Es fing 2019 an: Frank Elstner, Erfinder von «Wetten, dass..?», startet auf seine alten Tage eine Karriere als YouTuber. In «Wetten, das war's..?» setzt er sich vor reduzierter Kulisse mit Größen aus dem deutschen Unterhaltungsgeschäft zusammen, wie Jan Böhmermann oder Helene Fischer. Lange, ruhige Gespräche, in denen Elstner sein Gegenüber mit wenigen Fragen zu vielsagenden Monologen anstachelt. Nun hat die YouTube-Karriere Elstners bereits wieder ein Ende gefunden. Er und «Wetten, das war's..?» sind zu Netflix gezogen. Somit verantwortet der Mann, der eine der beliebtesten Samstagabendshows des deutschsprachigen Raums erschaffen hat, nun, mit über 75 Jahren, die erste deutsche Netflix-Talkshow. Allein das ist schon ein erstaunlicher Umstand.
Und dem sind sich seine Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner auch vollauf bewusst: Die Netflix-Staffel von «Wetten, das war's..?» zeigt Frank Elstner im Gespräch mit Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf, die Elstner sichtbar bewundern. Eine weitere Ausgabe führt ihn mit Lena Meyer-Landrut zusammen, mit der Elstner vor rund einem Jahrzehnt eines seiner unkonzentriertesten, am schlechtesten vorbereiteten Interviews seiner Karriere führte – und wofür die deutsche Presse daraufhin Lena niedermachte, einfach weil Lena die wirren Fragen und Kommentare der einen schlechten Tag erlebenden Showlegende nicht nett grinsend über sich ergehen ließ. Und nun begegnen sich die «ESC»-Gewinnerin und der Moderationsdino gereift und besser vorbereitet zur Versöhnung wieder.
Ebenfalls zu Gast: Charlotte Roche, die selber zwei Staffeln lang in reduzierter Kulisse die Talkshowlandschaft verändern wollte und sich freudestrahlend auf das Gespräch mit Elstner einlässt, obwohl er sie gleich zu Beginn völlig ruhig auf die dunkelste Stunde in ihrem Leben anspricht. Und Daniel Brühl, dessen «Wetten, das war's..?»-Episode aus irgendeinem Grund in einer helleren Lichtsetzung stattfindet und der aus Ehrfurcht gegenüber Elstner in aller Ruhe seine Karriere analysiert.
Ehrfurcht – das ist die Geheimzutat von «Wetten, das war's..?»: Würde man sich, ohne zu wissen, welche Persönlichkeiten hier miteinander sprechen, schlicht Transkripte der Fragen und Antworten in dieser Gesprächssendung durchlesen, würde man wohl nicht schlecht staunen. Denn der Interviewer stellt gar nicht einmal so besondere Fragen. Viele von Elstners Fragen sind reiner Entertainment-Journalismus-Alltag, und manche von ihm sind unkonzentriert sowie missverständlich, so dass sein Gegenüber erst nachfragen muss, was Elstner eigentlich meint.
Doch im laufenden Bild erklärt sich, weshalb Elstner in «Wetten, das war's..?» damit nicht einfach nur durchkommt, sondern sogar Promi-Talkshow-Sternstunden verantwortet: Erstens, weil Elstner mit Leuten spricht, die ihn ehrlich interessieren (er kennt zum Beispiel so viele Joko-und-Klaas-Insidergags, er könnte vertretungsweise den ProSieben-Twitteraccount übernehmen), und die ihn so sehr respektieren, dass schon der sanfteste Schubser Elstners genügt, dass sie selbstreflektiert aus dem Nähkästchen plaudern.
Das ist schon eine sonderbare, äußerst sehenswerte Magie, die sich da an einem langen Tisch mit weißer Decke in einem dunklen Studio abspielt. Aber auch eine, die sich Elstner mit seinem Lebenswerk verdient hat – und sich in «Wetten, das war's..?» zudem mit der Gästeauswahl erarbeitet. Und: Ganz egal, wie unoriginell, ungeschliffen oder ungenau einzelne Fragen sein mögen – der Gesamtgesprächsverlauf und die Atmosphäre sind es, die zählen. Und dahingehend ist «Wetten, das war's..?» herausragend in der deutschen Talklandschaft: Elstner setzt sich neugierig hin und hört mit großer Freude zu. Alle Fragen zusammen ergeben ein uneitles, ehrliches Gespräch mit Sogwirkung.
So entsteht eine intime, besonnene Grundstimmung, in der die Promis das ausschütten dürfen, können und auch wollen, was ihnen bei Elstners Fragen in den Sinn kommt. Somit verhelfen sie mit tiefen, reflektierten Gesprächen Frank Elstner zu einem starken Spätwerk, das große Lust auf weitere Ausgaben erzeugt. Hoffen, dass es das noch nicht war.
«Wetten, das war's..?» ist auf Netflix abrufbar.
Es gibt 3 Kommentare zum Artikel
14.06.2020 19:46 Uhr 1
14.06.2020 20:23 Uhr 2
15.06.2020 02:45 Uhr 3
Das ist so nicht ganz korrekt. Joko lebt breits seit ein paar Jahren in München. Zum Zeitpunkt der Aufzeichnung dieser Folgen lebte er demnach bereits in München. Als Joko Auftritt, im letzten Abschnitt der Folge mit Klaas, sagt er ja auch das er aus München angereist sei.
Das die Aufzeichnung vor ein paar Monaten stattgefunden haben muss, scheint jedoch korrekt. Und es scheint auch so, dass man die Ausgaben relativ direkt hintereinander zumindest am gleichen Tag produziert hat. Hintergrund dürfte vermutlich die Kostenreduktion bzw. Kostenvermeidung sein.
Die Frage warum man nicht direkt gleich weitere Ausgaben oder Staffeln produziert hat, kann man ja im Grunde immer stellen, wenn Formate erfolgreich oder sehenswert scheinen. Bei der Produktion von Formaten und Inhalten handelt es sich bekanntlich primär um eine Dienstleistung, die meist im Zuge von Beauftragungen oder Bestellungen erfolgt. Bevor eine Produktion umgesetzt werden kann, braucht es also zunächst entsprechende Spezifikationen, Zusagen und Aufträge von Inhalteanbietern oder Verbreitern. Andernfalls besteht ein ziemliches finanzielles Risiko.
Man kann es also auf zwei Kernthesen zusammenfassen. Entweder Netflix hat nur diese Ausgaben bestellt und macht die weitere Produktion von gewissen Parametern abhängig, wie das in der Fernseh bzw. Medienbranche durchaus gängig ist. Eventuell wurde oder wird bereits eine weitere Staffel produziert, was allerdings noch nicht kommuniziert wurde.