klar kann und muss man sich von den Quoten lösen. Das könnte man auch sehr schnell umsetzen, in dem man die Quoten nicht mehr täglich misst, sondern nur noch ab und zu Stichproben und Umfragen durchführt.
Jetzt ist noch Zeit, den ÖRR geordnet gesundzuschrumpfen und das Programm und auch den Auftrag an die moderne Medienversorgung anzupassen. So was dauert auch mal 10 Jahre und mehr, daher muss jetzt angefangen und Jahr für Jahr eingespart und verändert werden.
Irgendwie hofft man, das alte Modell TV und dessen Kernzielgruppe wieder zu aktivieren. Man hat eingesehen, dass z.B. Wetten dass nicht funktioniert, aber ansonsten versucht man immer noch, diese Kernzielgruppe anzusprechen. Die privaten Sender versuchen das mit ihren Gruppen auch.
Aber diese Kernzielgruppe zerfällt nun mal. Gottschalk hat das ja gesagt, für seinen 25 jähriger Sohn ist da (fast) nichts mehr dabei.
Wir stehen immer noch ganz am Anfang des VOD Streamingmarktes, die inhaltliche Auswahl ist begrenzt, Preise für Leihfilme sind noch relativ hoch, die Bandbreite fehlt vielerorts noch und im Mobilfunk gibt es Volumenkontingente.
Das sieht in 10 Jahren schon ganz anders aus. Dann haben wir neben Netflix und Amazon, Apple und google noch Disney und vielleicht schaffen es sogar die Privatsender noch mal, was ordentliches auf die Beine zu stellen und Sky schafft es vielleicht auch.
Aber auch die sozialen Medien und youtube&Co. werden nicht mehr verschwinden.
Die immer günstigere Technik erlaubt es Privatleuten oder Mikro-TV-Anstalten z.B. regional zu berichten.
Ich habe kürzlich bei RBTV z.B: eine Liveberichterstattung von der Bremer Fischmesse gesehen. Andi Strauß ist mit einem Kameramann durch die Messe und hat Leute interviewt, das war unterhaltsam.
Heute kostet ein Teradek und entsprechende LTE Kapazitäten noch ne Menge Geld, aber in 10 Jahren kann jeder für kleines Geld im Mobilnetz der 5. Generation Livebilder in einer Qualität senden, da brauchte man bis vor kurzem noch einen Übertragungswagen, einen Sat-Uplink und ein Team.
Klar kann man damit keinen fundierten seriösen Journalismus ersetzen. Aber regional vom Stadtfest, vom Karneval, etc zu berichten, dafür ist es ideal.
Dass die ÖR in dieser Richtung aktiv werden, ist lobenswert. Aber der Erfolg bleibt leider noch aus. Funk hat nach 1,5 Jahren ganze 41 Tsd. Abonnenten.
Das u.a. hier kurz erwähnte neue Format strg_f ganze 25 Tsd. Abrufe, die meisten dürften aus der RBTV Community stammen, denn bei strg_f arbeitet jetzt ein sehr beliebter ehemaliger RBTV Mitarbeiter. Ohne diese Verbindung wären es vielleicht 10 Tsd. Abrufe.
Hier wird Geld investiert, das überwiegend verpufft. Ich fürchte, dass die ÖRR es nicht schaffen werden, so die jungen Zielgruppen zu bedienen. Vermutlich hängt da noch zu viel Altlast im Hintergrund, auch wenn man die jungen Leute da machen lassen möchte.
Ich habe leider keine Lösung, nur die Feststellung, dass es so nicht laufen wird.
So, das ist mal wieder viel Text geworden. Nicht falsch verstehen, mir geht es primär nicht um die paar Euro für den Rundfunkbeitrag.
Ich sehe das wie Gottschalk: Rundfunk und Kirchensteuer zahlt man halt, auch wenn man es nicht nutzt und vieles davon für totalen Unsinn hält.
Mich interessiert die Strategie, die Digitalisierung, die Transformation dahinter und da sehe ich den ÖRR mit Tempo 100 gegen die Betonmauer fahren. (Das klassische Privat TV sitzt im Porsche der Manager bei Tempo 250)
02.03.2018 15:11 Uhr 4
Das größte Problem an solch einer doch gewollt interessant gewesenen Sendung ist aber, das sie viel zu spät kam. Absicht? Und dann noch einen extra Weltspiegel einfassen um den Talk dann noch weiter zu schieben? Mit Sicherheit. Mut hat Maischberger damit NICHT bewiesen. Mut wäre es, wenn solch eine Sendung, evtl von 18 bis 20 Uhr gebracht werden würde mit Zuschauer! Auf die Einspielungen ist man nicht immer eingegangen. Solch eine doch wichtige Sendung um eine Zeit zu bringen wo viele es schauen tun und wo die Zuschauer auch direkt beteiligt wären, das wäre Mut, aber sowas trauen sich ARD oder ZDF auf keinen Fall.
Das Fazit ist, es bleibt wie es ist und ändert sich nix. Also ARD und ZDF nicht mehr einschalten, es gibt weit bessere Programme, auch wenn die etwas kosten (aber weit weniger).
02.03.2018 15:14 Uhr 5
Wenn es wirklich eine vernünftige, seriöse (und vorausschauend planende) Kontrolle der ÖRR-Finanzen gegeben hätte, dann wären weder die horrenden Versorgungszahlungen noch Haushalts-Defizite entstanden. Projekte über 150.000,- Euro gegenzeichnen zu lassen ist noch keine richtige Kontrolle.
02.03.2018 15:56 Uhr 6
Man muss sich aber mal entscheiden. Man kann nich t immer "Netz, Netz, Netz, linear ist tot, tot, tot" schreien und dann so kommen. Wozu gibt's denn die Mediathek?
02.03.2018 18:12 Uhr 7
02.03.2018 18:21 Uhr 8
Seit wann sind die Grünen das Gegenstück zur AfD?
Das sind immer noch DKP und MLPD, und niemand sonst!
02.03.2018 18:31 Uhr 9
Und immer reden alle nur über ARD und ZDF. Was ist eigentlich mit dem Radio (ichweiß, jetzt kommt gleich wieder wer und meint "ICH brauch das nicht")? Das kann man schon mal gar nicht verschlüsseln. Werbung? Lässt sich damit eine ordentliche Kulturwelle finanzieren? Nein. Dann zahlen wir doch alle dafür einen kleinen Betrag, wird jetzt mancher sagen. Ach ja, für etwas, das erst recht eine Minderheit nutzt? Das will ich sehen ... :lol:
02.03.2018 19:05 Uhr 10
Man könnte digitales Radio natürlich auch verschlüsselt senden, man müsste dann nach DAB und DAB+ noch mal einen Standard DAB+2 einführen
Die Frage ist, ob man wirklich diese große Anzahl an Sendern noch braucht.
Hier hatte Kofler eine interessante Frage gestellt. Jahrzehntelang wurde der offizielle Grundversorgungsauftrag mit ARD/ZDF und den regionalen Dritten Programmen voll erfüllt. Es gab sogar einen Sendeschluss und noch mehr Wiederholungen.
Dann kamen das private TV mit unzähligen Sendern hinzu und später kam das Internet und hat Zugang zu Medienquellen erschaffen, die kein Mensch in 1000 Leben jemals konsumieren könnte.
Trotzdem wurde das Angebot von ARD/ZDF immer weiter ausgebaut. Wie passt das denn zusammen?