In Ihrem neuen Film «Die Rettung der uns bekannten Welt» setzen Sie sich mit der psychischen Erkrankung einer bipolaren Störung auseinander. Was war der Auslöser dafür?
Der Auslöser war eigentlich meine Tochter Emma. Nachdem «Honig im Kopf» über das Thema Demenzerkrankung so begeistert aufgenommen wurde, sagte man mir, als nächstes müsste ich einen Film über Depressionen drehen. Aber ich dachte, das Thema würde die Leute nur runterziehen. Bis mir Emma von einer Freundin und ihrer Bipolarität erzählte.
Was hat Sie daran interessiert?
Dass das immer in Schüben kommt und ihre Freundin von himmelhochjauchzend plötzlich in die Depression verfällt und dann alles möglich ist. Wenn sie gut drauf wäre, würde sie die verrücktesten und auch lustigsten Sachen anstellen und mit ihrer Energie alle mitreißen. Aber das kann von einem Moment zum nächsten auch wieder ganz schnell umschwenken. Da wurde ich hellhörig und dachte, daraus könnte man vielleicht einen Film machen.
Wie tief mussten Sie selbst nochmals in die Thematik dringen?
Ich hatte das Glück, dass Lo Malinke, mit dem ich das Drehbuch schrieb, in seinem Umfeld auch jemand kannte, der bipolar ist. Insofern hatte er viel mehr Ahnung. Ich musste das nachholen. Also fing ich an, darüber zu lesen, und somit haben wir beide uns ganz gut ergänzt.
Haben Sie dadurch eine andere Sensibilität für psychisch erkrankte Menschen bekommen?
In meiner Jugend hatte ich einen besten Freund, der das auch gehabt hatte. Das weiß ich aber erst heute, damals gab es diese Diagnose nicht. Der war auch mal gut, mal schlecht drauf, was mich damals wunderte. Inzwischen kenne ich einige Leute, die das haben. Die einen gehen besser damit um, die anderen schlechter.
Sie spielen den Vater eines 18-Jährigen, der darunter leidet, gespielt von dem Berliner Emilio Sakraya, der das hervorragend macht. Wie sind Sie auf ihn gekommen?
Seit 30 Jahren bin ich mit Heiner Lauterbach befreundet, der mit Emilio zuvor «Kalte Füße» gedreht hatte. Als ich den Trailer dazu sah, bin ich in Berlin ins Kino gegangen, um diesen Film zu sehen. Ich war begeistert von Emilio und ließ mir von Heiner dessen Nummer geben. Sofort rief ich Emilio an und wir haben uns noch am gleichen Abend in Kreuzberg zum Essen getroffen.
Im Film zeigen Sie als Vater ganz viel Emotionen und lassen Ihren Tränen freien Lauf. Ist Ihnen das schwergefallen?
Nein, ich habe auch schon in «Barfuß», «Honig im Kopf» und in vielen anderen Filmen auch schon geweint. Das liegt immer in der Figur, du kannst nur das spielen, was die Geschichte hergibt. Ich bin außerdem selbst Vater von vier Kinder, weshalb es für mich relativ einfach war, mich in diesen Hardy einzufühlen.
Auffällig ist auch der Titel des Films. Wie sind Sie auf «Die Rettung der uns bekannten Welt» gekommen?
Das war nicht meine Idee, sondern die von meinem Co-Autor Lo Malinke. Ich fand ihn sehr besonders und mochte ihn auf Anhieb.
Tatsächlich scheint sich die Welt durch Pandemie und Klimakatastrophen gerade im Wandel zu befinden. Bekommt der Titel dadurch eine weitere Dimension?
Das stimmt! Zur jetzigen Zeit passt der Titel wie die Faust aufs Auge. Das wussten wir natürlich noch nicht als wir den Film gedreht haben. Ein Jahr später hat sich die Welt fundamental verändert.
Wobei Sie stets dabei sind, die Welt zumindest ein bisschen zu retten, wenn Sie gegen Kinderarmut kämpfen und sich für die Chancengleichheit von Jugendlichen einsetzen…
Das mache ich, weil gerade Kinder die Schwächsten einer Gesellschaft sind und man alles tun muss, um sie zu beschützen.
Sie arbeiten als Regisseur und Hauptdarsteller bereits an Ihrem nächsten Film. Was können Sie uns über «Kurt», so der Titel, schon erzählen?
Die Geschichte basiert auf den gleichnamigen Roman von Sarah Kuttner und ich spiele einen Vater, der sein Kind verliert. Es geht darum, ob und wie es ihm gelingt, überhaupt noch mal zu funktionieren, um ins Leben zurückzukommen. Ich bin fast mit dem Schnitt fertig und kann jetzt schon sagen, dass da noch mehr geheult wird als in «Die Rettung der uns bekannten Welt».
Das klingt erst mal traurig, doch in Ihren Filmen kommt der Humor dennoch nie zu kurz. Warum ist Ihnen diese Kombination aus Freude und Trauer so wichtig?
Ich habe immer gesagt, ich möchte nie einen Film machen, in dem es am Schluss nicht so eine Art Hoffnung gibt. In «Knockin‘ On Heaven’s Door» sterben am Ende zwei Menschen, aber trotzdem hat der Film etwas Positives, weil man weiß, die beiden haben ihr Ziel erreicht. Es ist wichtig, den Zuschauer nicht das zuckersüße Ende liefert, aber sie hoffnungsvoll entlässt.
Ein pures Drama würde Sie nicht mal interessieren?
Es gibt genügend Filmemacher, die so nihilistisch sind, dass du einfach nur noch gefrustet aus dem Kino herauskommst. Da muss ich nicht noch mitmachen und drehe lieber die hoffnungsvollen Filme.
Könnten Sie sich aber vorstellen, irgendwann nur noch Regie zu führen und die Schauspielerei aufzugeben?
Also wenn mir jetzt jemand die Pistole auf die Brust setzen würde und ich zukünftig nur noch eins machen dürfte, würde ich mich für die Regie entscheiden. Aber solange das nicht
passiert, bin ich auch als Schauspieler weiterhin dabei. Ich spiele einfach zu gern und sehe es nicht ein, ein Jahr zu investieren, um eine tolle Rolle zu schreiben und die dann einem anderen zu überlassen (lacht).
Danke für das Gespräch!
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18.11.2021 14:00 Uhr 1