Filmfacts: «Tesla»
- VÖ: 20. August 2020
- FSK: 12
- Laufzeit: 102 Min.
- Genre: Drama/Biopic
- Kamera: Sean Price Williams
- Musik: John Paesano
- Buch und Regie: Michael Almereyda
- Darsteller: Ethan Hawke, Kyle MacLachlan, Jim Gaffigan, Eve Hewson, Eli A. Smith, Lucy Walters, Josh Hamilton
- OT: Tesla (USA 2020)
Der Erfinder des Drehspulmotors ist bis heute längst nicht so berühmt wie der Erfinder der Glühbirne (obwohl ja mittlerweile sogar eine populäre Automarke nach ihm benannt ist), doch wenn man ausschließlich nach den Filmen geht, war er definitiv die spannendere Person, der Michael Almereyda («Anarchie») nun einen über alle Maßen kreativen Film gewidmet hat, der mit weit mehr aufwartet als dem gängigen Standardrepertoire für Biopics.
Ein Erfinder wie von einem anderen Stern
Der junge Ingenieur Nikola Tesla (Ethan Hawke) ist ein vielversprechender Angestellter in Thomas Edisons (Kyle MacLachlan) Electric Light Company. Doch schon bald zeichnet sich ein Bruch zwischen den beiden sehr gegensätzlichen Männern ab, der sie zu lebenslangen Rivalen machen wird. Der brillante aber sozial unbeholfene Immigrant Tesla wendet sich an den Industriemagnaten George Westinghouse (Jim Gaffigan), der fortan Teslas Arbeit an seinem bahnbrechenden Stromsystem finanziert. Gleichzeitig arbeitet der genialische Erfinder bereits ungeduldig an einem neuen ambitionierten, vom Bankier J.P. Morgan (Donnie Keshawarz) finanzierten, Projekt. Dabei begegnet Tesla Morgans Tochter Anne (Eve Hewson) und steht vor der Entscheidung, sich weiter seiner Arbeit oder der Liebe hinzugeben.
Teslas ehemalige Geliebte Anne Morgan umrahmt das Filmporträt über „ihren“ Tesla als Erzählerin, die sich immer wieder direkt an das Publikum wendet. Um einige Ereignisse in Nikola Teslas Leben besser einzuordnen, nutzt sie auch aktuelle technische Möglichkeiten. Etwa, um via Google zu verdeutlichen, dass der Begriff „Thomas Alva Edison“ rund 64 Millionen Einträge zutage fördert, „Nikola Tesla“ dagegen gerade einmal halb so viele. Doch Morgan ist nicht dafür zuständig, ihren Mann in eine Opferposition des verkannten Genies zu rücken; im Gegenteil. Von einer subjektiven Einfärbung kann überraschenderweise keine Rede sein, obwohl das ja gerade bei dieser Beziehung zwischen der Erzählerin und dem, über den erzählt wird, überhaupt nicht unüblich wäre (wir erinnern uns: Im Falle von «Berlin Alexanderplatz» ging diese Idee eher daneben). Doch da aus den beiden nie mehr wurde als eine kurze, aber intensive Liaison ist sie gar nicht so sehr bestrebt, Tesla in Schutz zu nehmen.
Aber ihr gelingt eben ein Blick auf die private und die Wissenschaftlerpersönlichkeit, die in «Tesla» zu etwas kulminieren, was in den Regie- und Autorenhänden Michael Almereydas fast außerweltlich erscheint. So endet der Film zum Beispiel mit der Aussage, dass wir vielleicht jetzt in jener Welt leben, die Tesla sich einst erträumte. Teslas Balanceakt zwischen Träumer und Visionär steht hier im Zentrum.
Zwischen Visionär und Träumer
Das Träumerisch-verspielte findet sich auch in der Inszenierung wieder. Nicht bloß, weil durch die die Technologien von heute nutzende Anne von Anfang an deutlich gemacht wird, dass Almereyda nicht einfach nur die Stationen von Nikola Teslas Wikipedia-Eintrag abarbeitet (wie es etwa Alfonso Gomez-Rejon in «Edison» gemacht hat), sondern er sich ganz genau herausgesucht hat, welche Ereignisse für Tesla besonders prägend waren. Und das waren eben nicht bloß Momente wissenschaftlicher Erkenntnisse (Tesla meldete zu Lebzeiten mehr als 280 Patente an!), sondern vor allem solche privater und emotionaler Natur. Dass Nikola Tesla nämlich unter Zwangsneurosen litt und sich der Welt dadurch nicht recht zugehörig fühlte, illustriert Almereyda mit simplen Mitteln. Er schickt seine Hauptfigur auf Rollschuhen durch die Welt, umhüllt seine Bilder (Kamera: Sean Price Williams, «Good Time») mit einer Art milchigem Schleier, lässt sie plötzlich Tears for Fears‘ „Everybody wants to rule the World“ singen – alles Momente, in denen man nicht weiß, ob Tesla gerade träumt, ob Almereyda diese Szenen als moderne Entsprechung vergangener Ereignisse verwendet oder ob sie aus Teslas Wahrnehmung heraus in der Realität stattfinden.
- © Leonine
Thomas Edisons (Kyle MacLachlan): Erfinder der Glühbirne
Manche Szenen löst der Regisseur und Autor auf. Manche nicht. Tesla bleibt eine inkonstante Figur, wodurch es auch so schwerfällt, zwischen „Er hat eine brillante Idee!“ und „Er jagt wieder irgendwelchen Träumen hinterher!“ zu unterscheiden. Diese Offenheit (manche mögen es Unentschlossenheit nennen) zu beiden Seiten lässt sich «Tesla» gewiss vorwerfen. Gleichsam nimmt sie der porträtierten Figur das Heroische und zeichnet sie stattdessen als Mann mit Schwächen. Also einfach als Mensch. Etwas, was einem Biopic immer gut tut.
In die Hauptrolle des Nikola Tesla schlüpft Ethan Hawke. Der Lieblingsmime von Regisseur Richard Linklater wirkt auf den ersten Blick wenig präsent. Sein Tesla spricht nicht viel, seine Mimik beschränkt sich auf die notwendigen Züge. So passiert es nicht selten, dass er von den Umstehenden übersehen, ihm ins Wort gefallen wird. Doch die Augen Hawks verraten Teslas Beobachtung jeder Regung um ihn herum. Spätestens wenn er Anne Morgan trifft, bricht er ein klein wenig aus seiner selbst gewählten Isolation heraus, die er sonst nur dann verlässt, wenn er gezwungenermaßen geschäftliche Gespräche führen muss. Hawke gelingt es, dieses minimalistische Spiel nie in Lethargie kippen zu lassen. Tesla ist der Inbegriff eines stillen Wassers. Und nach und nach erschließt sich einem, wie tief genau dieses Wasser ist. Obwohl die Nebenfiguren um ihn herum weitaus weniger Screentime haben, wirken sie oft automatisch präsenter. «Twin Peaks»-Star Kyle McLachlan als extrovertierter Thomas Edison (übrigens eine 180-Grad-Wendung im Vergleich zu Benedict Cumbertatchs arg menschenscheuer Performance) poltert hier im Vergleich zu Tesla regelrecht. Selbiges gilt für Jim Gaffigan («Das Alibi») als George Westinghouse. Gleichsam erschließen sich einem so aber auch ihre verschiedenen Beziehungen zueinander, vor allem aber zur Geschichte der Elektrizität. «Tesla» ist erzählerisch längst nicht so nüchtern-akkurat wie «Edison», hinterlässt beim Zuschauer am Ende des Tages aber den Eindruck, viel mehr über alle drei Figuren preiszugeben.
Eine inszenatorische Überstilisierung wie in «Tesla» muss man mögen. Erst kürzlich geriet Marjane Satrapis Biopic über Marie Curie in die Kritik, da es sich ebenfalls diverse stilistische Freiheiten herausnahm, um das Leben der weltberühmten Physikerin eben nicht bloß als Nacherzählung eines Menschenlebens aufzuziehen, sondern ihre damaligen Erkenntnisse auch mit den Auswirkungen auf das Heute zu verknüpfen. Im Falle von «Tesla» ist es ähnlich, bisweilen sogar noch abstrakter. Wenn die Erzählerin immer wieder Diashow-artige Vorträge einschiebt, um sich einigen Lebensdetails besonders zu widmen; das erinnert dann fast schon an Lars von Trier. In erster Linie aber macht Michael Almereyda dadurch Lust, sich mehr mit der Figur Nikola Tesla zu beschäftigen. Und das muss man als Filmemacher auch erstmal schaffen.
Fazit
Nikola Tesla als Balancier zwischen Visionär und Träumer – Michael Almereyda kreiert mit „Tesla“ einen Film über den Wissenschaftler, an dem man sich aufgrund seiner auffälligen Stilistik reiben kann, der aber definitiv Lust darauf macht, sich mit der Persona Tesla auseinanderzusetzen.
«Tesla» ist ab dem 20. August in den deutschen Kinos zu sehen.
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