0,00397 US-Dollar zahlte der Musikstreamingdienst Spotify im Jahr 2018 für das Hören eines Songs an einen Künstler. Für junge und recht unbedeutende Singer-Songwriter bedeutet das etwas mehr als ein Drittel eines Cents, sofern dieser von einem mittelgroßen unabhängigen Label mit über 200 Alben und über 200 Millionen Streams pro Jahr vertreten wird. Vor zwei Jahren ermittelte „The Trichordist“ diese Werte, die ohne starkes Label vermutlich noch deutlich geringer ausfallen werden.
In der Welt der Musik gehört Spotify gehört Apple zu den am schlechtesten bezahlenden Diensten, dennoch drücken die Rechtekosten das Betriebsergebnis. Obwohl der schwedische Streamingdienst seinen Anteil an monatlich aktiven Benutzern gegenüber Apple Music und anderen Mitbewerbern auf 299 Millionen ausbaute, fuhr man im zweiten Quartal ein Defizit von 167 Millionen Euro ein. Der Free-Cash-Flow stieg immerhin gegenüber dem ersten Quartal von -21 auf positive 27 Millionen Euro.
Ein großes Minusgeschäft ist bei Spotify das Gratis-Streaming in Corona-Zeiten, da der werbefinanzierte Umsatz um rund 25 Prozent auf 131 Millionen Euro zurückging. Außerdem schrumpfte der Umsatz pro Benutzer um neun Prozent im Jahresvergleich auf 4,41 Euro. Keine rosigen Zeiten für das schwedische Vorzeigeunternehmen, das seit Jahren versucht die Vorlieben seiner Nutzer zu ändern. Binnen eines Jahres wuchs die Podcast-Nutzung von 19 auf 21 Prozent, fast die Hälfte der hauseigenen Podcasts wurde im Jahr 2020 gestartet.
Dennoch ist das Verhältnis Musik-/Podcast-Streaming suboptimal, die meisten Benutzer hören noch einen überwiegenden Teil reine Musik bei dem schwedischen Anbieter. Spotify hat sich in den vergangenen Monaten massiv in dem Genre erweitert und hat vor allem im amerikanischen Bereich neue Stars zugekauft. In der vergangenen Woche startete die Firma mit der ehemaligen Ex-First Lady Michelle Obama das bekannteste Gesicht eine eigene Sendung.
In Deutschland hat man Jan Böhmermann und Oli Schultz unter Vertrag. Doch der zweite Sendetag und die erhöhte Taktung der Sendung führten jüngst zu Kritik. „Schulz kritisiert immer häufiger Böhmermanns Themenauswahl. Teilweise berechtigt.“, stellte Quotenmeter-Redakteur Sidney Schering fest. „Aber nach quälenden Wochen stellt sich gereizt die Frage: Könnt ihr euch für eure Spotify-Gage nicht endlich in einem Vorabgespräch darüber austauschen, wo die Reise hingehen soll, statt euch ergebnislos auf Sendung anzustänkern?!“. Ein Urteil, das auch viele Menschen bei Twitter beschäftigte. Auf Schulz‘ Hund war Böhmermann genervt, die vegetarische Phase von Olli wurde von Jan belächelt. Haben sich die beiden nichts mehr zu sagen? Steht das Duo gar von der Scheidung? Ende August kehrt die Talkrunde zurück.
Dennoch ist die Idee von Spotify nicht schlecht: Langfristig in eigene Inhalte investieren, die dauerhaft im Programm bleiben. Außerdem ersetzt eine Stunde Podcast ungefähr 20 bis 30 Songs, für die man Lizenzkosten bezahlen müsste. Aus diesem Grund erwarb man vor eineinhalb Jahren die Podcast-Produktionsschmiede Gimlet, die hinter verschiedenen Audioprojekten steckt. Das hat allerdings weniger mit Kreativität, sondern mit einem Mastbetrieb zu tun.
Hierzulande adaptierte Nilz Bokelberg (u.a. „Gästeliste Geisterbahn“) den Gimlet-Original-Podcast „Sandra“, der in deutscher Sprache als „Susi“ veröffentlicht wurde. Sieben Folgen wurden Anfang Juli veröffentlicht, in denen unter anderem Martina Hill (Susi), Almila Bariacik (Sara), Maximilian Mundt (Ronny) und Bastian Pastewka (Jens) zu hören sind. Während Bokelberg die Geschichte in die deutsche Sprache anpasst, schrieben Kevin Moffett und Matthew Derby das Hörspiel. Alia Shawkat («Arrested Development») und Kristen Wiig («Saturday Night Live») liehen die Stimmen. „Sandra“ wurde zeitgleich in viele weitere Länder exportiert.
Gimlet macht kein Geheimnis daraus, das Unternehmen als Legebatterie weiter auszuschlachten. Zahlreiche Podcasts wird Spotify selbst produzieren und in zahlreiche Sprachen adaptieren. Damit ist aber auch klar, dass man den gegensätzlichen Weg von Netflix wählt: Während das Videostreaming-Unternehmen lokale Ideen produzieren lässt, stammen die Formate aus den Vereinigten Staaten von Amerika und werden lediglich eingedeutscht.
Während der Podcast-Kurs eine klare Strategie verfolgt, sind die Absprachen zwischen der Entwicklungsabteilung von Spotify und dem Vorstandsvorsitzenden Daniel Ek nicht erkennbar. Selbst fünf Jahre nach dem Start von „Fest und Flauschig“ ist es nicht möglich, den Redeanteil und die Musik miteinander zu vermischen. Die Handy-App benachrichtigt bis heute nicht, dass ein neuer abonnierter Podcast zur Verfügung steht. Hört man die vorletzte Sendung zu Ende, landet man bei der Podcast-Ausgabe, die der Nutzer davor nicht abschloss – auch wenn diese über ein Jahr alt ist. Selbst die Sortierung und Navigation ist bis heute unordentlich. Selbst im Hörspielbereich sind Fehler enthalten, bei denen Außenstehende nur den Kopf schütteln. Eine Shuffle-Funktion bei Playlisten macht Sinn, aber wer hört schon Hörbücher in einer zufällig festgelegten Reihenfolge?
Fazit
Wie schon andere namhafte Unternehmen schraubt Spotify an seinem Geschäftsmodell. Zalando schrieb mit den Retouren von Schuhen massive Verluste ein, der Gewinntreiber von Amazon sind die hauseigenen Serverdienste. Microsoft setzt auf eine Office-Version in der Cloud und verschenkt inzwischen seine frühere Goldgrube Windows. Spotify sucht einen Weg, um die Menschen zu unterhalten, aber gleichzeitig die Verluste zu reduzieren.
Der Podcast-Markt ist umkämpft: Apple und zahlreiche Mitbewerber bieten die Inhalte kostenfrei an, Formate wie „Baywatch Berlin“ verkaufen innerhalb der Sendung Werbeplätze und sind auf Spotify nicht angewiesen. Zudem haben die deutschen Medienhäuser ProSiebenSat.1 mit FYEO und RTL mit AudioNow zwei Premium-Angebote gestartet. Der Podcast-Markt startet gerade erst in eine heiße Phase!
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