Debatte

ProSieben und Sat.1: Zwei Sender in Trümmer gewirtschaftet

von   |  8 Kommentare

Die Reichweiten der zwei linearen Fernsehsender gehen seit Jahren zurück, die Zuschauer wenden sich frustriert ab. Der Mann, dessen Visionen scheiterten, kommt mit neuen eigensinnigen Ideen. Ein Kommentar von Fabian Riedner.

Eine der bekanntesten Labels im deutschsprachigen Fernsehen ist der „Blockbuster“ bei ProSieben, der vor allem für Free-TV-Premieren am Sonntagabend steht. Vor Kurzem erzählte Daniel Rosemann, man werde den Sendeplatz neu überdenken und eigenproduzierte Factual-Ware mit Reality-TV-Personalitys dort auf Sendung schicken. Trash-Influencer statt Hollywood. Das hat ein Geschmäckle. Allerdings ist Daniel Rosemann auch für Sat.1 zuständig und musste mit seinem Flop «Club der guten Laune» eine Rolle rückwärts hinlegen. Statt Realitys – wie am Sonntagabend bei ProSieben geplant – weicht er wieder auf Spielfilme aus.

Nachdem der Chef von ProSieben und Sat.1 auch noch freimütig behauptete, es gäbe seit der Pandemie schlicht keine Filme mehr, um einen Sendeplatz zu füllen, sollte er sich nicht unbedingt Filmexperte als die Visitenkarte schreiben. Ohnehin kennen sein Team bei Programmänderungen – und die kommen immer häufiger vor – nur noch die Marvel-Filme, die «Fack Ju Göhte»-Reihe oder «Harry Potter». Vielleicht sollte ProSieben einfach einen kostenfreien HD- und UHD-Sender zur Verfügung stellen, die zahlreichen Werbespots auf ein vernünftiges Maß reduzieren, damit die Zuschauer nicht weiterhin nur läppische neun Euro Disney+ abonnieren. Gerade der Micky-Maus-Konzern macht dem Unternehmen sehr zu schaffen, zahlreiche Filme der beiden Sender sind in den Abonnements enthalten.

In der Branche erzählt man hinter vorgehaltener Hand, dass das „Mia san Mia“-Gefühl in der Medienallee sogar noch das Selbstverständnis des FC Bayern München überstrahlt. Vorstandssprecher Rainer Beaujean legt seine Hand schützend über Rosemann, dessen neue Projekte Rohrkrepierer werden – und zwar gewaltige.

Das jüngste Beispiel ist Birgit Schrowange, die bei Sat.1 anheuerte. Der Sender Sat.1 hat inzwischen so kurze Vorlaufzeiten, dass aufgrund von produktionstechnischen Gründen (Corona u.a.) das Format gleich zwei Mal verschoben werden musste. Dann startet «Birgits starke Frauen», dessen Titel ähnlich nichtssagend ist wie «Zervakis & Opdenhövel. Live», auch noch mit drei Prozent Marktanteil bei den für die Werbewirtschaft relevanten Zuschauern.

Kürzlich verschob man den «Club der guten Laune» auf den 22.15-Uhr-Sendeplatz. Hinter dem Projekt stehen EndemolShine Germany und allen voran Rainer Laux, der die Produktion mit seinem eigenen Unternehmen leitet. Laux glaubt, dass es im Jahr 2022 unterhaltend sei, unironisch Spiele von Kindergeburtstagen aufzuführen. Und wann läuft diese Sendung? Natürlich als Gegenprogramm des Hits «Kampf der Realitystars». Rosemann? Er schweigt.

Für Sat.1 stellte er Mitte Mai eine neue Show mit dem Namen «Doppelt kocht besser» vor, die gegen das altehrwürdige «Das perfekte Dinner» antreten soll. Der Clou des neuen Projektes ist, dass meist unbegabte Köche über das Ohr angeleitet werden. Die von Constantin Entertainment produzierte Fernsehshow beackert sozusagen das Feld der Trümmer-Kochshows, die mit «Hensslers Countdown» schon fulminant floppte. Die Produzenten des VOX-Dinners haben die inhaltliche Qualität der Sendung sukzessiv verbessert, sodass hochwertige Speisen im Vordergrund stehen.

Nachdem schon «Jetzt. Besser. Leben. Mit Sat.1» scheiterte, versucht man das Aushängeschild «Zervakis & Opdenhövel. Live» künstlich am Leben zu halten. In der Ausgabe vom Mittwoch ist SPD-Generalssekretär Kevin Kühnert zu Gast, der trotz Bundestagsmandat (10.012,89 Euro) zusätzlich Aufwandspauschale und Zuflüsse für sein Amt in der SPD, also laut „Cicero“ eine monatliche Summe von mindestens 20.000 Euro zur Verfügung hat und mitteilt, er bekomme in Berlin keine Wohnung. Ist Kühnert wirklich der geeignete Gesprächspartner für ein solches Thema? Wäre es nicht sinnvoller, einen Vonovia-Vertreter und einen Berliner Wohnungsgenossenschaftsverein einzuladen? Wie seltsam die Redaktion plant, zeigte sich vor zwei Wochen, als man gegen das UEFA-Europa-League-Finale Bastian Schweinsteiger für sein Buch werben ließ.

Unterdessen wird die Programmdecke immer dünner. Es gibt zwar durchaus noch Leuchttürme, die um 20.15 Uhr gesendet werden, aber in der Nachtwiederholung scheitern. Es versteht sich von selbst, dass niemand nach der neuen Ausgabe von «Schlag den Star» ein- und dieselbe Sendung direkt noch einmal anschaut. Da wechseln die Zuschauer lieber zu VOX, das mit «Medical Detectives» in der späten Nacht noch 600.000 Zuschauer hat. Die Wiederholung von Heidis Topmodel-Show verbuchte direkt nach dem «red»-Special 2,8 Prozent bei den Umworbenen.

Womit man bei der nächsten Baustelle der roten Sieben ist: Die Causa «Germany’s Next Topmodel» schweigt zwar ProSieben nicht tot, versucht sie allerdings auch nicht elegant zu lösen. Nachdem mehreren Ex-Kandidatinnen schwere Vorwürfe erhoben, Rezo ein 30-minütiges Video mit dem Titel „GNTM Exposed: Mi$$brauch, Lügen und Minderjährige“ veröffentlichte, fällt der Kommunikationsabteilung nur ein, man werde den Frauen „Post“ schicken. Daraus wird ersichtlich, dass man mit einer Abmahnung die unerfahrenen Mädels mundtot machen möchte. Diese gesamten Vorwürfe an «Germany’s Next Topmodel» sind zwar nicht neu, aber der Sender ProSieben ist selbst für Journalisten inzwischen so unwichtig geworden, dass solche Themen nur noch von Klatschkolumnisten behandelt werden.

Die Bilanz von „Mister ProSieben“ ist desaströs. Noch nie gab es einen ProSieben-Chef, der ohne Konsequenzen so viele Primetime-Shows gegen die Wand fuhr. Bei Sat.1 fällt die Bilanz ebenso schlecht aus. Zahlreiche Ankündigungen wie «5 Gold Rings» oder «Quiz für dich» überzeugten nicht wirklich. Die Gätjen-Show floppte schon beim niederländischen SBS6 und bekam dort nur 16 Episoden. Die Pilawa-Show, die bei SBS6 von Linda de Mol moderiert wurde, ist bereits seit über einem Jahr Fernsehgeschichte. Warum adaptiert man solche Formate? Im gesamten Konzern gibt es keine richtigen Fernsehmacher mehr, sondern lediglich Zahlenmenschen. Noch läuft es beim börsennotierten Unternehmen verhältnismäßig gut. Jedoch glauben die Börsianer nicht an das Unternehmen, weshalb der Aktienkurs weiter abfiel.

Kurz-URL: qmde.de/134640
Finde ich...
super
schade
87 %
13 %
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger ArtikelProSieben schraubt am Wochenendprogrammnächster ArtikelWBD und BT: Wettbewerbsbehörde beginnt Prüfung des Joint Venture
Es gibt 8 Kommentare zum Artikel
Torsten
01.06.2022 11:20 Uhr 1
Der Bericht bringt es auf den Punkt, doch das will man bei den Sendern nicht wahr haben. Dieser Daniel Rosemann ist eine absolute Schlappmütze, sollte diese nehmen und gehen. Ich weiss nicht, was in den seinen Kopf vorgeht oder was er nimmt, es ist auf jeden Fall zu viel. Der hat keine Ahnung wobei aber Sat.1/Pro7 schon seit ein paar Jahren kaum noch ertragbar sind.
Nr27
01.06.2022 13:10 Uhr 2
Der Blockbuster-Sendeplatz am Sonntagabend ist doch eine der wenigen Konstanten im Pro 7-Programm, die fast immer funktionieren. Diesen Sendeplatz zu streichen für weitere Experimente, wäre wirklich hirnrissig ...
Familie Tschiep
01.06.2022 14:36 Uhr 3
Rohrkrepierer sind normal, sie waren schon immer da. Ich glaube, man muss tiefer analysieren, beispielsweise die Versoßung des Programms, ein Programm bestreitet den ganzen Abend.



Diese Versoßung hat mehrere Nachteile (Die Vorteile kenne ich, aber sie wiegen für mich nicht so stark):

1. Menschen, die morgens früh raus müssen, schalten wahrscheinlich gar nicht erst ein, wenn es bis in die Puppen geht. In Ausnahmefälle schon, aber das sind Ausnahmefälle, nicht die Regel.

2. Die Folgenzahl pro Staffel ist kürzer, 4 oder 6 Folgen, alles andere würde zu stark die Marke beschädigen. Das heißt, dass man immer wieder auf die neuen Folgen aufmerksam machen muss, sonst verpassen es die Leute. Es kann sich kein Rhythmus entwickeln, keine Routine einstellen, Mittwoch ist der XY-Tag. Ich denke nicht groß nach, ich schalte ein. Ausnahmen für die Staffellänge solcher langen Formate bestätigen die Regeln.

3. Programme können nicht mehr als Beiboot laufen, bei der die Zuschauer sie erst nach und nach entdecken, weil davor eine Zuschauerlokomotive läuft und genügend Leute dranbleiben. Dadurch kann man leichter im Bedarfsfall Wegfälle kompensieren. Wegfälle kommen garantiert, dagegen kann man nichts machen, man kann nur verhindern, dass die Wegfälle zu einer Katastrophe für das Programm werden.

4. Nicht jede Idee eignet sich für ein Dreistundenprogramm, so verliert man den Platz für gute Ideen.

5. Gute Showformate mit einer pfiffigen Idee sind selten. Pro Sieben hatte Glück, dass es drei Programme erwischt hatte, die funktionieren, Masked Singer oder Wer stiehlt mir die Show? und Joko und Klaas gegen ProSieben. Vielleicht kann mit Kreativität die Anzahl der Formate erweitert werden.

6. Dreistundenformate sind anstrengend.



Auch wenn es auf den ersten Blick widersinnig anhört, Mut zu Stundenprogrammen. sat1 und Pro Sieben sollten sich besinnen, Fernsehsender zu sein, keine Bingewatchingangebote.

sat1 sollte überlegen, ob es nicht auch wieder Fiction braucht, keine Streamingfiction, sondern TV-Fiction.



Und Prominamen sind noch keine Programme, darauf kann man sich nicht verlassen. Ohne gute Idee funktioniert es nicht.

Außerdem wäre es hilfreich, wenn man ein paar Kurzschlussanalysen über den Zuschauer infrage stellt. Sie zeigen sich anhand von Flops wie Birgits starke Frauen.
beru1011
01.06.2022 16:46 Uhr 4
Die Entscheidung für ProSieben, sonntags auf Blockbuster zu verzichten, ist aus meiner Sicht ein Fehler. Momentan zeigt ProSieben ausschließlich Filme aus dem US-Raum. Ich finde, sie müssen mehr regionale Filme und Serien zeigen, die eine Chance hätten, das ProSieben-Publikum (auch das Sat.1-Publikum) zu überzeugen. Einfach vermehrt auf Non-Fiction zu setzen, macht es den Sender nicht unbedingt stärker.



Meine Meinung nach, geht der Slogan von ProSieben etwas unter. Unter dem Slogan "We love to entertain you" ist nicht nur Unterhaltungssshows bezogen, sondern auch Filme und Serien. ProSieben muss einfach mehr Mut zeigen in neuen Programmen, nur so können sie stärker werden.



Anmerkung; Wenn der Senderchef RTL gerne kopieren möchte, dann auch mit eigenproduzierten Filmen und Serien, dass bei RTL und VOX gezeigt wird.
Vittel
02.06.2022 16:04 Uhr 5
Lange wird das so nicht weiter laufen. In spätestens 10 Jahren sind viele der Privatsender weg vom Fenster.

Ich könnte mir eine Zusammenlegung von p7 und sat1 vorstellen. Beide ursprünglichen Zielgruppen erreicht man heute nicht mehr.
Familie Tschiep
02.06.2022 22:01 Uhr 6
Sollte man nicht eher die vielen Spartensender zusammenlegen?
Vittel
03.06.2022 12:52 Uhr 7
Kommt halt darauf an, was die Spartensender kosten. Im Prinzip sind das doch nur noch Playlists, die alle paar Wochen mal nachgepflegt werden müssen.
Familie Tschiep
05.07.2022 12:19 Uhr 8
Wie zu erwarten, ist Doppelt kocht besser gefloppt.

Ich glaube nicht, dass man es nur so lange anbieten muss, bis das Publikum daran Geschmack findet. Hensslers Countdown war ja eine ähnliche Sendung und hat nicht funktioniert.

Optionen

Drucken Merken Leserbrief



Heute für Sie im Dienst: Fabian Riedner Veit-Luca Roth

E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung