Sie moderieren mit Ihrem Kollegen Serdar Somuncu einen inzwischen wöchentlichen Podcast zum Thema Weltgeschehen und Politik. Wie ist der Podcast zu Stande gekommen?
Serdar war zweimal zu Gast in meiner Satireshow. Das hat schon sehr gut funktioniert zwischen uns beiden. Als ich zu Beginn des ersten Lockdowns meine Quarantäne Show auf Instagram täglich startete, fragte ich ihn, ob er Lust habe, dabei zu sein. Daraufhin haben wir das regelmäßiger gemacht und es entstand eine einmalige Gesprächsatmosphäre zwischen uns. Zum Herbst verlegten wir das Projekt dann als regelmäßigen Podcast zu radioeins vom rbb.
Sie arbeiten sich regelmäßig an dem deutschen Gesundheitsminister Jens Spahn ab – allerdings völlig ernst und mit wenig Witz. Bei so vielen Verfehlungen von Herrn Spahn, wieso machen Sie sich die Mühe die Aktionen des Politikers kritisch zu hinterfragen?
Weil es mir ein Anliegen ist – und zwar unabhängig von seinem Pandemie-Versagen, das für sich steht. Ich halte Jens Spahn für den illiberalsten und gefährlichsten Politiker, den wir derzeit im demokratischen Spektrum haben. Vor drei Jahren hat Spahn mal gesagt, mit Hartz IV habe jeder das, was er zum Leben brauche. Frisch im Amt weigerte er sich, ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Sterbehilfe umzusetzen. Dort entschieden die Richter, dass Menschen, die todkrank sind, einen Zugang zu todbringenden Medikamenten ermöglicht werden muss. Die Bonner Behörde, die zu entscheiden hat aber, lehnte alle Anträge, die eingingen ab – weil Jens Spahn es so befohlen hatte. Und schließlich versuchte er mit Anwälten die Pressefreiheit zu beschneiden, als Journalisten zu seiner 4-Millionen Immobile recherchieren wollten. Verdammte Axt! Viktor Orban ist offenbar der heimliche Ziehsohn von Jens Spahn.
Wirklich liberal war Jens Spahn nur einmal – als es um seine eigenen Interessen ging: Beim Verbot der idiotischen Konversionstherapie für Schwule. Die Therapie, mit der Schwule zu Heteros umerzogen werden sollten. Ohne Zweifel war es höchste Zeit für dieses Verbot, aber in der Gesamtperspektive bleibt das Bild eines gefährlichen Populisten, der das tut, was ihm nutzt und das mit allen Mitteln zu verhindern sucht, was ihm nicht in den Kram passt.
Geht die Politik und die Presse viel zu unkritisch mit Herrn Spahn um?
Ich würde sagen, ja. Wir vergessen manches dann doch zu schnell und sind an den falschen Stellen wiederum sehr nachtragend. Spahn hat es geschafft, sich über seine jovial-arrogante Fassade der Unangreifbarkeit in eine Position zu bringen, in dem ihm Medien und Bürger erstaunlich viel durchgehen lassen. Wenn man das vergleicht mit der Schärfe, mit der gegen Annalena Baerbock geschossen wird, würde ich schon von einem Missverhältnis sprechen. Zugleich befeuern Die Grünen dies auch mit ihrer Teil deplazierten Hektik. Da ist man bei der Union cooler, wenn der Wind rauer wird.
Ihr Kollege Herr Somuncu hat zuletzt die potenzielle Bundeskanzlerin Annalena Baerbock massiv kritisiert. Muss man sich eine grüne Regierung eigentlich leisten können?
Über weite Strecke schon, ja. Grüne Politik, grünes Leben ist teuer. Die Kernzielgruppe ist privilegiert, es ist die schwierige Aufgabe der Grünen, diese nun auf andere Gruppen zu erweitern. Wobei die aktuell größte Herausforderung eher die sein dürfte, die bestehenden Gruppen zu halten. Aber da wir nach der Bundestagswahl wahrscheinlich ohnehin auf eine schwarz grüne Koalition zusteuern, hätten wir die ideale Repräsentation für das Lebensgefühl des Landes im Moment: Grün reden, schwarz leben. Ich habe mich schon vor acht Jahren, als Schwarz-Grün in Baden-Württemberg startete, mit dieser Pointe als Verkörperung dieser Koalition geoutet: Ich bin Gefühlsvegetarier. Ich esse nur die Tiere, die ich hässlich finde. Ich finde, der Scherz ist nicht so schlecht gealtert.
Sie waren im August auf einer Anti-Corona-Demonstration in Stuttgart und haben eine eindrucksvolle Rede gehalten. War dies Ihr Durchbruch in der Pandemie?
Das kann ich selbst schwer beurteilen. Ich spüre, dass es seitdem eine gestiegene Aufmerksamkeit gibt, dass meine Arbeit breiter wahrgenommen wird. Das freut mich. Der Auftritt, seine Intention und seine Wirkung, scheinen bis heute nachzuhallen.
Ich höre regelmäßig Ihren Podcast und bin doch immer wieder verwundert, dass Sie die Pandemie-Situation zwischen Dezember 2020 und Februar 2021 exakt im November hervorgesagt haben. Woher haben Sie diese Kenntnisse? Lesen Sie viel über dieses Thema?
Wir haben jedenfalls keine hellseherischen Fähigkeiten, so viel steht fest. Natürlich lese ich sehr viel und versuche, möglichst viel möglichst differenziert mitzubekommen, um mir ein – wenn auch nur vorläufiges – Urteil bilden zu können. Wenn man das dauerhaft in bestimmten Bereichen und Themengebieten tut, entsteht punktuell eine gewisse seismographische Genauigkeit und man lernt, Dinge einzuschätzen. Vielleicht war es aber auch nur Zufall oder Glück.
Die letzten acht Folgen Ihrer «Florian Schroeder Satire Show» liefen zuletzt recht schlecht im Ersten. Sind Sie enttäuscht, dass Sie sich auf dem späten Dienstag/Donnerstag nicht behaupten können?
Wir liefen erstmals am späten Dienstagabend, was im Gegensatz zum Donnerstag kein etablierter Comedyplatz ist. Zudem mit einem Vorlauf, der ebenfalls eine andere Farbe bediente. Da ist bei einem recht jungen, noch unregelmäßig laufenden Format ein gewisser Schwund schade, aber erklärbar. Als wir wieder am Donnerstag liefen, waren wir schon wieder bedeutend stärker, genau wie im vergangenen Jahr auch, als wir konsequent im und über dem Schnitt des Platzes lagen. Mehr Sendungen sind natürlich immer gut, um eine Gewöhnung und Regelmäßigkeit für die Zuschauer herzustellen.
Die Pandemie neigt sich – hoffentlich – so langsam dem Ende zu. Wie weit sind Sie mit ihrem neuen Comedy-Programm? Gibt es Pläne im Sommer oder Herbst eine kleine Tour durch Deutschland zu starten?
Ja, ich bin seit dieser Woche wieder auf Tour mit neuem Programm. Überraschend in diesem Sommer sogar recht häufig (siehe Termine). Viele Veranstalter nutzen die Gunst der Stunde. Das unterstütze ich natürlich. Ich habe ja auch ein Programm, das den Namen mit der Stunde trägt: „Neustart“. Festgelegt übrigens ebenfalls schon vor fast zwei Jahren – lange vor Corona.
Im Gegensatz zu vielen Programmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind Sie noch nicht beim Gendern. Wie sehen Sie die Debatte?
Sie ist nötig und wichtig, aber ich habe für meine Arbeit noch keine finale Entscheidung getroffen.
Zu guter Letzt: Was sollte man eher lesen? Theodor W. Adorno oder Georg Wilhelm Friedrich Hegel?
Beide. Ich würde mit Adorno anfangen, bei ihm gibt es doch einige Stellen, die auch für Einsteiger barrierefreier zu lesen sind.
Vielen Dank für das Gespräch! Viel Spaß bei Ihrer Tour!
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