Die Handlung
Filmfacts: «LenaLove»
- Drebuch und Regie: Florian Gaag
- Produktion: Tatjana Bonnet, Viktor Jakovleski
- Darsteller: Emilia Schüle, Jannik Schümann, Kyra Sophia Kahre, Anna Bederke, Sina Tkotsch
- Musik: Richard Ruzicka
- Kamera: Christian Rein
- Schnitt: Kai Schröter
- Veröffentlichungsjahr: 2016
- Laufzeit: 95 Minuten
- FSK: ab 12 Jahren
Die 6 glorreichen Aspekte
Je länger die tägliche Durchschnittsdauer unser aller Internetaktivitäten, desto intensiver setzt sich auch die Popkultur mit dieser Thematik auseinander. Regisseur Florian Gaag («Wholetrain») fährt gut damit, sein Teenie-Drama «LenaLove» ganz gezielt an die Sehgewohnheiten der Unter-Zwanzig-Jährigen anzupassen. Bei diesem Zielpublikum dürfte die Geschichte um ein im Internet zur Schau gestelltes Mädchen ein regelrechter Selbstgänger sein. Doch auch abseits dessen hat Gaags Film Einiges zu bieten. Der Regisseur integriert Social-Media-Aktivitäten und Online-Identitäten wie selbstverständlich in einen Film, der auch ohne diesen Schwerpunkt ganz hervorragend funktionieren würde. In erster Linie ist «LenaLove» ein Film über missverstandene Kommunikation, bei der es vollkommen irrelevant ist, ob diese nun online oder im Real Life stattfindet. Letzteres spielt nämlich eine ziemlich große Rolle, denn für Hauptfigur Lena wird das Umfeld aus Freunden und Schule irgendwann zum Spießroutenlauf.
Schon die Tatsache, dass Hauptdarstellerin Emilia Schüle («Boy 7») mit ihren 23 Jahren die Tochter der 35-jährigen Anna Bederke («Soul Kitchen») spielt, ist nur auf den ersten Blick befremdlich. Zum einen wirkt die Interaktion zwischen den beiden Frauen sehr wohl wie eine authentische Mutter-Tochter-Beziehung, zum anderen unterstreicht es unterbewusst aber auch, wie Generationen heutzutage ineinander verschwimmen. Möglichst schnell erwachsen werden lautet da die Devise. Gleichermaßen scheuen viele Erwachsene ab einem gewissen Alter den Prozess des Älterwerdens. Online können wir sein, wie und wer wir wollen. Die Grenzen der Realität verschwimmen hier zusehends und wenn sich die in der Schule sukzessive gemiedene Außenseiterin Lena im World Wide Web in die selbstbewusste LenaLove verwandelt, muss eine Person plötzlich zwei Identitäten in sich vereinen. Damit verzichtet Florian Gaag bei der Inszenierung seines Films auf billige Vorschlaghammer-Moralitäten. Mehr noch: Eine ausformulierte Anklage lässt der gebürtige Bamberger direkt ganz außen vor. Stattdessen lässt er den Prozess der Erkenntnis für sich sprechen, indem er die innere Zerreißprobe der Protagonistin in den Fokus rückt.
Dabei ist dieser weit mehr als ein simpler Reifeprozess. Unter dem Verzicht auf abgegriffene „Das Internet ist böse!“-Plattitüden, betrachtet das Skript zu «LenaLove» (ebenfalls Florian Gaag) gleichsam die nicht zu leugnende Wichtigkeit des World Wide Web und hebt das Internet in seiner Selbstverständlichkeit auf eine Stufe mit dem Real Life. Das ist spannend und richtig, denn nur, wer begriffen hat, dass die Jugend von heute genau diese Ansicht teilt, kann jene auch abholen, wenn er sie in die Kinosäle lockt.
Insofern ist es dem authentischen Feeling nur zuträglich, dass Florian Gaag eine allzu stringente Erzählweise vermeidet. Mitunter ließe sich hier durchaus das negativ behaftete Adjektiv „sprunghaft“ verwenden, gleichzeitig entwickelt «LenaLove» erst durch diese sehr individuelle Art der Inszenierung seinen ganz eigenen Sog. Mal erzählt der Film die Liebelei zwischen Lena und Tim (in seiner Unnahbarkeit stark: Jannik Schümann) auf recht konventionelle Art und Weise, dann wiederum greift Gaag gar auf Klischees zurück, wenn er das Schulbiest Nicole einen fiesen Vergiftungsanschlag auf Lena ausüben lässt, oder ebenjenen Streich in Gang bringt, der die Hauptfigur denken lässt, in Wirklichkeit würde sie mit einem attraktiven jungen Mann chatten, in Wirklichkeit stecken jedoch ihre Schulfeindinnen dahinter. Doch die lebensnahen Dialoge sowie die vielschichtig gezeichneten Figuren lassen selbst die abgegriffensten Ideen so erscheinen, als wäre Gaag der erste, der sie in einem Film unterbringt.
Auch die Entscheidung, den Grund für einige der Taten nur anzureißen, lässt sich auf das echte Leben (gerade auf den Alltag Pubertierender) übertragen – schließlich wissen wir auch nicht immer, wie es zu einer Auseinandersetzung kam. Plötzlich steht sie einfach im Raum. So entwickelt «LenaLove» schon bald eine Atmosphäre von nicht greifbarer Spannung, die Teenies und Jugendliche vor allem deshalb ansprechen wird, weil sie ein Gefühlschaos wiederspiegelt, das stellvertretend eine ganze Generation betrifft – wodurch sich der Kreis zu jener Verwirrtheit schließt, die damit verbunden ist, unser Ich mit dem Online-Ich unter einen Hut zu bringen. Damit verbindet der Film zwei elementare Dinge, die im Leben der anvisierten Zielgruppe von heute wichtig sind: Das Internet und das Leben an der Schule. Und beides wird in «LenaLove» zu einer gefährlichen Umgebung.
«LenaLove» ist auf DVD erschienen sowie via Amazon, Maxdome, Videobuster, Videoload, videociety und freenet Video abrufbar.
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