Mehr als 20 Jahre dauerte es vom ersten Versuch seitens des Fernsehsenders NBC im Jahr 2000 an, die gigantische Buchreihe in Serienform auf den Bildschirm zu bringen, über Pläne von Universal Pictures im Jahr 2008 die Romane für die Kinoleinwände zu adaptieren, bis die Verfilmung seitens Amazon tatsächlich in Auftrag gegeben wurde. Solche langen Produktionszyklen sind, wie auch am jüngsten Beispiel der Comicverfilmung «Y: The Last Man» deutlich wurde, selten ein gutes Omen für eine gelungene Umsetzung.
Beim Sichten der Pilotfolge wird bereits schnell deutlich, dass sich «Das Rad der Zeit» nicht viel Zeit für die Einführung und Entwicklung von Charakteren nimmt. Der Zuschauer wird in die Handlung hineingeworden und viele verschiedene Charaktere mit vielen verschiedenen Namen werden präsentiert, die alsbald in Kampf und Action verwickelt werden. Diese Vorgehensweise muss keine Schlechte sein, da sie von Anfang an ein hohes pacing möglich macht, bei «Das Rad der Zeit» funktioniert sie allerdings größtenteils nicht. Zum einen wird schnell deutlich, dass zwar viel Wert auf hochwertige Set Pieces gelegt wurde, CGI und Spezialeffekte aber teilweise vernachlässigt wurden. Die immer wieder vorhandenen Schwächen, die Computeranimationstechnik betreffend, wirken teils immersionshemmend und schaffen es daher auch nicht als Blendwerkzeug für fehlende Charaktertiefe zu fungieren. Zum anderen fehlt es dem größtenteils jungen Cast an Präsenz sowie Ausdruck und auch nach drei Folgen dürfte es zumindest Nicht-Buchlesern schwer fallen, irgendeine Art von Bindung zu diesen Charakteren aufzubauen. Rosamund Pike, der einzige große Name der Produktion, wartet zuweilen mit dem Charisma einer Eisskulptur auf.
Das kolportierte Budget von rund 10 Mio. US-Dollar pro Folge, was in etwa mit den späteren «Game of Thrones» Staffeln vergleichbar ist, mag zwar auf den ersten Blick viel wirken, im Vergleich zur ebenfalls bei Amazon in Produktion befindlichen «Der Herr der Ringe» Serie, die scheinbar für die erste Staffel allein fast eine halbe Milliarde Dollar verschlingen soll, handelt es sich hingegen um Peanuts. Ob es sich daher um schlichte Budgetrestriktionen oder schlicht schlampige Arbeit handelt, wenn es etwas überspitzt formuliert, teilweise so wirkt als könnten die Protagonisten gleich vom Eimer vorm Greenscreen fallen, statt von den Klippen einer CGI-Geisterstadt, können wohl nur die Produzenten beantworten. Letztlich sind visuelle Kritikpunkte allerdings immer vernachlässigbar, wenn sich der Zuschauer von einem kohärenten Script und überzeugenden Schauspielern in den Bann ziehen lassen kann. Dass dies nicht der Fall ist, ist auch der Tatsache verschuldet, dass selbst die Protagonisten nicht so genau zu wissen scheinen, warum sie sich auf eine bestimmte Reise begeben sollen und sich der Signifikanz dieser nicht bewusst sind. Dieser Reisehandlungsstrang, auf dem sich die jungen Menschen samt Zauberin, gejagt von Orcs, pardon Trollocs befinden, erinnert zudem allzu sehr an eine «Der Herr der Ringe» Kopie, abzüglich des charismatischen Casts und der stringenten Handlung.
Es bleibt zu hoffen, dass die Serie das Ruder zum Ende der Staffel hin noch herumreißen kann, dabei die bisher schwache Charakterzeichnung nachholt und in der bereits bestellten zweiten Staffel mehr Zeit in die visuelle Nachbearbeitung der Serie gesteckt wird. «Das Rad der Zeit» wird, wie praktisch jede Fantasyserie der letzten Jahre zwar seine Hardcorefans und Befürworter finden, die über jegliche Schwächen hinwegschauen können, ob die Serie im jetzigen Status quo allerdings zum Fantasy-Massenphänomen wie einst «Der Herr der Ringe» oder «Game of Thrones» werden kann, gilt stark anzuzweifeln.
Die ersten drei Folgen von «Das Rad der Zeit» sind seit dem 21.11.2021 bei Amazon Prime Video abrufbar
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