Die Kritiker

«Kommissar Dupin – Bretonische Spezialitäten»

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Einem Mord vor Dutzenden von Zeugen folgt die Verhaftung der Mörderin. Damit wäre der Fall eigentlich schon aufgeklärt. Nicht aber für Kommissar Dupin, der selbst Zeuge des Verbrechens geworden ist. Irgendetwas nämlich schmeckt dem Ermittler an diesem Fall überhaupt nicht.

Stab

DARSTELLER: Pasquale Aleardi, Jan Georg Schütte, Franziska Wulf, Nadja Becker, Hedi Kriegeskotte, Peter Franke, Max Koch, Franziska Junge, Thomas Niehaus, Claire Peron, Damien le Délezir, Katharina Behrens, Till Wonka, Till Demuth, Bettina Burchard
REGIE: Bruno Grass
DREHBUCH: Eckhard Vollmar (nach einem Roman von Jean-Luc Bannalec)
MUSIK: Fabian Römer, Steffen Kaltschmid
KOSTÜME: Claudia Karla Koch
KAMERA: Tobias Schmidt
PRODUZENTEN: Iris Kiefer, Mathias Lösel

«Kommissar Dupin – Bretonische Spezialitäten» ist eine Produktion der filmpool fiction im Auftrag der ARD Degeto für die ARD. Gedreht wurde von 21. September bis 20. Oktober 2020 in Saint-Malo, Saint-Servan, Saint-Coulomb und Dinard, Bretagne, Frankreich.
Blanche Trouin (Franziska Junge) ist eine Spitzengastronomin. Im kleinen Saint-Malo genießt sie regelrechten Starruhm. Schon ihr Vater war ein bekannter Gastronom, Blanche aber hat ihn noch einmal übertrumpft. Kommissar Dupin (Pasquale Aleardi) weiß, dass es kein billiges Vergnügen wird, die Gastronomin für ein kleines Bankett für sich zu gewinnen, aber er möchte seiner Freundin etwas Besonderes bieten und daher begibt er sich auf den Weg in die kleine Stadt. Nur um stante pede Zeuge eines Streits zwischen der Gastronomin und ihrem Ehemann Kilian (Max Koch) zu werden. Ein wenig peinlich ist die Situation schon, aber Blanche rettet den Moment, indem sie Dupin kurzerhand einlädt, sie in die Markthalle zu begleiten. Man plaudert, die Köchin hat einige wunderbare Ideen und zwischen all den Leckereien aus der Region vergisst Dupin den peinlichen Moment, um schließlich an einem Stand mit Käsespezialitäten zu verweilen. Einen kurzen Moment nur, der vollkommen ausreicht, um die Katastrophe, die sich anbahnt, nicht verhindert zu können. Nur ein paar Stände weiter gerät Blanche in einen Streit mit einer jungen Frau – die in ihrer Wut nach einem Messer greift und dieses Blanche in den Bauch rammt.

Dupin nimmt die Verfolgung der jungen Frau auf und stellt sie nahe eines Leuchtturmes. Widerstandslos lässt sie sich verhaften. Das Blut klebt noch an ihren Händen. Der Kommissar mag die Täterin verhaftet haben, für Blanche aber kommt jede Hilfe zu spät.

Die Mörderin heißt Lucille Trouin (Nadja Becker) und ist Blanche Trouins jüngere Schwester. Die Fakten erscheinen eindeutig: Ein Familienstreit ist eskaliert. Warum und wieso sie sich gestritten haben, das zu ergründen fällt an sich nicht mehr in Dupins Zuständigkeit. Er hat getan, was er tun konnte, um der Täterin habhaft zu werden. Doch Dupin fühlt sich persönlich in den Fall involviert und sucht das Gespräch mit Lucille. Das Messer, das sie benutzt hat, lag auf einem Markttisch. Demnach ist die Tat im Affekt geschehen, ungeplant. Die Schwestern haben sich gestritten, der Streit eskalierte. Wenn Lucille Dupin erzählt, warum sie sich gestritten haben, wird dies bei einem Urteilsspruch für sie gewertet. Die Täterin aber schweigt. Dass dieser Fall Geheimnisse in sich birgt, dessen ist sich Dupin sicher als er dem Ehemann der Verstorbenen die Nachricht vom Tod seiner Ehefrau überbringt - und der sich zunächst sorgenvoll nach dem Befinden seiner Schwägerin erkundigt.

Schon die ersten zehn Minuten des neunten Falles des bretonischen Kriminalbeamten Dupin sind spannender und temporeicher als der gesamte achte Teil, der im Mai 2020 im Ersten ausgestrahlt worden ist. «Bretonisches Verhältnis» gehört zu den Filmen, die Anästhesisten vor aufwendigen Operationen als Einschlafhilfe einsetzen, um Patientinnen und Patienten sanft auf den bevorstehenden Eingriff vorzubereiten, indem sie sie in eine Vor-Trance versetzen, die ihnen das Einschlummern angenehmer gestaltet. «Bretonische Spezialitäten» mag zwar auch den Kriminalfilm nicht neu erfinden, doch schon die Inszenierung der Tat ist nicht nur temporeicher als der gesamte Vorgängerfilm, er lässt vor allem auch einige Fragen im Raume stehen. Was haben wir – die Zuschauer – tatsächlich gesehen und gehört? Haben wir tatsächlich die Tat gesehen? Oder ist diese Tat nicht nur ein Mosaikstein eines viel größeren Bildes?

Dupin auf jeden Fall muss sich durch ein Dickicht von Vermutung und seltsamen Spuren kämpfen. Da ist etwa der Besitzer eines Antiquariats, der mit Lucille kurz vor der Tat Kontakt aufgenommen hat. Ein belesener Mann, der spurlos verschwunden ist als Dupin ihn aufsuchen möchte. Dafür findet Dupin in seiner kleinen Buchhandlung einen Stapel von Büchern, die sich nicht nur mit der Geschichte der Region auseinandersetzen. Die Lesezeichen, die der Buchhändler gesetzt hat, beziehen sich alle auf die Familie Trouin, die bereits seit Generationen in der Region ansässig ist und deren Vorfahren durchaus Spuren hinterlassen haben. Hat der Buchhändler einfach nur etwas Heimatforschung betrieben? Oder steckt mehr hinter seinem Interesse?

Zwar erreicht die Inszenierung nie wieder das Tempo und die Dichte des ersten Aktes, einige überraschende Wendungen aber halten das Interesse am Kochen. Gerade das Infragestellen des Offensichtlichen verleiht der Geschichte ihren Reiz. Darüber hinaus funktioniert der Aspekt der Regionalität in diesem Film. In der Besprechung des «Bretonischen Vermächtnis»' hieß es wenig schmeichelhaft: „Nun gelingt es Regionalkrimis oft durch lokales Flair ein bisschen Atmosphäre zu erzeugen und von Schwächen in der Dramaturgie oder Handlung abzulenken. Doch leider muss man konstatieren, dass es ziemlich egal ist, ob dieser Film an der rauen Atlantikküste (…) spielt oder am Ufer des Dortmund-Ems-Kanals in Castrop-Rauxel-Henrichenburg. Regionale Eigenarten (und seien sie nur hübsch verpackte Klischees) spielen ebenso wenig eine Rolle in der Geschichte wie landschaftliche Besonderheiten.“ Diesen derben Vorwurf kann man «Bretonische Spezialitäten» nun wirklich nicht machen. Inwiefern diese Verzahnung tatsächlich mit der Kriminalhandlung korrespondiert - vielleicht ist sie auch nur ein Ablenkungsmanöver -, das wird an dieser Stelle nicht verraten. Auf jeden Fall findet sie statt.

Fazit:: «Bretonische Spezialitäten» ist Unterhaltung der gediegenen Art. Hübsch gefilmt, souverän gespielt, ruhig in seinem Erzählfluss – bis hin zur allerletzten Szene, die pointiert die wohl gestaltete Story abschließt.

Im Ersten am Donnerstag, 06. Mai 2021, 20.15 Uhr

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