Die Kritiker

«Ella Schön - Inselbegabung»

von

Annette Frier spielt eine betrogene Witwe mit Asperger-Syndrom: kein typischer Stoff für einen Herzkino-Film. Vielleicht funktioniert der Film gerade deshalb so gut.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Annette Frier als Ella Schön
Julia Richter als Christina Kieper
Rainer Reiners als Kollkamp
Josef Heynert als Jannis
Maximilian Ehrenreich als Ben Kieper
Zora Müller als Klara Kieper
Reiner Schöne als Teetz

Hinter der Kamera:
Produktion: Dreamtool Entertainment GmbH
Drehbuch: Simon X. Rost
Regie: Maurice Hübner
Kamera: Moritz Anton
Produzenten: Stefan Raiser und Felix Zackor
Ella Schön (Annette Frier) hat kürzlichen ihren Mann Thomas verloren. Knapp ein halbes Jahr nach seinem Tod reist sie in den hohen Norden, um dort ein Haus mit Grundstück abzuwickeln, das er ihr vererbt hat, von dessen Existenz sie aber erst kürzlich erfuhr. Dort angekommen, warten weitere unangenehme Neuigkeiten auf sie: In dem Haus wohnt nämlich Christiane Kieper (Julia Richter), die mit Thomas eine jahrzehntelange Affäre hatte, aus der auch Nachwuchs entstanden ist: Ihre Tochter Klara (Zora Müller) sowie das Kind, mit dem sie gerade schwanger ist.

Ella fällt es schwer, ihre Wut und Enttäuschung zu kommunizieren. Auf andere wirkt sie kalt und abweisend, unnötig distanziert, vielleicht gar bösartig. Ella hat Asperger und somit fällt es ihr schwer, die nonverbalen Gesprächsanteile ihres Gegenübers richtig zu deuten, und ihre eigenen Empfindungen und Wünsche kann sie nur auf eine für Außenstehende absonderliche Weise vortragen. In den eher zurückhaltend-distanzierten Fischkopp-Landstrichen ist sie da gar nicht so falsch, mag da ein Süddeutscher denken. Doch gewisse Konflikte scheinen auch hier unausweichlich.

Ella kann Christiane und ihre Kinder jedenfalls nicht sofort vor die Tür setzen, wenn auch allein aus juristischen und weniger aus empathischen Gründen: Thomas habe Christiane ein lebenslanges Wohnrecht eingeräumt und daran sei nun nichts zu rütteln. Ella beschließt, der Sache auf den Grund zu gehen, und will in dieser Zeit in einem Nebengebäude auf dem Grundstück kampieren. Im Laufe der nächsten Tage freundet sie sich mit Christianes Kindern an, die mit ihrer alterstypischen Offenheit schnell einen Zugang zu ihr finden, sowie mit einigen anderen Bewohnern des Landstrichs, denen sie bei ihren privaten rechtlichen Problemen hilft: Ella hat vor vielen Jahren nämlich Jura studiert, musste alle Versuche, im Referendariat zum Ziel zu kommen, aber abbrechen, weil es ihr an der nötigen Menschenkenntnis fehlte. Der gediegene, gutmütige Dorfanwalt ist aber ganz hin und weg von ihrer Kompetenz und Chuzpe. Der Grundstein für den Fortsetzungsfilm wäre damit auch schon gelegt.

Zumindest in diesem Film wird die Geschichte mit ausreichender narrativer Konsequenz erzählt, und das Drehbuch geht über den sonstigen Herzkino-typischen Eskapismus weit hinaus. «Ella Schön» ist eine Geschichte des Untypischen: Mitunter wegen ihres Asperger-Syndroms verarbeitet die Titelfigur die einschneidenden Erlebnisse, mit denen sie konfrontiert wird, bedeutend anders als die fernsehfilmhafte Durchschnittsfigur: distanzierter, zurückhaltender, und damit vielleicht auch kühler. Den genretypischen Stilmitteln – überemotionalisierende Dialoge und kitschige Phrasen – wird damit schon im Grundsatz ein Riegel vorgeschoben.

Genau das tut der Herzkino-Marke gut. Denn es beweist, dass ein Stoff gerade dann sinnvoll emotional erzählt werden kann, wenn diese Emotionalität nicht andauernd durch zum Klischee gewordene Übertreibungen forciert wird, und wenn die Lebensrealität der Figuren plastischer und vielschichtiger dargestellt wird als in Form von Pilcher’esken Schmonzetten.

Anders als bei den meisten Herzkino-Filmen bildet bei «Ella Schön» tatsächlich eine erzählenswerte Geschichte den Kern des Stoffes, die aus einem interessanten Blickwinkel und mit im Detail gerne komödiantisch überspitzten Motiven (einem omnipräsenten Shanty-Chor und dem nordisch-distanzierten Figurenpersonal im Ort), aber im Wesentlichen nah genug am Tatsächlichen erzählt wird, damit schließlich doch so etwas wie eine Botschaft verfangen kann: eine Botschaft von Akzeptanz und Offenheit, von Verzeihung und Hoffnung. Im Unterschied zum Herzkino-Normalbetrieb werden diese Werte allerdings angenehm subtil eingeführt und vorgestellt, anstatt mühsam dialogisiert werden zu müssen.

Das ZDF zeigt «Ella Schön – Inselbegabung» am Sonntag, den 8. April um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/100158
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger ArtikelNach vier Staffeln: Amazon stellt «Mozart in the Jungle» einnächster ArtikelAus 4 mach 1: Die Daily-Pläne von Sat.1
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel
Weitere Neuigkeiten

Optionen

Drucken Merken Leserbrief




E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung