Weitere geplante RTL-Sozialdokus
- am 7. August zeigt der Sender vorerst einmalig «2 Familien 2 Welten», in der eine wohlhabende und eine von Hart IV lebende Familie Einblicke in ihre jeweilige Welt geben
- schon am 31. Juli ersetzt zudem «Reich trifft Arm - Das Sozialexperiment» das nach zwei Wochen endende «Deutschland direkt»
Denn auch für sie bietet die Partizipation an dem von Endemol Shine Germany produzierten Format sprichwörtlich einen Koffer voller Chancen, ist es ihr doch in den vergangenen beiden Jahren bestenfalls in Ansätzen gelungen, sich in der medialen Wahrnehmung ihrer Kunstfigur Cindy aus Marzahn zu entledigen und als ernsthafte Reporterin zum Themenspektrum soziale Ungleichheit wahrgenommen zu werden. Hier aber darf sie nun neben dem Politiker und Sozialexperten Heinz Buschkowsky sowie dem Gründungsexperten Felix Thönnessen ebenfalls eine Expertenrolle einnehmen und die teilnehmenden Familien auf ihrem Weg raus aus der Sackgasse Hartz IV begleiten. Die Idee: Arbeitslose bekommen ihre Leistungen vom Amt nicht monatlich ausgezahlt, sondern den gesamten Brutto-Jahresbezug (je nach Größe der Familien zwischen ca. 25.000 und 35.000 Euro) auf einmal vorgelegt und sollen sich damit frei von den ganz großen Geldsorgen eine neue Existenz aufbauen können - gemeinsam mit den drei Experten, wenn sie deren Hilfe erbitten, oder gänzlich auf sich alleine gestellt. Ein starkes Konzept, das RTL bereits in der ersten Folge überwiegend überzeugend umgesetzt kriegt.
Relevante Grundidee, angenehm umgesetzt
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Für die erste Folge beschränkt man sich bei der Antwortfindung auf zwei Familien, die beide mit emotionalen Vorstellungsfilmen als geeignete Kandidaten auserkoren werden: Ein Paar mit zwei kleinen Kindern, die unverschuldet in die Hartz-IV-Falle gerutscht sind, nachdem der Familienvater von einem Gerüst fiel und seine Tätigkeit als Maurer nicht mehr ausüben konnte. Und eine Mutter mit fünf (teilweise schon erwachsenen) Kindern, deren Männer sie mit den Zöglingen im Regen stehen ließ. Diese Fokussierung auf nur zwei Geschichten ist sehr zu begrüßen, da man als Zuschauer somit recht schnell eine Bindung zu den Familien aufbauen kann und nicht mit Personen und Geschehnissen überfrachtet wird. Und das ist insbesondere für eine private Fernsehsendung, die ja ganz wesentlich auch darauf abzielt, ihr Publikum zu unterhalten und berühren, ein starkes Gütekriterium.
Zumal «Zahltag!» ja zumindest teilweise auch davon lebt, dass der Zuschauer vor dem heimischen Fernsehgerät nur einer von vier Rezipienten ist, der das gefilmte Material von den Familien auf sich wirken lässt. Parallel dazu geben ja auch Bessin, Buschkowsky und Thönnessen ihre Eindrücke wieder, was sinnhaft nur dann funktionieren kann, wenn sie ähnlich umfangreiche Impressionen von den Familien dargeboten bekommen wie der Fernsehende. Insofern macht es Sinn, relativ viel Material von relativ wenigen Teilnehmern zu zeigen, um nicht den unbefriedigenden Eindruck aufkommen zu lassen, als TV-Zuschauer bekomme man ohnehin kaum etwas mit. Doch keine Sorge: Zäh wird es in der zweistündigen Folge dennoch nie und Zeitsprünge über mehrere Wochen finden durchaus statt - was anders auch kaum realisierbar ist, wenn über viele Monate hinweg gefilmtes Material auf gerade einmal drei Zweistünder reduziert werden will.
Bipolarität bei den Familien - und im Expertentrio
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Die Zusammenarbeit des Expertentrios wiederum ist als konfliktiv zu bezeichnen, was insbesondere der Anwesenheit Heinz Buschkowskys geschuldet ist. Während seine Kollegen eher zurückhaltend dabei agieren, das Verhalten der Teilnehmer zu problematisieren und auch die eine oder andere nicht ganz so existenzielle Investition auf die emotionale Ausnahmesituation der Menschen attribuieren, gibt der ehemalige Bürgermeister von Berlin-Neukölln gleich den Mahner und Skeptiker und erinnert rasch daran, dass mit dem Geld doch bitte sinnvolle Unternehmungen anzustellen sind. Damit nimmt er schnell eine Außenseiter-Rolle ein, die er selbst forciert, indem er schnell die beleidigte Leberwurst mimt und sich häufig auch schon durch Kleinigkeiten angegriffen fühlt.
Während seine arg defizitorientierte Grundhaltung in Bezug auf das Handeln der Familien partiell noch näher an der Wahrheit zu sein scheint als die eher positive und offene Herangehensweise von Bessin und Thönnessen, entpuppt sich sein Verhalten spätestens in einem Moment als eher destruktiv und miesepetrig, in dem er seinen Kollegen die Freude über das Aufblühen eines Teenagers in einer Sportmannschaft mit dem Verweis auf dessen Schulschwänzen madig macht - selbst aber keinerlei alternative Herangehensweise aufzeigen kann, um den jungen Mann zu fördern. Spätestens hier wirkt die Stimmung innerhalb des Expertentrios nicht mehr auf eine konstruktive und förderliche Weise konfliktiv, sondern nahe an der Eiseskälte. Hier müssen die Beteiligten aufpassen, dass ihnen die ansonsten durchaus interessanten Impulse aus dem Expertenzimmer nicht komplett entgleiten.
Fazit: Eine Bereicherung für den Trend der authentischen Sozialdoku
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Intelligent ist ferner die Entscheidung des Senders, nach «Zahltag!» mit «Armes Reiches Deutschland» und «Deutschland direkt! Wenn das Geld hinten und vorne nicht reicht» noch zwei weitere Neustarts auszustrahlen, die sich der sozialen Frage annehmen - in ersterer Sendung übrigens sogar ebenfalls mit Ilka Bessin. Inwiefern der plötzliche Aktionismus in der RTL-Programmführung, das neue Abendprogramm schon jetzt und nicht erst wie geplant in zwei Wochen auszustrahlen, ist hingegen fraglich. Einige potenzielle Zuschauer dürften somit verloren gehen, da sie nur die obligatorische «Bones»-Dauerschleife und mit Sicherheit kein dokumentarisches Format erwarten. Das gefährdet den Auftakterfolg des ambitionierten Primetime-Programms latent. Ansonsten gilt: Einschalten, es lohnt sich.
RTL zeigt zwei weitere Folgen von «Zahltag!» in den kommenden beiden Wochen dienstags um 20:15 Uhr.
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