Hingeschaut

Böhmermann, die bildundtonfabrik und der Special-Reigen

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Ausbruch aus dem Late-Night-Alltag: Das «Neo Magazin Royale» versucht es diesen Monat mit einem Wechsel aus normalen Folgen und Specials. Eine gute Sache!

Erst geht es nach Sachsen, dann zurück nach Köln-Ehrenfeld, dann zur Psychologin und in Jan Böhmermanns Kindheit. Eine sonderbare Reiseroute, die das «Neo Magazin Royale» diesen Monat einschlägt – und eine sehr willkommene. Wenn sich die bildundtonfabrik austobt, statt Routine vorherrschen zu lassen, blüht das Team hinter dem «Neo Magazin Royale» schließlich so richtig auf. Die Crew hinter Jan Böhmermanns ebenso satirischer wie alberner Comedysendung kann zwar auch Late-Night-Alltag, aber wenn sie sich einen guten Spritzer Unberechenbarkeit gönnt, etwa mit einer «Struwwelpeter»-Persiflage oder einer Fake-Dokumentation über einen Holocaust-Freizeitpark, sprühen einfach mehr humoristische Funken. Als stecke da einfach noch mehr Passion und Ambition drin, als in Fließbandrubriken oder im alltäglichen Stand-up. Und wer würde es dem Showteam verdenken? Wer wöchentlich exakt das gleiche geboten bekommen möchte, hat immerhin genügend andere Anlaufstellen in der Medienlandschaft.

Dass aus rein logistischen Gründen nicht jede Woche etwas vom Format der Einspielschleife oder "Ich hab Polizei" produziert und veröffentlicht werden kann, steht dabei außer Frage. Trotzdem ist es löblich, dass die «Neo Magazin Royale»-Köpfe nach Wegen suchen, den Showalltag in steigender Taktung und mit immer neuen Mitteln aufzulockern. Derzeit vermehrt mit Sonderfolgen. So wie halt am 4. Oktober mit einer Ausgabe aus der Staatsoperette Sachsen in Dresden. Dieses Special hat sich zwar mit mehr Alltäglichkeit als erwartet nicht als eines der absoluten Glanzlichter der «Neo Magazin Royale»-Historie behauptet, trotzdem ist es erstaunlich, was schon ein schlichter Tapetenwechsel für die Wirkung einer Show bewegen kann. Und darüber hinaus führte der Dresden-Besuch zum fast einstündigen, sehenswerten "Werkstattgespräch", das als Online-Exklusivmaterial veröffentlicht wurde.




Auf den Sachsen-Trip folgte erst einmal wieder eine ganz normale Ausgabe, doch bloß sieben weitere Tage später wurde der Alltag im «Neo Magazin Royale» erneut gebrochen. Denn die beliebte, unregelmäßige Rubrik «Young Böhmermann» eroberte sich den «Neo Magazin Royale»-Slot und durfte nun einmal in episodenfüllender Länge ran – mit neuen Szenen und dem bereits bekannten Material. Erfrischend, selbstironisch und mit einer gesunden Dosis an Kalauern stellt sich diese «Young Sheldon»-Parodie vor, wie wohl Jan Böhmermanns Kindheit gelaufen sein muss. Ganz davon abgesehen, dass der Darsteller des jungen Jan Böhmermanns diverse Kinderschauspieler Fernsehdeutschlands in den Schatten stellt, ist «Young Böhmermann» vor allem deshalb so vergnüglich, weil die Rubrik (und das Special zur Rubrik) auf locker-beiläufige Weise ein Prequel-Klischee nach dem nächsten durch den Kakao zieht.

Selbstredend ist der Protagonist ein hochintelligenter Besserwisser. Das machte nicht nur «Young Sheldon» vor, sondern auch «Star War – Episode I» – und wenn man so will, hat sich auch «X-Men – Erste Entscheidung» in etwas anderer Form dessen schuldig gemacht. Und natürlich werden bereits im Prequel-Alltag des Serienhelden mit hoher Frequenz die Weichen für Dinge gelegt, für die die erwachsene Form bekannt ist. Ein Han Solo hat natürlich eine emotionale Vorgeschichte für seinen Blaster, ein Sheldon Cooper kommt noch als kleiner Bub auf die Idee, wie wichtig eine Mitbewohnerverordnung ist und der Gedanke eines Schmähgedichtes kommt Jan Böhmermann selbstredend bereits im Klassenzimmer.

Garniert wird «Young Böhmermann», egal ob im Special oder in der unregelmäßigen Rubrik, mit Seitenhieben auf andere Medienpersönlichkeiten. Joko und Klaas gingen natürlich auf dieselbe Schule wie Böhmermann (ein weiteres Prequel-Klischee: Die Welt ist klein, so klein), und haben bereits als Schüler "Wenn ich du wäre" gespielt. Und der junge Olli Schulz hat sich 1:1 so benommen wie der heutige «fest und flauschig»-Partner an Böhmermanns Seite. Man erkennt: Anders als etwa «Die letzte Stunde vor den Ferien» zielt es «Young Böhmermann» auf das Stammpublikum ab – das im Idealfall auch Böhmermanns Podcast hört und sich mit dem Schaffen seiner engen Kollegen befasst. «Circus HalliGalli»-Kenntnisse können auch nicht schaden …

Allgemeinverständlicher ist da schon die ständige Selbstironie: Das große «Young Böhmermann»-Special zeigt den «Neo Magazin Royale»-Moderator als eher erfolglosen Spartenkasper, dem das ZDF nur ungern eine Sendung im Hauptprogramm spendieren würde. Ein Psychologengespräch soll die unberechenbare Person daher genauer durchleuchten. Mit einer gut aufgelegten Heike Makatsch als Psychologin und weiteren Cameos (darunter auch von Luke Mockridge, der so ebenfalls Selbstironie und Kritikfähigkeit erweist, immerhin verlor Böhmermann in der Vergangenheit wenig gute Worte über ihn) positioniert sich die große «Young Böhmermann»-Folge als weiteres, denkwürdiges «Neo Magazin Royale»-Kleinod. Und der nächste Tapetenwechsel steht bereits vor der Tür: Am 2. November heißt es wieder «Lass dich überwachen»!

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