Endlich mal kein «Tatort» am Sonntagabend - die ARD punktete mit innovativem Fernsehen, sorgte für lange Stunden vor dem TV-Gerät - und holte zehn Millionen zu Ferdinand von Schirachs «Feinde», das gleichzeitig im Ersten und in den Dritten lief. In zwei Versionen. Experiment geglückt. So spannend kann Fernsehen sein.
Was wurde im Vorfeld nicht schon alles geschrieben zu dem Ereignis. Daher an dieser Stelle nur kurz etwas zum Inhalt: Millionärstochter wird entführt, Lösegeld bezahlt. Polizist ist sich sicher, dass ein Hausangestellter der Täter war und zwingt ihn mit Waterboarding-Folter zum Geständnis. Zu spät, weil die Zwölfjährige inzwischen an einer Kohlenmonoxid-Vergiftung stirbt. Der Gerichtsprozess nimmt die Hälfte der Sendezeit in Anspruch. Und sorgt für die gewollten Diskussionen deutschlandweit. Denn der Entführer wird freigesprochen, da ein erzwungenes Geständnis nicht verwertet werden kann. Weitere Beweise, dass er es war, gibt´s nämlich nicht.
Es geht um die Menschenwürde. Die ist laut Gesetzen unantastbar und gilt auch für mutmaßlich Gesetzesuntreue. Und im konkreten Fall für einen verdächtigen Entführer. „Gegen die Zeit" lief im Hauptprogramm der ARD. Zeigt den Fall aus der Sicht des Polizisten Peter Nadler, gespielt von Bjarne Mädel. „Das Geständnis" heißt Version zwei. Anwalt Konrad Biegler, dargestellt vom grandiosen Ex-«Bond»-Bösewicht Klaus Maria Brandauer, verteidigt den mutmaßlichen, ja eigentlich sicheren Täter Georg Kelz und nimmt den Kommissar bis zum Freispruch auseinander.
Umfragen zeigten, dass überwiegend Eltern, aber auch Polizisten den Freispruch als ungerecht empfinden, Juristen aber damit gut klar kommen. Es zählt also die Vorgabe des Rechtsstaates, die Schuldfrage mag sich dem unterordnen. Einerseits verständlich, andererseits bitter. Wenn Nadler beispielsweise sagt, er dürfe einen Täter, der ein Kind zu erschießen droht, jederzeit töten, zu weitaus weicheren Mitteln zu greifen, sei ihm aber nicht erlaubt. Zum Schutz der Würde eines jeden Menschen. „Und was ist mit der Würde des Opfers?", fragt der Polizist? Antwort? Bewusst keine im TV!
Ein gutes Sendeformat, das zum Denken anregt, das letztlich mit zwei Mal 90 Minuten (plus eine halbe Stunde Doku im Ersten) deshalb etwas zu lang geriet, weil sich beide Versionen in erster Linie bei der Gerichtsverhandlung nur in Sachen Kameraeinstellung unterschieden. Vorher ging es hier wie da um das Privatleben: Kommissar Nadler hat auch eine junge Tochter, Anwalt Biegler ist gesundheitlich angeschlagen und wird zudem von seiner Frau zur Niederlegung des Mandats gedrängt, weil sie mit der Familie des zu Tode gekommenen Opfers befreundet ist.
Er aber, der Fahrräder ablehnt, was in der Geschichte auch ein bisschen des sonst nicht notwendigen Humors bringt, ist im Dienst der Rechtsauslegung unterwegs und gewinnt. Gegen den Polizisten, der aus Instinkt handelt und entgegen der Vorgaben seiner Vorgesetzten zum nassen Tuch und viel Wasser über dem Gesicht von Kelz greift. Folterszenen, die parallel beides auslösen: Endlose Wut auf einen Entführer, der letztlich den Tod eines Kindes verursacht, auch wenn unter unglücklichen Umständen durch einen zufällig verstopften Kamin; aber auch das Rätseln über die Frage, ob solche Methoden in eine zivilisierte Menschheit passen.
Zudem der Tatverdächtige zum Zeitpunkt des Waterboardings ja nur verdächtig war - und lediglich in den Augen des Kommissars der sichere Entführer. „Was wäre, wenn wir Lisa hätten retten können?", fragte er am Ende in Richtung Biegler. „Dann wären sie für mich ein Held", sagt der Strafverteidiger und stellt die Intention des Film-Experiments somit auf die Spitze. Mit dem Zusatz: „Helden werden verehrt. Aber sie scheitern!"
Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
04.01.2021 11:46 Uhr 1
04.01.2021 14:51 Uhr 2
Naja gut Geschmäcker sind verschieden aber so verschieden?