Gary Brozenichs Filmografie (Auswahl)
- «Sweeney Todd: Der teuflische Barbier aus der Fleet Street»
- «Pirates of the Caribbean – Fremde Gezeiten»
- «Lone Ranger»
- «Edge of Tomorrow»
- «Pirates of the Caribbean – Salazars Rache»
Oh, da habe ich zwei! Der Eine lautet: "Die Arbeit erledigt der Computer." Das höre ich immer und immer wieder. Doch schlussendlich ist der Computer bloß ein Werkzeug, das in der Effektarbeit von vielen, vielen Menschen bedient wird, die ich als wahre Künstler bezeichnen möchte. Es sind diese Handwerkskünstler, die die Arbeit machen – nicht der Computer. Und der andere Irrtum ist, dass wir alle nur am Computer sitzen. Denn obwohl es stimmt, dass sehr viele Effektkünstler sehr viel Zeit am Computer verbringen, würde ich mal zu behaupten wagen, dass das auf viele Professionen weltweit zutrifft. Der Computer ist ein Werkzeug, dass unser aller Leben beeinflusst hat. Dennoch fließt noch immer sehr viel andere Arbeit in die Effektkunst. Mein Hintergrund beispielsweise ist Malerei und Illustration – ich habe noch nie in meinem ganzen Leben auch nur eine einzige Zeile Code programmiert, und ich wüsste nicht, wo ich da anfangen soll (lacht). Kurzum: Wir im VFX-Bereich sind Handwerker und Bastler, keine IT-Techniker.
Und gerade auf Ihrem Posten als Supervisor dürfte zudem ein großer Teil derArbeit sein, dass Sie nicht basteln, sondern kommunizieren und delegieren – liege ich da richtig in der Annahme?
Ja, absolut. Mein Ziel, ist es, so viel wie möglich der Vision des Regisseurs auf die Leinwand zu bringen. Wir Supervisor müssen zu diesem Zweck die Sprache meistern, die die verschiedenen Subsparten in unserer Industrie sprechen. Das heißt, ich bin sehr oft quasi der Dolmetscher zwischen dem Effekt-Team und dem Regisseur, und ich bin auch so etwas wie der Trainer eines Teams. Ich will es dazu anspornen, weiter zu streben und die Grenzen dessen auszuloten, was sie für möglich halten. Und ich muss zwischen den Gruppen innerhalb der Effektsparte delegieren und kommunizieren. Es ist viel Kommunikation und Organisation nötig in meinem Job, auf jeden Fall.
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Wenn man zum ersten Mal mit einem Regisseur zusammenarbeitet, muss man als VFX Supervisor erst einmal viel Zeit darauf verwenden, ihn und seinen Stil kennenzulernen. [...] Man muss ein Gefühl dafür entwickeln, wie ein Regisseur seine Vorstellung kommuniziert, so dass man ihn exakt versteht und somit seine Gedanken richtig weiterträgt.
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Gary Brozenich
Auf jeden Fall. Dass Joachim und ich schon zusammen gearbeitet haben, war ein riesiger Vorteil bei «Maleficent – Mächte der Finsternis». Wenn man nämlich zum ersten Mal mit einem Regisseur zusammenarbeitet, muss man als VFX Supervisor erst einmal viel Zeit darauf verwenden, ihn und seinen Stil kennenzulernen. Man muss in Erfahrung bringen, was sein Geschmack ist, welche Vision er für den Film hat und wie er sie vermittelt. Man muss ein Gefühl dafür entwickeln, wie ein Regisseur seine Vorstellung kommuniziert, so dass man ihn exakt versteht und somit seine Gedanken richtig weiterträgt. Da ich vor «Maleficent – Mächte der Finsternis» schon 3,5 Jahre mit Joachim verbracht habe, fiel das nun also aus. Wir haben bei diesem Film Dinge viel schneller umsetzen können, weil wir uns schon eingespielt hatten.
Filme dieser Größenordnung haben doch meistens eine Einstellung oder gar eine ganze Szene, die als Erstes in Produktion ging und dennoch als Letztes fertig wurde. Welche war das bei «Maleficent 2»?
Nun ja, speziell in diesem Fall … (schmunzelt) Wir hatten schlussendlich einen kürzeren Produktionsraum als anfangs anberaumt. Der Beschluss, die Produktionsdauer zu verkürzen, kam zwar relativ früh, dennoch bedeutete das, dass wir weniger Zeit hatten als uns für einen Film dieser Größenordnung eigentlich lieb wäre. Die Antwort auf Ihre Frage lautet also ganz ehrlich: Das Meiste an diesem Film war so eine Szene. (lacht) Wir wurden sehr, sehr gefordert und mussten wirklich weit über uns hinauswachsen, um den Film fertig zu kriegen. Zu einem Zeitpunkt haben 1700 Visual Effects Artists gleichzeitig am Film gearbeitet, damit wir ans Ziel kommen.
Wie hoch ist eigentlich die Schlagzahl an Konferenzen, die Sie mit dem Regisseur an solch einem Film haben? Es ist ja wichtig, dass ihr in Kontakt steht, dennoch hat er ja auch andere Aufgaben zu absolvieren …
Im Falle von «Maleficent – Mächte der Finsternis» war es so, dass wir uns während der Pre-Produktion und während der Produktion fast täglich gesprochen haben – und ich war auch ein paar Mal am Set. Während der Postproduktion haben wir dann anfangs ein paar Mal die Woche konferiert, und je näher wir dem Starttermin gekommen sind, desto häufiger wurde es. In der heißen Phase haben wir uns erst täglich und schlussendlich sogar bis zu dreimal täglich gesprochen – sei es in persona oder via Videokonferenz, bei der wir uns aus aller Welt zugeschaltet haben.
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Bei Fantasyfilmen muss das VFX-Team ja wissen, von was für einer Welt wir reden. Welcher Grad von Realismus ist gewünscht, wie sollen sich die Dinge "anfühlen"? Da ist es ein Vorteil, einen Vorgänger zu haben, auf den man sich schon beziehen kann.
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Gary Brozenich
Das kann durchaus ein Vorteil sein – bei «Maleficent 2» war das auch so. Bei Fantasyfilmen muss das VFX-Team ja wissen, von was für einer Welt wir reden. Welcher Grad von Realismus ist gewünscht, wie sollen sich die Dinge "anfühlen"? Da ist es ein Vorteil, einen Vorgänger zu haben, auf den man sich schon beziehen kann. Wobei im Fall von «Maleficent 2» zu bedenken gilt, dass dieser Film die Welt des ersten Teils weiter auslotet. Wir wollten eine größere Welt mit mehr Bandbreite erzählen, und daher mussten wir noch immer viel vorab besprechen, um die Vision für diesen Teil auszuloten.
Ähnlich lief es bei «Pirates of the Caribbean – Fremde Gezeiten» und «Pirates of the Caribbean – Salazars Rache»: Beide Filme haben eine sehr textuelle, reichhaltige Visualität – und dass wir danach streben werden, wussten wir natürlich von Anfang an, weil die Original-Trilogie gewisse Regeln für die Ästhetik der «Pirates»-Welt gesetzt hat. Und wir wollten sicherstellen, dass wir uns davon nicht zu sehr entfernen, auch dann, wenn wir neue Dinge ausprobiert haben. Wir wollten, dass man, wenn man sich einen Shot aus den Filmen anschaut, direkt erkennt: "Ah, das ist ein «Pirates of the Caribbean»-Film!"
Sie haben ja auch schon mit Gore Verbinski, dem Regisseur der ursprünglichen «Pirates of the Caribbean»-Trilogie, zusammengearbeitet – nämlich bei «Lone Ranger». Da ich zu den eifrigen Verteidigern des Films gehöre, möchte ich diese Gelegenheit nutzen, um Ihnen zu sagen, wie stark ich den Film fand und finde, dass die Effekte wirklich preiswürdig waren. Ich finde es eine Schande, dass «Lone Ranger» damals so übergangen wurde!
Vielen, vielen Dank! Ich bin geschmeichelt! Ich habe auch wirklich liebend gern an «Lone Ranger» gearbeitet und wir alle haben uns bemüht, unser Bestes zu geben. Aber ich muss sagen: Die Nominierungen waren schon Ehre genug! Wir kamen im selben Jahr raus wie «Gravity» und uns allen war klar, dass unsere Freunde von diesem Film alle Effektpreise abräumen werden – und das völlig verdient. Allein schon gegen «Gravity» für einen Oscar nominiert zu werden, war für uns eine Auszeichnung. Und ich fand's schön, mit Gore Verbinski arbeiten zu können – er ist ein großartiger Regisseur und wir stehen weiter in Kontakt, er ist echt ein toller Kerl.
Ich warte ja noch immer darauf, dass er endlich seinen nächsten Film ankündigt …
Ich auch! Ich will sehen, was er als nächstes auf die Beine stellt! Aber vielleicht müssen wir nicht mehr so lange warten: Er ist meines Wissens nach aktuell für ein Projekt im Gespräch, das zu ihm passt wie die Faust aufs Auge. Mehr kann ich noch nicht sagen. Aber sollte das tatsächlich zustande kommen, dann dürfen wir uns auf etwas richtig Beeindruckendes freuen!
Vielen Dank für das Gespräch.
«Maleficent – Mächte der Finsternis» ist auf DVD, Blu-ray und 3D-Blu-ray erhältlich.
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