Lange Laufzeit, einige Pausen
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Amazon belebte «Pastewka» dann mit einer neuen Erzählhaltung wieder. Los ging es Ende Januar 2018, ein Jahr später kam Runde neun heraus und die finale zehnte Staffel startet Anfang Februar dieses Jahres. Mit zehn Staffeln in 15 Jahren hat «Pastewka» ein paar Kuriositäten und Besonderheiten durchgemacht, die sich einem nicht unbedingt aufdrängen – bei einem Rewatch aber umso deutlicher werden.

Auch ein internationales Fernsehereignis ist Serienfreak Bastian durchgerutscht: Er beginnt «Pastewka» als Fernsehnostalgiker. Mit seinem Serienwissen und seiner Seriensucht ist er daher ein sonderbarer Kauz – 2005 war Seriensuchten halt noch nicht derart in Mode wie heute. Sprach Bastian eingangs hauptsächlich von alten Formaten, war wenigstens «24» durch Bastians Klingelton eine frühe Präsenz moderner Serienkultur. Etwas später sehen wir Bastian «Lost» suchten und das Finale der siebten Staffel dreht sich unter anderem um «Homeland». Nach der Pause sehen wir in der Amazon-Ära dann, wie Anne mit ihm zusammen die neue «Twin Peaks»-Staffel guckt (das Serienfieber griff nun also auch "normale" Leute an) und Bastian wird zum «Game of Thrones»-Freak. Doch «Breaking Bad» findet im «Pastewka»-Universum keine Erwähnung – eine Serie, die doch synonym für Peak-TV und das Bingen von Serien steht, sowie dafür, wie Serienfreaks Serienmuffel mit ihrem Stoff anfixen.
Mit dem Blick zurück nach Mediendeutschland fällt wiederum auf, wie durch die lange Laufzeit der Serie anfangs vereinzelte Medienleute, die heute ideal für einen prominenten Gastauftritt als sie selbst wären, anfangs "verbrannt" wurden, indem man sie in anderen Rollen besetzt hat: Carolin Kebekus spielt in Staffel zwei eine Prostituierte, Schauspielstar Denis Moschitto ist in Staffel zwei dagegen als Comedian Birger Schönemann und Ex-Comedyautor zu sehen, Hans-Joachim Heist ist in derselben Staffel, noch bevor seine Rolle als Gernot Hassknecht durch die Decke ging, als Standesbeamter besetzt worden und Fahri Yardım ist in Staffel drei noch ein Niemand, der Autoscheiben putzt. Und Dieter Wedels Gastauftritt in Staffel vier als angesehener Regisseur, der seine Vergangenheit als Sexfilmchen-Filmer vertuschen will, guckt sich im Jahr 2020 auch ganz anders, als noch bei der Erstausstrahlung im Februar 2010.

Mit Plots wie "Die ganze Stadt Köln verwandelt sich in einen zornigen Mob, weil Bastian sich nicht für Fußball und somit auch nicht für den FC Köln interessiert", "Bastian bildet sich ein, Bernd das Brot würde mit ihm reden", "Bastian trainiert mit einem afrikanischen Asylanten, den Kim heiraten will, für einen Marathon, und Bastian sowie Hagen hecken einen Komplott aus, um die Hochzeit zu verhindern", "Bastian und Frau Bruck haben Albträume, sie würden bei «Schlag den Star» gegeneinander antreten und holen Matthias Opdenhövel in Bastians Wohnung, um sich wirklich zu duellieren" und "Bastian und Markus Maria Profittlich drehen einen Werbespot für sehr kleinliche Japaner" (eine Folge, die schräger umgesetzt ist, als sie klingt) ist Staffel fünf so etwas wie das "Gasleck-Jahr" von «Pastewka». Gut, aber seltsam – und ganz nebenher wurde ein im Hintergrund sehr lose laufender Plot aufgebaut, dass Bastian (aus Steuergründen) erstmals ernsthaft übers Heiraten nachdenkt, worauf Anne schon ewig wartete.
Staffel sechs fing sich dann mit den Episodenhandlungen wieder und steuerte der episodenhaften, losen Erzählweise zum Trotz auf ein langsam, sporadisch vorbereitetes, offenes Ende hin: Werden Anne und Bastian heiraten oder nicht?
Wer Staffel acht nicht mag, muss mit dem Finger auf Staffel sieben zeigen

Auch wenn die achte Staffel von «Pastewka» von manchen Fans ernüchtert aufgenommen wurde, war dieser Schritt hin zu mehr Dramatik, einer horizontalen Erzählweise und einer Trennung von Anne und Bastian dringend nötig, wenn man die Serie vernünftig fortführen wollte. Denn Staffel sieben stand schon kurz davor, die alte Formel zu überreizen: Die Achterbahn namens Beziehung, die Anne und Bastian in den ersten sechs Staffeln durchmachten, war schon turbulent genug. Und nach zig Auseinandersetzungen, Auszügen, Zusammenzügen und schnell aufgelösten Beziehungspausen am Ende der sechsten Staffel mit einem Münzwurf zu entscheiden, ob man heiraten will, war das Maximum, was man erzählen konnte, ehe das Miteinander des bequemen Bindungsphobikers Bastian und der von Staffel eins an über Familienplanung nachdenkenden Anne unglaubwürdig und/oder monoton wird.
Staffel sieben beantwortete das offene Ende der sechsten Staffel mit einem: "Nein, es kam nach dem Münzwurf zu keiner Hochzeit." Hinter den Kulissen gab es den Grund dazu, dass sich die Serienschaffenden einig waren, dass die Serie vorbei ist, sollten Anne und Bastian jemals heiraten (genügend Comedyserien hätten das bewiesen), und sie haben wohl auch recht damit. Denn «Pastewka» lebt auch von der Anspannung, in welche Fettnäpfchen Bastian als nächstes treten wird, und wenn Anne und Bastian heiraten sollten und die Serie nach diesem großen Schritt für diese beiden Figuren unbeirrt weitermacht wie zuvor, verlieren die Beiden ihre Glaubwürdigkeit.
Aber Staffel sieben dehnte auch so die Plausibilität dieses Paares: Nach dem Rückzieher ist die Stimmung zwischen Anne und Bastian peinlich berührt (selbstredend: sogar Comedyserienfiguren finden es seltsam, wenn ein jahrelanges Paar in der Nacht vor der Trauung kneift). Der Staffelauftakt zu Runde sieben treibt es dann noch weiter, indem Bastian genau das erkennt und einen neuen Hochzeitsanlauf plant, der aber schief geht. Die Doppelfolge "Die Zeremonie" ist sehr lustig, da sie auf einer raffiniert eingefädelten Eskalation basiert – doch sie treibt das Spielchen insofern zu weit, als dass Anne und Bastian wenige Sätze vor einer Eheschließung wieder zurückgeworfen werden.

Es gab eigentlich nur folgende Optionen: Staffel sieben ist das Ende, die Serie findet einen Abschluss in Form eines metafiktionalen Kreisschlusses und ein Serien-Bastian, der in einer noch bestehenden, aber brüchigen Beziehung steckt, ist für den Rest seiner Tage als Darsteller in «Frier» gefangen, also in einer überspitzten Version seiner Realität. Oder Staffel acht macht einfach so weiter wie bisher und wir verlieren als Zuschauerinnen und Zuschauer jeglichen Respekt vor der Figur Anne, weil sie den ganzen Dreck noch immer über sich ergehen lässt, obendrein werden in diesem Fall die "Die Beziehung steht kurz vor dem Aus, Bastian rettet die Beziehung mit Lug und Trug, er fliegt auf, die Beziehung steht kurz vor dem Aus"-Maschen alt und langweilig.

Ob er es erfolgreich durchzieht, das sagt uns dann Staffel zehn. Wir sind gespannt!
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