True-Crime, nun mischt also auch die UFA auf diesem Segment mit. Wie erklären Sie sich den Erfolg dieses Genres?
Der Erfolg des Genres Crime generell ist unbestritten keine neue Entwicklung. Seit es Bewegtbild gibt, ist Crime schon immer ein fester Bestandteil. Sowohl Krimis sind ungebrochen erfolgreich als auch Formate aus dem Fahndungssektor, wie beispielsweise «Aktenzeichen XY… ungelöst», das bis heute ein Evergreen bei Jung und Alt ist. True-Crime ist nun eine weitere Facette des Genres: echte Verbrechen, wahrhaftig und journalistisch nacherzählt. True-Crime hat das Potenzial viele Leute zu binden, weil man viel perspektivischer erzählen kann und so den Zuschauer geradezu mitnimmt, den Fall in all seiner Tiefe aus den verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten.
Warum ist die UFA da nicht schon früher auf den Zug aufgesprungen? Vor allem in den USA gibt es haufenweise Formate.
Die UFA widmet sich immer schon Themen, die von großem Interesse sind. Im fiktionalen Bereich werden Crime-Themen lange schon bespielt. Die Erweiterung auf den Factual-Bereich mit True-Crime-Formaten ist nur konsequent und wird auch durch die intensive Zusammenarbeit innerhalb der Bertelsmann Content Alliance vorangetrieben. So können wir beispielsweise beim Projekt «Der Maskenmann» auf der herausragenden Expertise der Kollegen von STERN CRIME aufbauen. Durch ihre Kontakte und Erfahrungen haben wir eine wertvolle Basis für unser gemeinsames Projekt.
So doof es klingen mag: Fehlt es in Deutschland an interessanten Stoffen?
Nein, ganz und gar nicht. Es gibt in Deutschland viele spannende, vielseitige Fälle und erfahrene, tolle Ermittler, deren detaillierte Arbeit mehr als nur einen Blick wert ist. Darunter sind Fälle, die teilweise schon lange her sind und heute wieder interessant sind, da mittlerweile neue Ermittlungsergebnisse vorliegen, aber auch jüngere Fälle, die für Aufsehen gesorgt haben. Es gibt genug Stoffe in Deutschland, daher sehen wir im Bereich True-Crime auch eine so große Perspektive.
Mit «Der Maskenmann» bedienen Sie direkt viele verschiede Delikte, die schrecklich wie grausam sind. Warum wurden gerade die pädophilen Taten von Martin N. ausgewählt?
Die Grausamkeit dieses Falles hat auch unsere Redaktion immer wieder an ihre Grenzen gebracht. Sich mit diesen unfassbaren Taten zu beschäftigen, ist sehr fordernd. Dieser Fall ist in Deutschland schlichtweg einzigartig: Ohne Skrupel hat sich der ‚Maskenmann‘ in die Wohnungen und Schullandheime geschlichen und an die Betten der Kinder gesetzt. Da wird schlicht ein Alptraum wahr. So hat der ‚Maskenmann‘ eine ganze Region über Jahre in Angst und Schrecken versetzt. Das hat den Alltag der Menschen dort bestimmt. Aus diesem Grund ist es für uns auch sehr wichtig, weniger die Täter- als vielmehr die Opferperspektive einzunehmen und mit der gebotenen journalistischen Sorgfaltspflicht den Fall aufzuarbeiten.
Die Doku-Serie möchte auch die Konsequenzen für die Opfer beleuchten. Wie schafft man das, ohne gleich eine ganze, eigene Serie zu machen, aber gleichzeitig die Opfer auch nicht zu kurz kommen zu lassen?
Deswegen haben wir die Dokumentation von Beginn an mit drei Folgen geplant. Durch die Konzeption als Serie mit drei Folgen konnten wir sicherstellen, dass wir ausreichend Raum haben, den Fall in seiner ganzen Tiefe zu betrachten und uns ausführlich auch den Opfern zu widmen. Es geht eben nicht nur um die Morde und den Missbrauch, sondern vor allem auch um die Familien und die Angehörigen, denen die grausamen Taten dauerhaftes Leid verursachen. Wir hatten die Zeit, den kompletten Fall mit Ruhe und Sorgfalt zu dokumentieren und dank TV Now haben wir einen Partner, der uns die Möglichkeit gegeben hat, diese ruhige Erzählweise auch durchzuhalten.
Scheuten sich manche Opfer auch vor der Kamera?
Selbstverständlich gibt es Opfer, die nicht vor die Kamera wollen. Den Menschen und Angehörigen, denen es allerdings ein Bedürfnis war, noch einmal über den Fall zu sprechen, auch um der Nachwelt zu erläutern, was das alles für sie bedeutet hat, haben wir die Chance dazu gegeben. Dazu sprechen wir mit dem Gutachter, der Martin N. persönlich begutachtet hat und von dessen Gutachten das Strafmaß abhing, sowie mit den beiden Ermittlern Martin Erftenbeck und Alexander Horn, die in mühevoller Kleinarbeit den Täter überführt haben.
Im Januar gab es neue Entwicklungen, da der Maskenmann auch einen französischen Jungen ermordet haben soll und deshalb nach Frankreich ausgeliefert wurde. Hat man diese Entwicklung noch mit in die Serie mit aufnehmen können?
Ja, das haben wir auch aufgegriffen. Wir haben extra aufgrund der aktuellen Entwicklungen einen weiteren Dreh in Frankreich organisiert. Dafür gilt ein besonderer Dank für die schnelle und unkomplizierte Zusammenarbeit den französischen Kollegen der Produktionsfirma Phare Ouest, der Zeitung Le Parisien und des Fernsehsenders M6. Der Fall beschäftigt die Öffentlichkeit in unserem Nachbarland, definitiv.
In der dreiteiligen Doku kommt auch Fallanalytiker Alexander Horn zu Wort. War es für ihn sogar möglich, sich in die dramaturgische Konzeption miteinzubringen?
Alexander Horn hat uns mit seinem kriminalistischen Sachverstand maßgeblich beraten. Er stand damit nicht nur ausführlich als Interviewpartner für die Dokumentation zur Verfügung, sondern hat auch hinter den Kulissen mit uns besprochen, was man bei diesem Fall alles berücksichtigen muss.
Haben Sie auch mit dem ‚Maskenmann‘ selbst gesprochen?
Mit dem ‚Maskenmann‘ Kontakt aufzunehmen, haben wir von Beginn an kategorisch ausgeschlossen. Darin waren sich alle Verantwortlichen der Dokumentation einig. Die Taten, die er begangen hat, sind ausreichend ermittelt, um sie darzustellen. Wir haben uns ganz bewusst entschieden, ihm keinesfalls ein Forum zu geben, in dem er seine grausamen Taten erklärt. Wir haben zudem auch den begründeten Verdacht, dass er immer noch versucht, seine Opfer zu manipulieren. Hier sehen wir es ganz eindeutig als unsere ethisch-moralische Verantwortung, ihm keinerlei Plattform zu bieten.
Bis heute sind seine Taten nicht vollständig aufgeklärt. Konnten Sie den Ermittlungen durch die Recherchearbeit helfen?
Darauf zielen wir mit der Dokumentation nicht ab. Uns geht es darum, den Fall in seiner ganzen Tiefe mit journalistischer Sorgfalt darzulegen und auch die Opfer ausführlich zu Wort kommen zu lassen.
Gab es dabei auch Dinge, die Sie gar nicht in die Serie aufnehmen durften?
Nein, wir durften alles erzählen und unterlagen keinerlei Zensur.
Sabine Rückert zeigt im Podcast „Zeit Verbrechen“ alle 14 Tage, dass True-Crime auch abseits von Mord und Missbrauch interessant sein kann. Wird die UFA in Zukunft auch solche Stoffe zum Anlass für Produktionen nehmen?
Wie schon gesagt, sehen wir großes Potenzial im Bereich True-Crime und wollen hier auch weiter investieren. Dabei sind wir natürlich auch für andere Themenschwerpunkte und Fälle offen.
«Der Maskenmann» ist seit 1. März 2021 bei TV NOW zu sehen.
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