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BILD vs. Drosten: Welche Ziele die Zeitung mit ihrer Kampagne verfolgt

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Das Blatt ist für große Schlagzeilen bekannt. Da spielt es keine Rolle, ob es gerade gilt, eine Pandemie zu bekämpfen. Ziel der Angriffe ist Virologe Christian Drosten. Dieser hatte bei BILD schon seit März kein gutes Standing. Wie Experten die Lage einschätzen, warum Drosten der Nummer-1-Virologe ist und warum nicht und wie sich BILD verteidigt.

Wer hätte das gedacht? Eine BILD-Kampagne gegen einen Virologen befasst seit einigen Tagen die deutsche Medienwelt. Das zeigt: Trotz rückläufiger Infektionszahlen bewegt Corona und die dadurch ausgelöste Lungenkrankheit Covid-19 die Menschen in ihrem Alltag. Seit Mitte März sind daher verschiedene Virologen, inzwischen teils auch Hygieniker gern gesehene Gesprächsgäste und Interviewpartner in deutschen Medien. Ihre Arbeit und ihre Forschung findet deutlich mehr Beachtung als noch im vergangenen Jahr. Das hat auch negative Seiten. Deutschlands größtes Boulevard-Blatt, BILD und zuletzt auch das ebenfalls zur Springer-Familie gehörende Blatt WELT fahren eine Kampagne gegen Christian Drosten. Sie bezeichnen eine Studie von Drostens Team zur Infektionsgefahr, die von Kindern ausgeht, „als komplett falsch“.

Die Geschichte dahinter ist bekannt: Die Studie wurde im Pre-Paper veröffentlicht. Das passiert, wenn gerade noch geforscht wird, erste Ergebnisse aber zur Besprechung und Debatte unter Wissenschaftlern schon mal vorab zugänglich gemacht wird. Auf Grundlage dieser Debatte werden dann weitere Erkenntnisse gewonnen, die Studie wird vervollständigt. Ähnlich war es bei der Heinsberg-Studie, die beim ersten Zwischenschritt ebenfalls Nachfragen und Kritik hervorrief. Damals titelte Bild: „Virologen im Corona-Clinch“. Interessant also: Die Streeck-Studie wurde von BILD nicht so angezweifelt.

Kein Aufschwung bei Bild.de

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Die Schlagzeilen rund um Drosten verursachten am Dienstag keine merkbare Steigerung der Aufrufzahlen von Bild.de
Warum also schießt BILD gerade gegen den vermeintlichen Nummer-1-Virologen. Medienexperte Stefan Niggemeier verfolgt die Entwicklung und Artikel des Blattes seit vielen Jahren, er ist einer der führenden Kritiker der Zeitung. Im Interview mit radio eins stellte Niggemeier fest, dass sich das Blatt schon seit Längerem als Merkel-Muss-weg-Medium profiliere. „Jedes Versäumnis, jedes Problem, jeder Konflikt wird extrem personalisiert ihr angelastet. Die Anti-Drosten-Kampagne wäre dann nur eine Erweiterung der Anti-Merkel-Kampagne - weil er sehr für die offizielle, die Regierungslinie steht.“ Auch Populismus könne eines der Motive für die Kampagne gegen Drosten sein: „Viele Menschen leiden unter den Corona-Beschränkungen, persönlich oder beruflich. Bild hat sich seit einiger Zeit zum Sprachrohr derjenigen gemacht, die ungeduldig sind, die drängeln, die eine schnellere Rückkehr zu irgendeiner Art von Normalität fordern“, sagt Niggemeier. „Interessant dabei ist, dass nach allen Umfragen die Mehrheit der Bevölkerung den Maßnahmen gar nicht so kritisch gegenübersteht und sie eher als Notwendigkeit sieht. Bild spricht hier also wohl nicht für die Mehrheit, sondern für eine Minderheit.“

Welche Meinung vertritt den Bild? Die Zahlen belegen, dass die Zeitung im Blätterwald seit Wochen einen Sonderweg geht. In zahlreichen Tageszeitungen ist Drosten der seit Anfang dieses Jahres meistzitierte Virologe in Zusammenhang mit dem Coronavirus. Sein Anteil in der taz liegt nach einer Spiegel-Berechnung bei 63 Prozent, im Spiegel selbst sind es 52 Prozent, in FAZ und WELT jeweils 45 Prozent.

Bild hingegen hat sich einen eigenen Virologen geholt, Jonas Schmidt-Chanasit, der unter anderem auch bei n-tv und anderen Sendern diverse Auftritte hat - und Drosten selbst in einem kürzlich geführten Interview verteidigt. Medien stellten natürlich wissenschaftliche Arbeiten oft verkürzt dar. Zurück aber zu den Anteilen von Virologen-Zitaten in verschiedenen Zeitungen - und da findet Drosten in der großen Zeitung mit vier Buchstaben unterdurchschnittlich oft statt: Drosten hat in Bild nur einen Zitatanteil von 22 Prozent.

Drosten. Die Nummer 1?


Grundsätzlich wird kein Virologe in Deutschland so oft gehört wie Drosten. Zwischen Januar und Mitte Mai kam er auf fast 1800 Erwähnungen in deutschen Tageszeitungen – die jüngsten Schlagzeilen um die BILD-Kampagne gegen ihn sind damit noch nicht eingerechnet. Mit unter 500 Nennungen folgen Hendrik Streeck und Alexander Kekule auf den weiteren Plätzen. Hat Drosten das etwa vor allem seinem Podcast «Corona-Update» zu verdanken? Vielleicht. Eine alleinige Erklärung ist dies nicht, weil die bloße Medienpräsenz sonst auch andere Virologen vermehrt anschieben müsste. Alexander Kekule etwa hat ebenfalls einen ARD-Podcast, der sogar häufiger erscheint als Drostens NDR-Format.

Kekule macht bis zu sechs Ausgaben die Woche, Drosten ist in aller Regel nur noch zwei Mal wöchentlich mit neuer Folge am Start. Und auch in Talkshows macht sich Drosten rarer als seine Kollegen. Seit Beginn der Pandemie in Deutschland trat er viel Mal bei «Maybrit Illner» auf. Schmidt-Chanasit nahm häufiger auf den Stühlen Platz, auch Kekule und Melanie Brinkmann geben ihr Wissen öfter zum Besten.

Verteidigung und Angriff


BILD-Chefredakteur Julian Reichelt verteidigt derweil seine Berichterstattung. „Wie die Medien gerade über @BILD berichten, statt über Drostens falsche Studie, wird uns ..massiv neue Leser bescheren. Es ist der beste Beleg dafür, dass manche sehr notwendige und höchst berechtigte kritische Fragen derzeit nur von BILD gestellt werden“, twitterte der Redaktionsleiter des Blattes in dieser Woche. Dass er damit möglicherweise recht hat, wird gar nicht mal bezweifelt. Niggemeier sagte radio eins: „Es könnte schon Leserinnen und Leser geben, die Bild tatsächlich gerade wegen ihrer Kampagne zulaufen. Zum Beispiel aus dem Umfeld des Vegan-Kochs Attila Hildmann.“ Hildmann ist einer der bekanntesten Corona-Regeln-Kritiker. „Diese Leute muss man natürlich erstmal haben wollen, als Leser“, sagt Niggemeier. „Und die, die so fundamental in Opposition zu Deutschlands Corona-Politik stehen, finden dann den stärkeren, befriedigenderen Stoff doch gleich in alternativen Medien. Denen liefert "Bild" gerade inhaltliche Vorlagen, die die noch in extremere Form weiterdenken.“

Ähnlich sieht es auch der viele Jahre für Bild arbeitende Politik-Journalist Gregor Streiter. Er hatte das Bild vor rund zwei Jahren verlassen. Streiter soll es gewesen sein, der dem Blatt für 15 Jahren eine seiner bekanntesten Headlines, nämlich „Wir sind Papst“, beschert hat. Via Facebook sagt Streiter nun: Es tue weh, „zu beobachten, wie der aktuelle Chefredakteur mit einer Handvoll gläubiger Jünger seit März 2018 die gute Arbeit der Mehrheit ihrer Kolleginnen und Kollegen ruiniert.“ Man wolle „Professor Christian Drosten zur Schlachtbank führen.“ Die getätigten Schlagzeilen in dieser Woche seien durch „nichts“, ja „gar nichts“ zu belegen, meint Streiter. Fakt ist auch, dass sich inzwischen sämtliche Virologen, deren angebliche Kritik an der Drosten-Studie Bild zitiert hat, von dem Zeitungsartikel distanziert haben. Einige berichteten via Twitter, angeblich nicht einmal mit dem Blatt gesprochen zu haben.

„Ich habe von Virologie keine Ahnung, aber von Journalismus durchaus. Ob Prof. Drosten immer alles richtig macht, weiß ich nicht. Aber ich bin mir ganz sicher, dass Prof. Drosten seinen Beruf weitaus besser kann als Herr Piatov seinen“, sagt Journalist Streiter. Piatov ist der Autor des Drosten-kritischen Textes des Blattes. Streiter führt aus: „Einen Piatov-Text dagegen kann man in 20 Minuten dahin rotzen. Egal, ob man Ahnung hat oder nicht. Egal, welchen Schaden man damit anrichtet. Egal, wen man gerade hinrichtet.“ Schmerzhaft für Bild: Die Krankenkasse AOK hat inzwischen erklärt, auf das Schalten von Anzeigen in dem Blatt vorerst verzichten zu wollen. Für gesetzliche Krankenkassen spiele Brand Safety eine wichtige Rolle - diese sei derzeit bei dem Blatt offenbar nicht gewährleistet. Die Zeitung sei momentan kein geeignetes Umfeld für eine Imagekampagne, heißt es.

Dass Bild sich dem Verdacht stellen muss, gerne eigene, strategische Ziele zu verfolgen, ist nicht neu. Früher begleitete das Blatt das beliebte RTL-Dschungelcamp umfassend, gerne auch mit einem Reporter in Down Under. Seit der Etablierung von RTL.de hat sich das geändert. Bild gibt sich nun kritisch und versucht immer wieder, Schummeleien in der Show aufzudecken. Vom Supporter hat sich Bild also zum Chef-Kritiker des Unterhaltungsspaßes gedreht.

Ob Bild dank der großen Schlagzeilen, wahr oder unwahr, nun einen Leserboom verzeichnet, wird erst in ein paar Tagen feststehen. Dann wird es entsprechende Daten der IVW geben. Kam Bild.de zu Hochzeiten der Pandemie in Deutschland auf über 90 Millionen Klicks pro Tag, waren es zuletzt wieder „nur“ um die 50 Millionen. Gut möglich, dass das Drosten-Bashing in diesem Punkt geholfen hat.

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Es gibt 23 Kommentare zum Artikel
Blue7
29.05.2020 14:44 Uhr 1
Der Panik-Virologe Drosten: Er kann nur labern und Panik verbreiten und trägt nichts dazu bei. 60-70% werden die Virus bis in 2 Jahren haben. Ja ich weiß wir werden jetzt alle an Corona sterben Herr Drosten.

In der Corona Zeit gab es einen Virologen der von HA/GEZ Geldern (NDR Podcast) sich finanziert, Preis erhalten soll und nur dünnschiss labert. Er heißt Drosten. Was hat der Mensch in Corona beigetragen nichts. Während andere Tests vor Ort. Studien usw. machten gibt er nur Interviews und stellt sich als Nr. 1 hin. Er wollte sich zurückziehen und schwupps wo die Gelder/Interviews ausblieben ist er wieder zurück mit irgendwelchen Heute so, morgen so Theorien. Ekelhaft der Mensch.

Ich frag mich nur, warum ignoriert die Bild diesen Menschen einfach nicht und gibt ihm immer wieder eine Plattform präsent zu sein.

So nebenbei. Auch bei ntv war dieser Mensch nie die Nr.1 oder Thema. Streeck war hier immer der Anprechpartner und Interiew Kandidat.
Fabian
29.05.2020 15:05 Uhr 2
Hast du dafür Quellen?
medical_fan
29.05.2020 15:48 Uhr 3
Ich kann @Blue7 da nur zustimmen.

Drosten labert viel wenn der Tag lang ist und wechsel häufiger seine "Experten" Meinung als jeder seine Unterwäsche.



Von der BILD kann man halten was man will, man sollte nur nicht vergessen dass andere Zeitungen wie Der Spiegel, Die Zeit oder die FAZ gleich schlimm sind. (Wenn nicht sogar schlimmer)
Neo
29.05.2020 16:01 Uhr 4
An den Kommentaren merkt man mal wieder, dass gar nichts verstanden wurde und was ein komisches Verhältnis manche doch zur Wissenschaft haben. Drosten ändert nicht seine Meinung, sondern trägt aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse vor und bevor er diese vorträgt, sagt er auch immer, dass er nun Bezug auf den wissenschaftlichen Stand nimmt.



Und das mit den anderen Medien ignoriere ich jetzt mal. Da muss man schon unwissend oder sehr rechts/links sein, um zu diesem Schluss zu kommen.



Und ja, es ist wirklich zu zu schade, dass die BILD Drosten nicht ignoriert.



Frage zum Artikel:
Wo fährt die WELT eine Kampagne?
Manuel Weis
29.05.2020 16:40 Uhr 5
Gerade am Mittwoch (und Donnerstag) erschienen da einige Artikel, die - natürlich- Bild weniger verurteilt haben als Blätter anderer Verlage. :)
Neo
29.05.2020 18:21 Uhr 6
Alle anderen sind aber auch immer schnell auf dem BILD/Springer-Bashing Kurs. Mal von der Methode und dem Framing abgesehen (das sollte man echt nicht beschönigen) ist es doch absolut legitim die Frage danach zu stellen, ob man bei der Schul- und Kitaschließlung richtig gehandelt hat und sich die Studie genauer anzusehen. Auch Kritik am Twitterverhalten Drostens würde ich nicht gleich in die BILD-Drosten-Kampagne-Ecke schieben.

Ich habe die WELT nicht als BILD-Verteidigungs- oder Anti-Drosten-Medium wahrgenommen. Die hatten sogar ein großes Stück, in dem sie erklärten, wie Pre-Studien einzuordnen sind und im Deutschlandfunk bezog ein WELT-Reporter auch nochmal Stellung und rüffelte das Vorgehen.

Der zitierte Absatz erweckt eben den Eindruck, dass die beiden Redaktionen nicht unabhängig sind, da gleicher Verlag. Das mag eine populäre Meinung sein und sicher gibts aufgrund der politischen Ausrichtungen die ein oder andere Überschneidung, aber über einen Kamm-Scheren (gerade in dem Fall) würde ich das nicht.
Kaffeesachse
29.05.2020 18:56 Uhr 7
Wer sich die Podcasts mal anhört (o je, viel zu lang für die Aufmerksamkeitsspanne vieler), merkt man schnell, dass Drosten selber sagt, was man ihm zu dieser Studie vorwirft. Und bis auf den Podcast taucht e sein Name höchstens oft auf, andere saßen dagegen viel öfter in Talkshows und Co. Aber gut, bei manchen ergibt sich warum auch immer ein merkwürdig schräges Bild.
Princeps
29.05.2020 19:58 Uhr 8
Manuel, ich weiß, dass ihr eine sehr liberale Linie fahrt, was die Kommentare der Nutzer:innen hier betrifft, und das akzeptiere ich, aber können wir nicht bitte eine Linie bei offensichtlichen und tendenziell beabsichtigten Unwahrheiten ziehen, wie Blue7 sie hier geschrieben hat?
Fabian
29.05.2020 20:31 Uhr 9
Ich antworte mal als Geschäftsführer.



Es gab vor einigen Jahren ein Urteil, das man andere Meinungen nicht aussperren darf, egal ob sie begründet sind oder nicht.



Das ist in einigen Sachen gut zb wenn man beim Produkthersteller Dinge nachfragen möchte und dieser das löscht oder gar einen sperrt. Auf der anderen Seite muss man dies auch ohne Quellenbelege stehen lassen. https://www.ratgeberrecht.eu/internetrecht-aktuell/virtuelles-hausrecht-in-einem-internetforum.html
Princeps
29.05.2020 20:44 Uhr 10
Es tut mir leid, aber es ist Unsinn, aus diesem Urteil eine Konsequenz auch für öffentlich einsehbare Kommentare abzuleiten. ZeitOnline moderiert ja nun auch. Zumal Blue7 hier keine Meinung geäußert hat, sondern eine sicherlich justiziable Äußerung von Unwahrheiten über eine Person.



Ich finde es unfassbar bedauerlich, wenn ihr euch einfach hierauf zurückzieht.
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