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Jahresrückblick 2005/2

von
Im zweiten Teil unseres Jahresrückblicks lassen Sat.1 Anchor Thomas Kausch und der stv. Quotenmeter.de Chefredakteur den Tod des Papstes Johannes Paul II. Revue passieren. Ein weiteres wichtiges Thema des Jahres war die vorgezogene Bundestagswahl und die daraus hervorgehende große Koalition.



Herr Kausch, Sie haben die Nachrichten vor gut 15 Monaten übernommen. Zuvor galt RTL aktuell als das Flagschiff unter den privaten Nachrichten – inzwischen haben die Sat.1 News gewaltig aufgeholt. Sind Sie schon am Ziel angekommen?

Nein, sicher nicht. Im Nachrichtengeschäft ist die Verlässlichkeit das Wichtigste. Bei RTL gibt es eine enorme Konstanz in diesem Bereich. Peter Kloeppel macht seit über zehn Jahren die Nachrichten – immer an der gleichen Stelle. Und nicht umsonst schauen die Menschen auch so regelmäßig die «Tagesschau». Selbst, wenn Themen darin vorkommen, die sie eigentlich gar nicht interessieren. Das ist die Verlässlichkeit, die über Jahre hinweg aufgebaut werden muss – hat auch was von einem Ritual. Da stehen wir noch ganz am Anfang – wir kämpfen jeden Tag um jeden Zuschauer. Das ist zum einen anstrengender, aber zum anderen hält es die Redaktion auch wach. Wir sind aber sehr ermutigt, diesen Weg konsequent weiter zu gehen. Es ist bisher wirklich gut gelaufen, sowohl was die Zuschauerzahlen als auch was die Ergebnisse der Marktforschung betrifft. Unser Image hat sich extrem schnell ins Positive gedreht.



Sie haben das Studio ein bisschen geändert? Im Hintergrund ist jetzt ein weiterer Raum und eine große Treppe zu sehen…

Wir mussten mehr Tiefe schaffen. Das hat mich beim alten Studio genervt. Dieses Problem ist ein Nachteil eines virtuellen Studios – man muss aufpassen, dass man genug Tiefe erzeugt. Im ersten Studio hatten wir im Hintergrund nur diese blaue Wand und das hat mir eigentlich nicht gefallen. Es erinnerte mich immer ein bisschen an die Nachrichten der dritten Programme.



Der Platz neben ihnen bleibt künftig leer. Norbert Dobeleit moderiert den Sport – zumindest um 18.30 Uhr – nicht mehr. Warum?

Es hat sich herausgestellt, dass wir den Sport nicht so intensiv machen. Wir wollten diese Rubrik nicht ritualisieren. Wir wollten keine Sportmeldungen bringen, nur weil es eine Sportrubrik gibt, egal ob es aus journalistischer Sicht etwas Interessantes zu vermelden gibt oder nicht. Von daher macht es wenig Sinn, einen eigenen Sportmoderator zu haben, der dann nur eine Anmoderation macht. Außerdem bin ich selber Sport-Fan.



Ostern 2005. Der Papst ist krank, war in den Wochen vor Ostern mehrmals in der Gemelli-Klinik – die Ärzte operierten ihn an den Stimmbändern. Als die Meldung um die Welt ging, der Papst läge im Sterben, versammelten sich Hunderttausende Gläubige am Petersplatz in Rom um sich von ihrem Papst zu verabschieden. Wie passt das mit dem Bild der sonst eher leer stehenden Kirchen zusammen?

Ich denke, da ist eine gewisse Eigendynamik entstanden. Ich war selbst Ministrant, war in einer Klosterschule und habe sämtliche strengen Regeln und Rituale mitgemacht. Eben genau die Dinge, mit denen man während des Aufwachsens Schwierigkeiten hat. Genau das aber ist zu diesem Zeitpunkt wieder interessant geworden. Denken wir an den weißen Rauch, der aufsteigt, wenn ein neuer Papst gefunden ist – die Menschen haben tagelang darauf gewartet. So wurden die ganzen Meldungen um den Papst mit schlichten Mitteln ganz schön spannend gemacht.



Fiel es Ihnen schwer, einen neuen Papst an der Spitze zu akzeptieren? Für viele war Johannes Paul II. der Papst, vor allem wegen seines langen Pontifikats – die jüngeren unter uns kannten ja auch nur ihn… Mussten Sie sich also erst an seinen Nachfolger gewöhnen?

Nein.



Kardinal Ratzinger ist der neue Papst Benedikt XVI. Hätten Sie sich vielleicht lieber einen anderen Papst gewünscht? Vielleicht sogar einen dunkelhäutigen?

Schwer zu sagen. Eigentlich schon. Als es dann soweit war und die Bild mit „Wir sind Papst“ die Überschrift des Jahres lieferte, haben wir uns alle natürlich gefreut. Ich habe an diesem Abend selbst moderiert und diese Meldung hat uns alle irgendwie historisch berührt. Diese Papstwahl hatte plötzlich eine „persönliche Dimension“, weil eben ein Deutscher gewählt wurde. In diesem Moment hat auch niemand mehr daran gedacht, dass Ratzinger eigentlich eher konservativ ist und in Deutschland auch eher unpopulär war. Er hat auch zu Lebzeiten von Johannes Paul II. eine Kirche verkörpert, die man als moderner Christ eigentlich nicht wollte. Ich denke, viele haben sich aber gesagt, dass er auch eine Chance haben soll.



Einem Zivildienstleistenden aus Nordrhein-Westfalen hat für einen Golf 189.000 Euro bekommen, nur weil dieser eben früher einmal Josef Kardinal Ratzinger gehörte. Hand aufs Herz – wer zahlt denn soviel Geld für so etwas?

(lacht) Das ist einfach ein bisschen Gaga und es spricht auch für das „Gagahafte“ unserer Zeit.



Im Juli erschütterten schwere Terroranschläge Europa. Diesmal traf es London. Selbstmordattentäter von Al Quaida sprengten sich in Bussen und U-Bahnen in die Luft. Der Terror hat Europa endgültig erreicht. Müssen wir in Deutschland Angst haben?

Diese Frage stellt sich ja nicht erst seit den Anschlägen in London. Auch in Istanbul und Madrid gab es schon solche Attentate. Natürlich können wir uns hier nicht in Sicherheit wiegen, nur weil wir beim Irak-Krieg nicht mitgemacht haben. Direkte Angst vor einem Anschlag hatte und habe ich aber nicht. Das ist auch alles noch ein bisschen abstrakt. Wenn das erste Mal in Berlin eine Bombe hochgeht, würde man aber sicherlich anders denken.

Interessanterweise haben aber viele vergessen, dass London während der Zeiten der IRA immer ein heißes Pflaster war, wo in Papierkörben immer wieder Bomben explodiert sind. Ich denke, dass viele Londoner nach einer langen Zeit der Ruhe jetzt wieder daran gedacht haben. Beeindruckend ist aber, mit welcher britischen Gelassenheit und mit welchem Aufrechten Gang die Menschen dort weiter in die U-Bahnen und Busse gestiegen sind.



Einen Boom erlebte dieses Jahr die Telenovela. Schauen Sie selbst solche „TV-Groschenromane“, wie sie die Süddeutsche einmal nannte?

Nein, dazu komme ich gar nicht.



Warum sind solche Formate derzeit so erfolgreich? Ist es die Flucht in eine „heile Welt“?

Grundsätzlich schon. Andererseits ist es wie in der Mode: Das eine kommt, das andere geht. Und irgendwann kommt alles mal wieder.



Ein sehr entscheidendes Thema im Jahr 2005 liegt vor uns. Alles begann am Tag der Landtagswahlen in NRW. Die SPD verlor ihre Hochburg an die CDU – Franz Müntefering kündigte Neuwahlen an. Ich nehme an, dass auch Sie diese Entscheidung überrascht hat.

Natürlich. Damit hat niemand gerechnet. Selbst für Wolfgang Clement und andere enge Mitarbeiter kam diese Meldung überraschend. Ich kann mich noch gut zurückerinnern, dass um Punkt 18:30 Uhr, als unsere Sendung begann, diese Meldung bei mir auf dem Bildschirm auftauchte. „Müntefering ruft Neuwahlen aus!“ Ich wollte die Meldung eigentlich gleich verlesen, dachte mir aber zuerst, dass das nur ein Fehler sein kann – und so recherchierten wir in den nächsten Minuten sehr intensiv, um das zu bestätigen und zu vermelden.

Der Traurigste in diesem Moment war sicherlich Jürgen Rüttgers, der so um die Siegesfeier gebracht wurde. Es hat sich ja keiner mehr für seinen Sieg interessiert.



Welche Taktik steckte dahinter? Angesichts der Meinungsumfragen konnte Schröder wohl kaum an einen erneuten Sieg geglaubt haben.

Wieso eigentlich nicht? Er hat mit diesem Schritt alles auf eine Karte gesetzt. Ich denke, dass die SPD-Führung hoffte, dass innerhalb dieser kurzen Zeit das Chaos in der CDU ausbricht. Vermutlich dachte er auch, Merkel wäre leichter zu schlagen, als ein Jahr später ein möglicher Unionskanzlerkandidat wie Christian Wulff.



Spannend war auch der Wahlabend. Der meilenweite Vorsprung der Union war zusammengeschrumpft – teilweise lagen die Prognosen der beiden großen Parteien nicht mal ein Prozent auseinander. Das passt in das verrückte Bild.

Der Wahlkampf war einer der kürzesten, den es je gegeben hat. Dadurch war er auch einer der intensivsten, den es je gab. Die im Sommer verbreitete Aufbruchsstimmung war so auch schnell wieder verbraucht. Ich denke, dass die Menschen ohnehin mit eher wenig Begeisterung zur Wahlurne gegangen sind. Dass die Richtungsentscheidung letztlich ausblieb, zeigt wohl, dass wohl viele keine Lust mehr hatten, dass CDU/CSU und SPD grundsätzlich aufeinander einhacken. Weil dadurch nichts vorankam, haben die Wähler die beiden großen Parteien gezwungen, es miteinander zu versuchen.



Hat die große Koalition eine Chance? Wird sie gute Arbeit leisten?

Das kann man jetzt noch nicht beurteilen. Ich sehe das aber eher optimistisch. Das Glas ist halb voll…



Erste Konzepte sind bekannt: Man hört vor allem von Sparplänen und drastischen Kürzungen. Ist das ein Weg Deutschland aus der Krise zu führen?

Nach allem was man hört, darf nicht nur gespart werden. Die Menschen müssen auch angespornt werden, Geld auszugeben. Insofern scheint das schon ein Widerspruch zu sein. Einerseits haben alle führenden Wirtschaftsexperten und –manager die Mehrwertsteuererhöhung kritisiert und der Regierung einen „fulminanten Fehlstart“ attestiert, andererseits hat Angela Merkel um eine Chance gebeten, weil die Parteien dieses Konzept sehr sehr lange ausgearbeitet haben. Wenn man da selbst kein Experte ist, kann man am besten nur zweckoptimistisch sein.



Besten Dank Herr Kausch. Am kommenden Sonntag, dem 1. Weihnachtsfeiertag erscheint der dritte und letzte Teil des diesjährigen Rückblicks. Manuel Weis und Thomas Kausch diskutieren dann über Michael Ballack sowie die Tops und Flops des Jahres 2005.

Kurz-URL: qmde.de/12443
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