First Look

«The Crossing»: Flüchtlinge aus der Zukunft

von

In «The Crossing» bekommt Amerika ein Flüchtlingsproblem. Doch die Flüchtlinge kommen aus keinem entlegenen, fremden Ort. Sie kommen aus Amerika selbst: dem Amerika der Zukunft.

Cast & Crew

Produktion: Dworkin/Beattie, Brick Moon und ABC Studios
Schöpfer: Jay Beattie, Dan Dworkin und Matthew Fernandes
Darsteller: Steve Zahn, Natalie Martinez, Sandrine Holt, Tommy Bastow, Rob Campbell, Rick Gomez, Marcius W. Harris u.v.m.
Executive Producer: Matt Olmstead, Jason T. Reed, Jay Beattie, Dan Dworkin, Matthew Fernandes, Arthur Spanos, Vanessa Wong und David von Ancken
Als an der Küste seiner amerikanischen Kleinstadt Dutzende Menschen – manche tot, andere lebendig – angeschwemmt werden, ahnt Sherriff Jude Ellis (Steve Zahn) noch nicht, was auf ihn zukommt. Denn bei den ersten Befragungen nach einer großangelegten Rettungsaktion der Küstenwache geben die Geretteten Abenteuerliches von sich: Sie stammen aus einer fast zweihundert Jahre entfernten Zukunft. Einer Untergrundgruppe sei es gelungen, eine Zeitmaschine zu bauen, die sie ins Amerika des frühen einundzwanzigsten Jahrhunderts transportieren konnte, eine Ära, die sie the long peace nennen. Sie sind aus der Flucht vor Krieg und Genozid, schrecklichen Ereignissen, die ins Rollen kamen, nachdem die Gentechnik offensichtlich völlig aus dem Ruder gelaufen ist und Menschen mit übermenschlichen Fähigkeiten erschaffen wurden, die die Macht an sich gerissen haben und nun den Rest der Gesellschaft tyrannisieren.

Sowohl für den Sheriff und seine Deputys als auch für die eilig herbeigeeilten Vertreter der Bundesbehörden liegt es freilich nahe, das als spinnerten Humbug abzutun. Doch die Erzählungen der mehreren Dutzend Überlebenden sind in sich konsistent, widerspruchsfrei und seltsam glaubwürdig. Der Pilot von «The Crossing» hält nicht lange hinter dem Berg, dass diesen Schilderungen (zumindest fürs Erste) zu glauben ist, und er führt noch eine Reihe weiterführender Elemente ein, die den Grundstein für die ersten Konflikte der Serie liefern werden: Ein besonders redseliger und opportunistischer Flüchtling will gleich den US-Präsidenten sprechen, weil er Insiderinformationen liefern könne: Die frisch Angekommenen seien nicht die ersten Zeitreisenden – doch als er den ranghohen Beamten trifft, demgegenüber er diese Offenbarung leisten soll, wird ihm ganz anders. Außerdem befindet sich unter den Gestrandeten auch eine junge Frau mit erstaunlichen körperlichen Kräften, die darauf hindeuten, dass sie einiges an Gentechnik intus hat. Schon in seiner ersten Folge legt «The Crossing» damit nicht nur die Grundlage für einen Kampf zwischen Gut und Böse, samt Maulwurfsjagden und mahnenden Worten, sondern auch für ein paar Grautöne zwischen den moralischen Extremen.

Erzählerisch bleibt «The Crossing» jedoch unnötig häufig in den suboptimalen Aspekten des Konventionellen stecken: So kostet die Serie ihre tragischen Momente besonders klischeehaft und mitunter unangenehm voyeuristisch aus, während manche Plot-Ansätze – besonders die Kabbeleien zwischen dem bodenständigen Sheriff und den kühlen Bundesbehörden – so dutzendfach gesehen wie variationsarm erzählt sind.

Gelungen ist «The Crossing» die nicht immer subtile, aber trotzdem spannende und vielschichtig vorgestellte zweite Ebene, die eine nicht unbedingt fernliegende technologische Dystopie entwirft, ohne sie dem Zuschauer didaktisch einzuprügeln. Stattdessen führt uns die Serie – wenn man sich ob der kuriosen Umstände, die sie präsentiert, auf sie einlassen kann – vor, wie fragil unsere Gesellschaft ist, und wie gerade in einer globalen Welt die vermeintliche Stabilität schnell in das Unvorstellbare kippen könnte. Die «Terminator»-Reihe hat unterschwellig Ähnliches transportieren wollen – doch statt ins Action-Genre verpackt «The Crossing» dieses Untersuchungsfeld eben in ein Network-Drama.

In Deutschland hat Amazon Prime Video die Rechte an der neuen Serie erworben.

Kurz-URL: qmde.de/100116
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