Cast & Crew
Vor der Kamera:Carlo Ljubek als Niko Sander
Anke Retzlaff als Leni Herold
Philippe Caroit als Yves Kléber
Bernhard Piesk als Tino Loher
Noémie Kocher als Ségolène Combass
Karoline Teska als Nadia Kardowa
Stephan Kampwirth als Florian Geissler
Hinter der Kamera:
Produktion: Polyphon Pictures GmbH
Drehbuch: Michael Rowitz (auch Regie), Stefan Wild und Martin Muser
Kamera: Alexander Fischerkoesen
Produzentin: Sabine Tettenborn
Als sie wieder zur deutsch-französischen Polizeieinheit zurückkehrt, steckt die schon knietief in der nächsten Operation. Ein politisch gut vernetzter Schreibtischtäter verdient im Geheimen sein Vermögen mit dem illegalen Transport giftiger Industrieabfälle Richtung Osten. Am Ziel angekommen, werden die LKWs mit jungen Frauen aus verarmten Familien vollgestopft, und anschließend nach Strasbourg zum Anschaffen transportiert. Eine von ihnen ist die junge Ukrainerin Natia (Karoline Teska), der im Gegensatz zu den meisten ihrer Mitreisenden alle Illusionen über das Leben im Westen fern sind. Kein Wunder, schließlich hat sie düsterere Motive für ihre Überfahrt: Sie sucht ihre Schwester, die im Elsass als Zwangsprostituierte lebt.
Nachdem Natia und Leni schon beruflich Bekanntschaft miteinander gemacht haben, kreuzen sich ihre Wege zufälligerweise irgendwann wieder: in einer Arztpraxis, wo die Eine Methadon für ihre Schwester organisiert, und sich die Andere starke Schlaftabletten verschreiben lassen will, um den Albträumen zu entgehen, die der gewaltsame Tod des Vaters, ihre Vergewaltigung und eine Fehlgeburt hinterlassen haben.
- © SWR/Alexander Fischerkoesen
Wenn potentielle Mitstreiter nicht genügend beeindruckt sind, schreckt Gangster-Spediteur (Stephan Kampwirth) auch vor Erpressung nicht zurück.
Es mag bei unbedarfter, nüchterner Betrachtung lebensfremd wirken, dass sich eine Polizistin und eine Zwangsprostituierte nun so gut miteinander anfreunden, dass sie nicht nur zusammen an der Bushaltestelle Schnaps trinken und in ihren jeweiligen Lebenskatastrophen auf psychologischer Ebene zueinander finden, sondern irgendwann – trotz aller permanenten Vertrauensbrüche – ein tiefer Rapport zwischen ihnen herrscht. Doch in der Realität hat das V-Mann-Wesen schon viel kuriosere Blüten getrieben.
Noch dazu sind diese Passagen filmisch ganz hervorragend gelungen, denn „Racheengel“ erzählt die wechselseitige Spiegelung der seelischen Zerrissenheit dieser beiden feinfühlig geschriebenen Frauenfiguren, ihre Kameradschaft jenseits aller Standes- und Herkunftsunterschiede und ihr emotionales Wachstum aneinander mit erstaunlicher Feinfühligkeit, und insbesondere Hauptdarstellerin Anke Retzlaff weiß in dieser Rolle mit einer regelrechten Tour de Force durch Depression, Aufgekratztheit und schließlich Verarbeitung zu gefallen. Man wünscht sich, dass die Geschichte dieser beiden Frauen der eigentliche Film wäre.
Doch das darf er wieder einmal nicht sein. Die Genre- und Sendeplatzkonventionen zwingen der Dramaturgie eine Krimistruktur auf, und dem Duktus die permanente Überbetonung des deutsch-französischen Spielorts, die mit ständigem Eh, merde! und Écoute, connard! aufrecht erhalten werden soll. Also mäandriert sich die Narrative durch zähe Zugriffe, Bordellszenen und Observierungen, während die spannende Geschichte über zwei junge traumatisierte Frauen, die aneinander zurück in einen erträglichen Alltag finden, bloßer Hintergrund bleiben muss, der in den emotional besonders fordernden Momenten visuell nur mit einfallslosen Zeitlupen eingerahmt wird. Es wäre der Reihe der Mut zu wünschen, nicht nur im Titel Grenzen zu überschreiten, sondern auch in ihrem Inhalt – gerade, wenn sich die Gelegenheit wie in dieser Folge aufdrängen würde. On devrait s’en ficher.
Das Erste zeigt «Über die Grenze – Racheengel» am Donnerstag, den 13. Februar um 20.15 Uhr.
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