Filmfacts «Plötzlich Familie»
- Regie: Sean Anders
- Produktion: Sean Anders, Stephen Levinson, John Morris, Mark Wahlberg
- Drehbuch: Sean Anders, John Morris
- Darsteller: Mark Wahlberg, Rose Byrne, Isabela Moner, Margo Martindale, Julie Hagerty, Octavia Spencer, Gustavo Quiroz, Julianna Gamiz
- Musik: Michael Andrews
- Kamera: Brett Pawlak
- Schnitt: Brad Wilhite
- Laufzeit: 119 Minuten
- FSK: ab 6 Jahren
Er und seine Gattin haben 2012 drei Geschwister adoptiert – was womöglich seine Regieführung bei beiden «Daddy's Home»-Teilen beeinflusst hat. Bei «Plötzlich Familie» ist solche Spekulation gar nicht mehr weiter nötig: Diese von ihm und John Morris geschriebene Komödie basiert lose auf seinen eigenen Erfahrungen als Vater dreier Adoptivkinder. Und auch wenn solche "Basierend auf eigenen Erfahrungen"-Filme nicht immer aufgehen, ist «Plötzlich Familie» Anders' Herzblut vollauf anzumerken: Diese herzlich-ehrliche, liebevolle Komödie ist ein riesiger Spaß und wird dennoch auch dem Ernst seiner Thematik gerecht.
Die Geschichte von «Plötzlich Familie» dreht sich um das glücklich verheiratete, aus der gehobenen Mittelklasse stammende Ehepaar Ellie (Rose Byrne) und Pete (Mark Wahlberg). Gemeinsam leiten sie eine Firma, die sanierungsbedürftige Häuser kauft, von Grund auf renoviert und weiterverkauft. Das Thema Familienplanung ging bei dem geschäftigen Paar stets unter, während im Familienkreis schon längst mehrmals Nachkommen auf die Welt gebracht wurden. Eines Abends schaut sich Ellie die Webseite einer Adoptionsagentur an – und kann die Tränen kaum noch stoppen. Auch Pete lässt sich nach kurzem Widerstreben vom Gedanken mitreißen, ein Kind zu adoptieren.
Der Vorbereitungskurs der Adoptionsagentur ihrer Wahl ist allerdings kein Zuckerschlecken: Karen (Octavia Spencer) und Sharon (Tig Notaro) wollen ihre Schützlinge um jeden Preis in die perfekten Arme übergeben – und wollen zudem liebend gern schwer vermittelbare Pflegekinder an neue Eltern übermitteln. Wie etwa die rebellische Teenagerin Lizzie (Isabela Moner) und ihre Geschwister Juan (Gustavo Quiroz) und Lita (Julianna Gamiz) …
«Plötzlich Familie» lebt zu großen Teilen von seinen Performances: Rose Byrne bewies schon in mehreren Filmen, wie etwa in «Juliet, Naked» und beiden «Bad Neighbors»-Teilen, ihr vorzügliches Talent, gleichzeitig urkomisch zu sein und dennoch eine glaubwürdige, lebensnahe Frauenfigur mit komplexen Gefühlen zu verkörpern. Auch in dieser Familiendramödie spielt Byrne dieses große Können aus und legt Ellie als gewitzte, schlagfertige Frau an, die sich über kleine Gesten herzzerreißend freuen kann und zwecks Haussegen bei großen Provokationen ihren Frust mühselig runterschluckt – oder auch mal umgekehrt.
Mark Wahlberg wiederum, der oft in groß tönenden Machorollen auftritt, zeigt einmal mehr, dass er sich häufiger freundlichere Parts aussuchen sollte. Denn als Mann, der sich fest vorgenommen hat, der perfekte Adoptivvater zu werden, aber immer wieder knurrend einsehen muss, dass es keine pädagogischen Patentrezepte gibt, ist er deutlich charmanter und in seinen komödiantischen Manierismen überraschender als in seinen typischen Rollen.
Auch die Nebendarstellerinnen Spencer und Notaro verhelfen «Plötzlich Familie» zu seiner spaßig-gefühlvollen Wohlfühl-Atmosphäre: Mit spitzem Humor geben sie ihren zwei Sozialarbeiterinnen, die sich (und die Aoptiveltern, denen sie unter die Arme greifen) mit trockener Freude necken, eine kecke, teils besserwisserischere Attitüde, und dennoch versprühen sie durch ihren Gestus ununterbrochen eine freundliche, empathische Ausstrahlung. All das würde aber einstürzen, wäre das Jungdarsteller-Trio Isabela Moner, Gustavo Quiroz & Julianna Gamiz nicht so gut, wie es ist: Inaffektiert, auf glaubwürdige Weise kratzbürstig und in den freundlicheren Momenten nie so zuckrig, dass «Plötzlich Familie» klebrig werden würde, finden sie exakt die richtige schauspielerische Balance.
Dem spielt auch das Drehbuch in die Karten: «Plötzlich Familie» mag nicht hundertprozentig flüssig strukturiert sein und hier und da vielleicht einen Plotpunkt platttreten, dennoch überzeugt, wie Sean Anders und John Morris die Geschichte aufziehen: Mit Schnellfeuer-Dialogen und launiger Situationskomik bestückt, ist «Plötzlich Familie» ein energiereicher Film, gleichwohl nehmen Anders & Morris souverän und punktgenau immer dann die Abzweigung in emotionalere und dramatischere Gefilde, wenn es für die Figuren zu komfortabel wird.
«Plötzlich Familie» ist kein weichzeichnender Adoptionswerbefilm, der das Großziehen von Pflegekindern als das leichteste der Welt darstellt: Sowohl die Eltern als auch die drei Kinder beißen sich mehrmals untereinander sowie an der Gegenseite die Zähne aus und auch Einflüsse von außen erschweren das Erzeugen einer harmonischen Familieneinheit. Und doch werden die Negativerfahrungen niemals aufgesetzt herbeibeschworen oder theatral in Szene gesetzt, um künstlich Rührung und Spannung zu erzeugen.
«Brautalarm»-Komponist Michael Andrews überbetont mit seinen weichgespült-zärtlich-munteren Melodien mitunter die Gefälligkeit des Geschehens, und auch die auf emotionalem, radiotauglich-sanftem Pop fußende Songauswahl in «Plötzlich Familie» unterstreicht Gefühlslagen doppelt und dreifach, wo das Skript und die Performances des tollen Casts bereits mehr als genügend Leistung vollbringen. Das trübt den Gesamteindruck dieser feinfühligen, warmherzigen und dennoch so gewitzten Komödie nur ein klein wenig: «Plötzlich Familie» ist ein wunderschöner, knackig erzählter Familienfilm, der sich nicht vor großen Emotionen scheut, ohne all zu kitschig zu werden, der nicht davor zurückschreckt, die Herausforderungen des (Adoptiv-)Elterndaseins anzupacken und der trotzdem in hoher Frequenz große Lacher hervorruft. Vollauf sehenswert!
«Plötzlich Familie» ist ab dem 31. Januar 2019 in vielen deutschen Kinos zu sehen.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel