Damit wir uns nicht falsch verstehen: Politik-Serien sind ein eigenes, mittlerweile recht beliebtes Genre. Dazu zählen etwa Hit-Formate wie «House of Cards», «The West Wing», «Veep», «Scandal» oder «Madam Secretary». Sie alle beleuchten in irgendeiner Weise das Politikgeschäft in den USA, wirklich konkrete Einstellungen zu bestimmten politischen Standpunkten vermitteln sie allerdings selten. Mit dem Trend hin zu mehr Politik, ist gemeint, dass US-Serien immer häufiger mehr oder weniger unterschwellige politische Meinungen zu konkreten Debatten ins Programm einfließen lassen und sich damit auf eine Seite des politischen Diskurses stellen.
Politische Serien sind Ergebnis eines politisierten Alltags
Eine Erklärung für die zunehmende Politisierung von TV-Serien liegt in der zunehmenden Politisierung des alltäglichen Lebens. So fungieren fiktionale Unterhaltungsprodukte, nicht nur TV-Serien, sondern auch Filme, Musik oder Bücher, immer als Spiegelbild ihrer Gesellschaft und müssen im zeitgeschichtlichen Kontext betrachtet werden. Nicht nur in Deutschland, auch in den USA findet eine zunehmende Politisierung der ganzen Gesellschaft statt, allerdings aufgrund anderer Thematiken. Während hierzulande beispielsweise immer mehr «Tatorte» die Flüchtlingsthematik oder Rechtsextremismus behandeln, reagieren Fernsehserien in den USA auf US-Politik.
Ein politischer Akteur, der dabei offensichtlich besonders viele inhaltliche Reaktionen hervorruft, heißt Donald Trump. Seine Politik spaltet die Nation, weshalb sich gleich mehrere Fernsehserien in den USA im vergangenen Jahr mit Themen befassten, die um den US-Präsidenten kreisten. Erstaunlich ist, dass diese Entwicklung sich nicht beispielsweise nur auf Streaming-Dienste beschränkt, die inhaltlich ohnehin weniger Restriktionen unterliegen, sondern vor allem bei Network-Serien auffällt - also solchen Formaten, die im US-Fernsehen frei empfangbar sind. Das verwundert deshalb, weil diese Stationen besonders auf ihre Werbefinanzierung und damit auf Publikum und Einschaltquoten angewiesen sind. Gewalt und Sex finden sich daher viel seltener im Network-Fernsehen als etwa im Kabel- bzw. Bezahlfernsehen und auch von politischen Haltungen nehmen derlei Sendungen sonst Abstand, um nicht Teile des Publikums zu verprellen, die diese Haltung ablehnen
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Trumps Politik überstrahlt alles
Und dennoch sind die Beispiele für Politisierung im Network-Fernsehen zahlreich, betrachtet man nur das vergangene Jahr. «The Good Fight», das im Februar 2017 bei CBS All Access startete, ist wohl eine der Fernsehserien, die am unverblümtesten das Leben in der Ära Trump beleuchtet und dabei brandaktuelle Themen behandelt. Die Dramaserie, die als Spin-Off von «The Good Wife» startete, handelt von der Anwältin Diane Lockhart, die im Format beispielsweise kleine Dosen LSD zu sich nahm, um sich bei Ansicht der Nachrichten nicht zu sehr quälen zu müssen. Eine klarere Botschaft, wie es um die Lage der Nation bestellt ist, kann es kaum geben. In Episode sieben der zweiten Staffel wurde dann ein eigens geschriebener Song über die Amtsenthebung von US-Präsidenten gesendet. Sehr konkret wurde es 2018 außerdem in einem Handlungsstrang über die russische Prostituierte Dominika, die der Abschiebung entgehen will, indem sie den Behörden eine Kopie des berüchtigten „Pee Tapes“ anbietet, das auch im echten Leben den Mittelpunkt eines pikanten Trump-Gerüchts darstellt.
Die wohl bekannteste Geschichte im Kontext politischer Momente im US-Fernsehen drehte sich um eine Folge des «Roseanne»-Reboots, das die Entlassung von Hauptdarstellerin Roseanne Barr nach sich zog. Das Staffelfinale behandelte etwa Themen wie Sozialpolitik und die Opioid-Krise. Als sich Barr im Nachgang über Twitter zu Wort meldete und einen rassistischen Tweet absetzte, kündigte ABC ihr, womit besagtes Staffelfinale unfreiwillig zur letzten Folge des gerade wiederbelebten Formats wurde. Seit einigen Jahren war Barr als eine der bekanntesten Unterstützter von Präsident Trump bekannt. ABCs Plan war es eigentlich, ihren politischen Eifer für das Format zu nutzen.
Gleich zwei Serien befassten sich 2018 mit Immigration, nutzten diese trotz der weiter schwelenden Grenzthematik zwischen den USA und Mexiko aber für positive Botschaften. In «Jane the Virgin» (The CW) und «One Day at a Time» (Netflix) wurden zwei Frauen US-Staatsbürgerinnen. Alba verbrachte in «Jane the Virgin» viele Jahre in den USA und fürchtete dabei stets eine mögliche Abschiebung, während «Lydia» im Netflix-Reboot eine Green Card besaß, sich aber den USA nie richtig zugehörig fühlte, um ihre kubanischen Wurzeln nicht zu vernachlässigen. Beide erlebten einen überwältigend emotionalen Moment, als sie nicht nur offiziell, sondern auch in ihren Herzen die US-Staatsbürgerschaft annahmen. So trugen beide Formate einen Gegenentwurf zu der häufig negativ besetzten Immigrations-Thematik in die Welt hinaus.
Ein weiteres Beispiel findet sich im gerade wieder aufgelegten «Murphy Brown» bei CBS, das viele kleine Schläge in Richtung der aktuellen Polit-Landschaft verteilte. Die Protagonistin lieferte sich darin einen Twitter-Krieg mit einem fiktionalen Donald Trump und schlich sich später ins Weiße Haus, um Pressesprecherin Sarah Sanders der Lügerei zu entlarven. Sogar Hillary Clinton hatte einen Cameo-Auftritt im Format und in der vierten Episode der neuen Staffel macht Murphy den langjährigen Trump-Berater Steve Bannon nieder.
Weniger persönliche und mehr inhaltliche Kritik an US-Politik beinhaltete die NBC-Sitcom «Superstore». Mehrere Episoden lang befasste sich die Sendung in einem bewegenden Handlungsstrang mit dem nichtexistenten Recht auf Mutterzeit in den USA. In der vierten Staffel der Serie setzte ein Krankenhaus die werdende Mutter Amy vor die Tür, weil ihre Krankenversicherung dies nicht abdeckte. Zwei Tage nach der Geburt ihres Kindes musste Amy dann wieder auf der Arbeit erscheinen, was in einem Streitgespräch mit ihrem Chef gipfelte, das zwar auf Lacher abzielte, im Abgang das gleiche Lachen aber im Halse stecken bleiben ließ.
Die Ausnahmen: Ungesendete Episoden und Serien mit konservativer Haltung
In einem Fall war das politische Thema so pikant, dass die Folge, die diese beinhaltete, gar nicht gesendet wurde. ABCs «Black-ish» drehte eine Episode, die sich auf den Knie-Protest amerikanischer Football-Spieler bezog. Vor einiger Zeit löste der Profi-Sportler Colin Kaepernick einen Skandal in den USA aus, indem er vor Spielen beim Klang der US-Nationalhymne kniete, um so auf die fehlende Gleichbehandlung und Rassismus gegenüber Afroamerikanern in den USA hinzuweisen. Viele weitere afroamerikanische Kollegen taten es im gleich, was in Wut-Tiraden von Donald Trump resultierte, der auch die Rückendeckung einiger Vereins-Chefs genoss. Die «Black-ish»-Folge war eigentlich für Februar angesetzt, doch ABC zog sie zurück.
Einen weiteren Sonderfall stellt «Last Man Standing» dar, denn die zurückgelehrte Serie, die einst bei ABC lief und nun bei FOX, ist nicht etwa ein weiteres Format, das liberale Standpunkte vertritt, sondern eher ein Hafen für Konservative. Im Jahr 2017 erfuhr das Format mit Tim Allen eine Absetzung, was bei vielen Zuschauern zu Ärger führte. Sie vermuteten die Zensur konservativer Standpunkte, die die Serie bis dahin häufig vertreten hatte. Seit ihrem Comeback sorgten etwa Witze über Hillary Clinton, dem sogenannten „Travel Ban“ für muslimische Staaten oder Trumps „Child Separation Policy“ für Lacher. Doch im Falle von «Last Man Standing» sind es weder bestimmte Momente oder ganze Episoden, die politisch sind, sondern die bloße Existenz der Sendung als Sprachrohr von Konservativen.
Wohl nie war US-Fernsehen politischer als im Jahr 2018. Es ist einerseits das logische Resultat einer Zeit, die besonders politisch ist, dass auch Fernsehserien besonders politische Inhalte veröffentlichen. Die aktuelle politische Lage scheint aber auch inhaltliche Extreme in der US-Unterhaltungsindustrie zu fördern. Während viele Formate plötzlich politische Standpunkte vertreten, erfreuen sich gleichzeitig immer mehr Programme einer großen Beliebtheit, die angesichts dieser Lage für Ablenkung sorgen und bewusst unpolitisch bleiben. So erklären sich Beobachter etwa den Erfolg von TV-Formaten wie «This Is Us» oder «The Good Doctor». In welche Richtung der Trend in den kommenden Jahren zeigt, wird gerade im US-Network-Fernsehen nur eine Gruppe entscheiden: Die Zuschauer.
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