Die Kino-Kritiker

«Brahms: The Boy II» - Puppenhorror zum Gähnen und Kopfschütteln

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Die Gruselpuppe «Annabelle» brachte es auf mittlerweile drei Filme. Nun zieht ihr männliches Pendant nach und bekommt mit «Brahms: The Boy II» ein Sequel spendiert, bei dem man sich fragt, ob die Macher die Stärken ihres Vorgängerfilms überhaupt begriffen haben.

Filmfacts: «Brahms: The Boy II»

  • Start: 20. Februar 2020
  • Genre: Horror
  • FSK: 12
  • Laufzeit: 84 Min.
  • Kamera: Karl Walter Lindenlaub
  • Musik: Brett Detar
  • Buch: Stacey Menear
  • Regie: William Brent Bell
  • Darsteller: Katie Holmes, Owain Yeoman, Christopher Convery, Ralph Ineson, Anjali Jay, Oliver Rice, Natalie Moon, Ellie King
  • OT: Brahms: The Boy II (USA 2020)
„Das hier ist ein wenig anders!“ kündigten wir vor ziemlich genau vier Jahren in unserer Kritik zu William Brent Bells «The Boy» an, als wir den Horrorfilm über eine gruselige Puppe namens Brahms in einem Atemzug mit Filmen wie «Poltergeist», «Annabelle» und «Chucky – Die Mörderpuppe» verglichen. Was wir damit meinten war Folgendes – und an dieser Stele folgen Spoiler zum ersten «The Boy»-Film: Anders als in den genannten Genrebeiträgen ging es hier nicht etwa um ein verfluchtes Spielzeug, das ein tödliches Eigenleben entwickelt. Stattdessen bewies sich der ansonsten recht austauschbar inszenierte FSK-12-Horrorfilm als ausgerechnet im Finale überraschend clever. Die Gefahr ging nämlich nicht etwa von der Puppe selbst aus, sondern von einem in den Wänden eines alten Herrenhauses hausenden Menschen, der mit Brahms Hilfe zu kommunizieren versuchte. Gar nicht so doof: Wenn in Horrorfilmen sonst immer alles auf einen Spuk hindeutet, ist es ja sonst in der Regel auch so. Drehbuchautorin Stacey Menear spielte an dieser Stelle also durchaus gekonnt mit der Erwartungshaltung, als sie eben nicht lieferte, was man von ihr erwartet hat.

Nun mit «Brahms: The Boy II» nachzulegen, hätten wohl ebenfalls nur die Wenigsten erwartet. Eigentlich war die Geschichte rund um den titelgebenden Porzellangesellen ja auserzählt. Aber wie das eben so ist, wenn ein Film mehr als das Sechsfache seines Budgets einspielt (hierzulande dürfte der Film auch aufgrund seiner im Horrorgenre so niedrigen Altersfreigabe ein Erfolg gewesen sein), da ist die Fortsetzung nicht weit. Fraglich ist nur, ob allen Beteiligten daran die Ereignisse des Vorgängers zumindest noch halbwegs präsent waren, denn im zweiten Teil schmeißen sie das Konzept einfach über Bord. Und das rächt sich schlimmer als Brahms…



Ein Überfall mit Folgen


Liza (Katie Holmes) und Sean (Owain Yeoman) bilden gemeinsam mit ihrem Sohn Jude (Christopher Convery) eine glückliche Familie. Bis diese Harmonie eines Tages in ihren Grundfesten erschüttert wird: Mutter und Sohn werden Opfer eines Überfalls, in dessen Folge der Junge von heute auf morgen aufhört, mit seiner Umgebung zu kommunizieren. Ums ich von diesem Trauma zu erholen, zieht die Familie weit weg vom Ort des Grauens und zieht in das Gästehaut des Heelshire Anwesens. Doch keiner von ihnen ahnt, welche Schreckliche Vergangenheit diesen Ort überschattet. Als Jude zur Überraschung seiner Eltern vor Ort einen neuen Freund findet, scheint zunächst alles in Ordnung. Doch bei diesem neuen Freund handelt es sich nicht etwa um einen gleichaltigen Jungen, sondern um Brahms, eine Porzellanpuppe, deren Einfluss auf das jüngste Familienmitglied zunehmend beängstigende Züge annimmt…

Mit Lauren Cohan und James Russell sagten gleich zwei Schauspieler aus dem ersten «The Boy»-Film für die Fortsetzung ab. Bei der Schauspielerin wurde ein voller Terminkalender kommuniziert, beim Brahms-Darsteller dagegen hüllte man sich in Schweigen. Da liegt die Vermutung nah, dass die blamable Qualität des Drehbuchs (erneut von Stacey Menear) eine nicht unwichtige Rolle gespielt haben dürfte. Dabei bleibt festzuhalten: Als Skript für einen für sich stehenden, erneut sehr handzahmen und ab zwölf freigegebenen Puppengrusler würde «Brahms: The Boy II» sogar noch eine halbwegs passable Figur machen. Wenngleich das Spiel mit standardisierten Jumpscares ermüdet, da die Kameraarbeit des Deutschen Karl Walter Lindenlaub («Voll verkatert») in Sachen Geschwindigkeit, ausgewählter Motive sowie Helligkeit und Dunkelheit einfach viel zu vorhersehbar ist, gefällt das unheilvolle Setting eines alten, verfallenen Herrenhauses mit seinen satt-grünen Gärten und dem mit dunklem Holz vertäfelten Gästehaus, in dem die Familie wohnt.

Motivisch ist nichts davon besonders originell. Dass in «Brahms: The Boy II» nicht einmal der Satz fällt, dass dieses Anwesen in unheilvoller Abgeschiedenheit der perfekte Horrorfilm-Drehort wäre, ist nur damit zu erklären, dass Regisseur William Brent Bell («Devil Inside») erneut auf eine ganz besonders ernste Tonalität setzt. Hier ist nichts ironisch, selbstreferenziell oder augenzwinkernd zu verstehen. Und so ehrlich muss man sein: Wer noch nie zuvor einen Horrorfilm gesehen hat, auf den dürfte die gedrückte Stimmung durchaus eindrucksvoll wirken.

Das Skript ist (auch) das Problem...


Damit die nicht nur aus der Situation heraus entsteht, dass da plötzlich ein kleiner Junge wie besessen von einer unheimlich dreinschauenden Puppe ist, die noch dazu überraschend viel Einfluss auf den jungen Mann zu haben scheint, etablieren die Macher direkt ein noch viel erschreckenderes (und auch wirklich bedrohliches!) Szenario: Gleich in der ersten Szene werden Mutter Liza und ihr Sohn Jude Opfer brutaler Einbrecher, infolgedessen Jude aufhört, zu sprechen und seine Eltern mit ihm aufs Land ziehen. Dass hier zwei Menschen von einem realen Verbrechen schwer traumatisiert sind, spielt aber letztlich dann doch kaum eine Rolle. Jude spricht schneller als erwartet wieder ganz normal und die paar Albträume, mit denen sich Liza herumschlagen muss, dienen lediglich dazu, noch ein paar mehr Jumpscares im Film unterzubringen, als nicht ohnehin schon. Um «Brahms: The Boy II» auch auf der dramatischen Ebene ernst zu nehmen, verläuft der Film letztlich ohnehin viel zu hanebüchen.

Und das hat vor allem damit zu tun, dass die Macher davon abrücken, ihr Grauen in der Realität zu verankern. Stattdessen gleiten sie mit ihrem Puppenhorror-Sequel letztlich doch in Gefilde ab, wie sie «Annabelle» und Co. schon vor Jahren bedient haben. Und das führt dann im Umkehrschluss sogar die Ereignisse aus «The Boy» ad absurdum.

Weshalb sich mit Katie Holmes («Logan Lucky») eine wirklich namhafte Darstellerin im Cast befindet, lässt sich allenfalls mit ihrer aufopferungsvollen Mutterrolle erklären, die sie in «Brahms: The Boy II» spielen darf. Und das macht sie auch ordentlich, gefordert wird sie dabei allerdings so gar nicht. Denn mit ihrer dramatischen Figur bleibt sie darstellerisch in der Theorie stecken. In Wirklichkeit ist William Brent Bell nämlich zu keinem Zeitpunkt daran gelegen, ein aufrichtiges Drama zu erzählen. Stattdessen driftet der Film schließlich in immer okkultere Gefilde ab, auf deren eigentlich ziemlich vorhersehbare Entwicklung (inklusive aufdringlichem Cliffhanger zu einem möglichen dritten Teil – man weiß ja nie!) man nur deshalb über weite Strecken nicht kommt, weil man es einfach nicht glauben kann, wie sich die Geschichte hier entwickelt.

Dabei hätte «The Boy II» eigentlich an mehreren Stellen das Potenzial, Kraft aus der fiesen Atmosphäre selbst zu schöpfen. Wenn sich Jude eines Tages mit dem unliebsamen Sohn einer Familienfreundin beschäftigten muss, ist es schon ziemlich fies, mit anzusehen, was Brahms (oder welche Kraft auch immer) mit dem nervigen Dreikäsehoch anstellt. Aber ohne das Ganze ansprechend mit Blut zu inszenieren, kommt eben auch auf der Gore-Ebene kein Kribbeln auf. «Brahms: The Boy II» ist also wie schon der erste Teil ein Film für Horror-Einsteiger. Aber noch dazu einer, der seinen Vorgänger selbst überhaupt nicht zu verstehen scheint.

Fazit


Vom Gruselfaktor her steht «Brahms: The Boy II» seinem mauen Vorgänger in Nichts nach und eignet sich damit hervorragend für Horror-Einsteiger. Wer den ersten Teil allerdings gerade aufgrund seiner durchaus überraschenden Auflösung mochte, wird vom Sequel mehr als enttäuscht. Denn das, was «The Boy» ausmachte, scheint in «The Boy II» vergessen.

«Brahms: The Boy II» ist ab dem 20. Februar in den deutschen Kinos zu sehen.

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