Hingeschaut

Die letzte Sitzung vor der Sommerpause: «Dr. Böhmermanns Struwwelpeter»

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Von den Machern von «Neo Magazin Royale»: Mit «Dr. Böhmermanns Struwwelpeter» beweist die bildundtonfabrik wieder einmal, was in ihr steckt.

Die Darsteller

  • Jan Böhmermann
  • Devid Striesow
  • Annette Frier
  • Kida Ramadan
  • Ralf Kabelka
  • Anna Schudt
  • Marlene Lufen
  • Larissa Rieß
  • Florentin Will
  • William Cohn
  • und andere ...
Die «Neo Magazin Royale»-Sommerpause steht vor der Tür. Doch bevor sich die Comedyshow verabschiedet, hat die bildundtonfabrik noch ein besonderes Bonbon in petto: Das Special «Dr. Böhmermanns Struwwelpeter», in dem Jan Böhmermann, Sidekick Ralf Kabelka, die wiederkehrende Gästin Larissa Rieß und zahlreiche weitere große und kleine Namen einen Klassiker der deutschen Kinderliteratur neu interpretieren. Und wie es sich für die Produktionsfirma hinter dem «Neo Magazin Royale», «Gute Arbeit Originals» und «Kroymann» gehört, kommt diese Neuinterpretation natürlich mit einer tüchtigen Prise Ironie und Irreverenz daher.

Das halbstündige Special knöpft sich vier Geschichten aus dem viel übersetzten, neu aufgelegten und adaptierten Kinderbuch «Struwwelpeter» des Psychiaters Heinrich Hoffmann vor. Das berühmte, aber auch berüchtigte (und mit etwas Abstand von einigen Kulturwächtern wieder umso stärker gefeierte) Stück deutscher Abschreckpädagogik aus dem Jahr 1844 wird exemplarisch auf die Storys "Die Geschichte vom Daumenlutscher", "Die Geschichte vom Hanns Guck-in-die-Luft", "Die gar traurige Geschichte mit dem Feuerzeug" und "Die Geschichte vom fliegenden Robert" reduziert. Verbunden werden die stilistisch unterschiedlichen, aber allesamt mit spürbarer Passion gefilmten Episoden durch eine Rahmenhandlung rund um die öffentlich-rechtliche Kindertagesstätte 'Rattennest'.

Die Geschehnisse in der fiktiven KiTa werden vor allem die «fest und flauschig»-Stammhörerschaft aufhorchen lassen, selbst wenn sie universellen Reiz hat: Böhmermann begrüßt das TV-Publikum im 'Rattennest' und lässt es Mäuschen bei einer Elternsitzung spielen. Dort scharen sich Klischee-Elternpaare noch und nöcher: Die Business-Eltern, die am Smartphone kleben. Die Hippies. Der sorgenvolle Vater, der einfach nur über Lebensmittelunverträglichkeiten sprechen will. Die "Systemkritiker", die man vor wenigen Jahren einfach nur skeptische, Verschwörungstheorien auf den Leim gehende, spießige Ausländerfeinde genannt hätte. Einige Monate, nachdem Böhermann sich in seinem gemeinsam mit Olli Schulz geführten Podcast über die Elternpest in KiTas aufgeregt hat, kommen hier einige seiner Eindrücke nochmal visualisiert zum Vorschein – neckisch überspitzt und versehen mit einer amüsiert-verzweifelten "Wenn alle Eltern auf andere Weise schlimm sind, wie soll denn die nächste Generation was werden?"-Beinote.

Böhmermanns trocken-verschmitztes Urteil: "Die Eltern sind verloren, aber wir können noch immer die Kinder retten." Wie, das bleibt jedoch (gezielt) unbeantwortet, denn in «Dr. Böhmermanns Struwwelpeter» bekommen autoritäre und antiautoritäre Erziehungsstile ihr Fett weg – ebenso, wie Heinrich Hoffmanns Kinderbuchklassiker allerhand Seitenhiebe wegstecken muss, wohl aber auch ein paar Momente der Anerkennung erhält.

Das Sprungbrett zur Episode "Die Geschichte vom fliegenden Robert" ist etwa die verwunderte Feststellung, dass einst Kinder vorm unbedachten Rausgehen gewarnt werden mussten und heutzutage der Klischee-Elternspruch dagegen ein "Geh doch mal vor die Tür!" ist. In "Die gar traurige Geschichte mit dem Feuerzeug" schnauzt Larissa Rieß in der Rolle einer Digital-Native-Pauline wiederum, dass ihre Geschichte schon 1844 übertriebene Panikmache dargestellt hat. Ganz davon zu schweigen, dass ihre «Roger Rabbit»-artige Parade cartoonesker Missgeschicke suggeriert, dass die von Hoffmann propagierten Verbotsmaßnahmen nur den Forbidden-Fruit-Effekt wachrufen.

Die mit witzigen Randgags vollgestopfte «Struwwelpeter»-Persiflage ist in ihrem Mix aus Modernisierung, Dekonstruktion, Meta-Witzeleien und Popkulturreferenzen in exzentrisch angehauchter Hochglanzoptik natürlich so etwas wie die Fortsetzung des 2017er-Specials «Die letzte Stunde vor den Ferien». Und davon dürfte es liebend gerne mehr von Böhmermann und der bildundtonfabrik geben. Schließlich sind sie fähig, Marktlücken zu schließen, von denen vorab niemand wusste, dass sie geschlossen werden müssen: Wenn nicht die btf Hanns Guck-in-die-Luft als Verschwörungstheoretiker umdeutet und den Daumenlutscher als Opfer der Leistungsgesellschaft, wer dann? Fernsehdeutschland braucht diesen smart-kompetenten Gagahumor.

Eine die Ferien überdauernde Hausaufgabe für das ZDF lautet daher: Lass der btf mehr Freiraum, damit sie mehr Spielereien wie «Dr. Böhmermanns Struwwelpeter», «Unternehmen Reichspark» oder «Die letzte Stunde vor den Ferien» machen kann. Der «Neo Magazin Royale»-Programmplatz darf gerne zur unvorhersehbaren Wundertüte werden, bei der alle paar Wochen an Stelle einer regulären Ausgabe irgendein fiktionaler Wahnsinn aufploppt. Das Team kann es, das Publikum verdient es!

«Dr. Böhmermanns Struwwelpeter» ist am Freitag, den 8. Juni, ab 23 Uhr im ZDF zu sehen sowie am Donnerstag, den 14. Juni, ab 22.15 Uhr in ZDFneo.

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