Die Kino-Kritiker

«Widows - Tödliche Witwen» - Der Film zur Achtzigerjahre-Krimiserie

von   |  1 Kommentar

Steve McQueen hat für sein Thrillerdrama «Widows» die erste Staffel einer Achtzigerjahre-Fernsehserie adaptiert. Genau das ist dem Film, dessen edle Inszenierung und starker Cast zu den großen Vorzügen gehören, aber auch leider anzumerken.

Filmfacts: «Widows»

  • Start: 6. Dezember 2018
  • Genre: Thriller/Drama
  • Laufzeit: 129 Min.
  • FSK: 16
  • Kamera: Sean Bobbitt
  • Musik: Hans Zimmer
  • Buch: Gillian Flynn, Steve McQueen
  • Regie: Steve McQueen
  • Darsteller: Colin Farrell, Cynthia Erivo, Daniel Kaluuya, Elizabeth Debicki, Liam Neeson, Michelle Rodriguez, Viola Davis
  • OT: Widows (UK/USA 2018)
Mit 13 Jahren befasste sich Regisseur Steve McQueen («12 Years a Slave») erstmals mit der TV-Serie «Widows». Die auf zwei Staffeln aufgeteilten zwölf Episoden des von Lynda La Plante inszenierten Formats, das in den frühen Achtzigerjahren auf ITV ausgestrahlt wurde, behandelt in der ersten Staffel die Pläne dreier Witwen, die nach dem Tod ihrer Gangster-Ehemänner einen Raubüberfall planen, um die Schulden zu begleichen, die ihnen ihre Gatten hinterlassen haben. In der zweiten Season geht es schließlich um die Folgen und Konsequenzen für sie und ihr Umfeld. «Gone Girl»-Autorin Gillian Flynn sah in dem Stoff der ersten sechs Folgen das Potenzial, ihn in eine rund zweistündige Filmhandlung zu pressen. Anschließend übergab sie ihr Skript an McQueen, der sich nun so weit wie möglich an die Vorlage hält; wie es eben geht, wenn man plötzlich nur noch 129 anstatt 289 Minuten Zeit hat und dem gesellschaftspolitischen Unterbau des anders als im Trailer angedeutet nur nebenbei abgehandelten Heists trotzdem genauso viel Aufmerksamkeit schenken will, wie in der Serie.

Da McQueen ein sehr stilsicherer Regisseur ist, geht das auch zu weiten Teilen gut, doch man merkt trotzdem, dass der Stoff eigentlich dafür gemacht ist, viel intensiver und ausführlicher auserzählt zu werden.

Wenn Gut und Böse verschwimmen


Im heutigen Chicago und in einer Zeit des Aufruhrs kommt es zu wachsenden Spannungen, als Veronica (Viola Davis), Alice (Elizabeth Debicki) und Linda (Michelle Rodriguez) ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen. Ihre tödlich verunglückten Ehemänner haben ihnen eine Schuld hinterlassen: zwei Millionen Dollar, die sie auftreiben müssen, um genau diese Schuld zu begleichen. Sonst geraten sie in die Fänge der Unterwelt von Chicago, aus der es kein Entkommen gibt. Gemeinsam mit der Friseurin Belle (Cynthia Erivo), die sich als ausgezeichnete Fluchtwagenfahrerin erweist, schmieden einen Komplott, um sich eine Zukunft ganz nach ihren eigenen Vorstellungen und Wünschen zu erschaffen. Dazu gehört auch ein Überfall, bei dem sie sich viel Geld unter den Nagel reißen wollen. Doch dabei haben sie die Rechnung ohne die Menschen gemacht, die so lange nicht warten wollen und den Frauen immer wieder auflauern…

Ein solches (Frauen-)Ensemble wie in «Widows – Tödliche Witwen» (der deutsche Untertitel ist leider irreführend) hat man im Mainstreamkino vermutlich noch nie gesehen. Denn anders als etwa in der ebenfalls 2018 erschienenen Frauenkonstellation aus «Ocean’s 8» oder der ausschließlich weiblichen Comedy-Truppe im «Ghostbusters»-Remake mimen Viola Davis ([Fences]]), Elizabeth Debicki («Codename U.N.C.L.E.»), Michelle Rodriguez («Fast & Furious 8») und Cynthia Erivo («Bad Times at the El Royale») hier kein auf einen größtmöglichen Entertainmentfaktor zusammengecastetes Femme-Fatale-Power-Quartett, sondern einen Zusammenschluss von vom Schicksal gebeutelter Witwen, die nur deshalb zusammenhalten, weil sie es eben müssen, um ihre Ziele zu erreichen. Entsprechend angespannt ist auch die Stimmung unter den allesamt hervorragend aufspielenden Darstellerinnen. Für kleine Frotzeleien, coole One-Liner oder aufmunternde Sprüche ist in «Widows» kein Platz.

Die Grundstimmung des Films wird mit dem Tod Liam Neesons («The Communter») vorgegeben, dessen von Davis gespielte Ehefrau anschließend in den Fokus der Story gerät. Viel bekommt man von dem sehr schnell auseinander gerissenen Ehepaar zwar nicht mit, doch nicht nur die Interaktion unter den beiden ist so umwerfend lebensecht, dass es gar nicht mehr bedarf, um die Chemie zwischen den beiden am eigenen Leib zu spüren, auch die Selbstverständlichkeit, mit der hier die Ehe eines weißen Mannes und einer schwarzen Frau dargestellt wird, sucht ihresgleichen.

Starkes Ensemble, starke Inszenierung, gutes Skript


Während das Skript die emotionale Verfassung der vier Frauen sehr behutsam und zu Steve McQueens bisheriger Filmauswahl passend (seine Geschichten befassen sich auf einer Ebene immer mit dem Thema Schmerz) auch schmerzhaft einfängt, dringt er in die Chicagoer Unterwelt leider nicht so intensiv vor. Das kann er auf dem beengten Raum eines zweistündigen Films auch gar nicht, denn die vielen von ihm angerissenen Thematiken bedürften einfach einer weitaus üppigeren Betrachtung. Der Zusammenhang zwischen dem Wahlkampf des glaubhaft unangenehm von Colin Farrell («The Killing of a Sacred Deer») verkörperten Jack Mulligan, den Machenschaften der von dem unberechenbaren Geldeintreiber Jatemme («Get Out»-Star Daniel Kaluuya) angeführten Gangster und den Heist-Vorbereitungen der Frauen ist zwar durchgehend ersichtlich, doch mehr als die Erkenntnis, dass die Grenzen zwischen politischen und kriminellen Machenschaften hier verschwimmen, ergibt sich aus den Ereignissen nicht.

Da ist es schon deutlich spannender, die Beweggründe der Frauen zu betrachten, denn diese stehen letztlich auch nur stellvertretend für eine ganze Menschengruppe, die in dieser Gesellschaft zum Zuschauen verdammt ist und sich erst durch so eine aufsehenerregende Aktion Gehör verschaffen kann.

Obwohl der Trailer den spektakulären Raubzug der vier Frauen so sehr in den Mittelpunkt rückt, dass der Eindruck entsteht, es hierbei mit einem knallharten Actionthriller zu tun zu haben, gleicht der erst im letzten Drittel stattfindende Heist mitsamt seiner Auflösung fast schon einem Understatement. Andere wiederum werden darin vielleicht sogar eine kalkulierte Irreführung sehen – so ein adrenalingeladener Film über einen groß angelegten Diebstahl lässt sich einfach viel besser vermarkten, als ein mit gesellschaftskritischen Untertönen versehenes Charakterdrama. Aus technischer Sicht löst «Widows» sein Versprechen dagegen schon eher ein. Die zwischen edgy und elegant variierende Bildsprache von Kameramann Sean Bobbitt («Stronger») steht dem betont düsteren Film hervorragend zu Gesicht und auch Hans Zimmer («Blade Runner 2049») beweist wieder einmal, dass es manchmal nur wenige prägnante Akkorde benötigt, um eine Filmszenerie aufzuwerten und den Zuschauer noch mehr in ihren Bann zu ziehen.

Das versucht die Autorin in der zweiten Hälfte übrigens auch noch mit einem leider sehr konstruierten Twist. Hier hätte es tatsächlich ausgereicht, die Geschichte einfach so für sich stehen zu lassen und auch kleinere Längen in Kauf zu nehmen, anstatt sich auf den letzten Metern noch an einer erzählerischen Effekthascherei zu bedienen, die der ansonsten so zurückhaltenden Inszenierung einfach nicht gerecht wird.

Fazit


Mit seinem unkonventionellen Thriller «Widows – Tödliche Witwen» lädt sich Regisseur Steve McQueen eine große Bürde auf. In seinem Film kommen Milieustudie, Heistmovie und Charakterdrama zusammen. Die Serienvorlage brachte dafür sechs Folgen auf. Das merkt man dem Film an, der hier und da oberflächlich bleibt und nicht alle Ambitionen unter einen Hut bekommt.

«Widows – Tödliche Witwen» ist ab dem 6. Dezember in den deutschen Kinos zu sehen.

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Sentinel2003
07.12.2018 11:05 Uhr 1
Ehrlich, hatte ich mit viel mehr Action gerechnet :roll: ....der Film ist nicht schlecht, aber, der Titel hört und liest sich nach nem Actioner an, nicht nach nem "normalem" Thriller!
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