Serientäter

«Echoes»: Eine Serie mit sehr viel Kuddelmuddel

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Seit Mitte August stellt Netflix die Serie «Echoes» bereit. Die Storyline von Vanessa Gazy ist ein verwirrendes Werk.

Vier «Eden»-Folgen durfte die Autorin und Produzentin Vanessa Gasy verfassen, ehe Netflix ihr die Miniserie «Echoes» anvertraute. Bereits die Zusammenstellung der einzelnen Fakten ist kurios: Produzent der Serie ist EndemolShine Australia, das Unternehmen drehte das Format jedoch in Wilmington, North Carolina, in den USA. Dort entstand vor vielen Jahren schon das Meisterwerk «Dawson’s Creek». Angesichts der australischen Produktionsfirma sollte man meinen, die Serie spielt in Australien und Hollywood, doch das Werk ist auf amerikanischen Boden beheimatet. Bei der Ausstattung wurde gespart, es ist lediglich die Rede davon, dass die Familie aus Virginia stammt.

Mehrere Drehbücher, darunter auch die letzte Folge, wurden von Vanessa Gazy geschrieben. Im Mittelpunkt der Serie stehen die eineiigen Zwillingsschwester Leni und Gina, die sich zumindest als Kinder sehr nahestehen. Sie wechseln mehrfach die Identitäten als Twins und Twens und selbst von ihrer Mutter, die sie als einzige unterscheiden kann, wird das noch nicht einmal kritisch beleuchtet.

In der Pilotepisode verschwindet Leni auf ihrer Farm in Virginia und die reiche Gina McCleary kommt deshalb aus Hollywood angeflogen. Sie hilft den zahlreichen Polizisten bei der Suche und verwandelt sich dann nach wenigen Minuten in ihre Schwester. Also ist ja Leni erstmal gerettet, obwohl sie weiterhin „verschwunden“ ist. In mehreren Episoden tauscht sie immer wieder diese Rolle und keiner der zahlreichen Familienmitglieder kommt es merkwürdig vor, dass über mehrere Tage nur eine der Schwestern immer anwesend ist. Leni ist wohl immer noch weg.

Wer ist nun diese Frau, die man in den ersten Minuten sah und die offenbar zahlreiche Geheimnisse hat. Es ist vor allem das Spiel mit verschiedenen Charakteren: Während Gina sehr aufdringlich und nervig ist, wird Leni als entspannt charakterisiert. Im Mittelpunkt neben Michelle Monaghan, die beide Schwestern verkörpert, steht auch Lenis Ehemann Jack Bett (Matt Bomer) und Sheriff Louise Floss (Karin Robinson).

Es ist wohl naheliegend, dass bei dieser Doppelrolle, die echte Leni wohl nicht für immer wegbleiben würde. Es ist schon nach drei Episoden klar, dass noch etwas passiert. Sonst hätte man nicht vier weitere Folgen produziert. Die australische Miniserie ist nach dem typischen Hollywood-Blockbuster-Effekt geschrieben: Womit du nicht rechnest, das wird auch nicht passieren. Es wirkt schon ein wenig offensichtlich, wenn die späteren Folgen anstehen.

Und überhaupt haben wir es teilweise mit hochgradigen Psychopathen zu tun. Einer ist beispielsweise Ginas Mann Charlie Davenport, der schon länger herausgefunden hat, dass die Zwillinge des Öfteren ihre Familiensituationen tauschen. Er schläft dennoch mit beiden Frauen, als sei es das Normalste der Welt. Heute Gina, nächste Woche Leni – was soll’s. Wie sich zu einem späteren Zeitpunkt herausstellt, war er zunächst Ginas Verhaltenstherapeut. Nachdem diese zwei Punkte auch für den Zuschauer klar sind, wird das klare Abstinenzgebot missachtet. Dass das eine Straftat ist, wird in keiner Sekunde besprochen.

Es ist genauso schleierhaft, wie man eine solche Geschichte verfassen kann. Eineiige Zwillinge mögen sich zwar ähnlich sehen, aber kaum einer der Familienmitglieder kann diese unterscheiden? Auch wenn Leni und Gina ein digitales Tagebuch führen, um sich über die aktuellen Geschehnisse auszutauschen, dürfte es ein Ding der Unmöglichkeit sein, den anderen Charakter perfekt zu spiegeln. Ohnehin muss man den Zwillingen ebenso attestieren, dass sie mit ihrem Spiel völlig geisteskrank sind.



Getoppt wird der erzählerische Blödsinn nur noch von den beiden letzten Episoden: Es bricht ein Feuer aus, indem mehrere Charaktere verwickelt sind. Obwohl die Rauchschwaden sehr stark sind, laufen die Akteure seelenruhig durch das brennende Wohnhaus als seien hier die Superhelden von Marvel unterwegs. Aus drei Metern vom ersten Stockwerk zu springen ist ohne Verletzung möglich, eine Szene später verstaucht man sich vom Abschwingen des Pferdes aber den Knöchel. Mittendrin geht der Produktion auch noch das Budget aus, dass eine Szene am Fluss unfassbar billig aussieht. Bei dieser Verfolgungsjagd laufen zwei Akteure durch einen reißenden Fluss, der aber doch nur knietief ist. Nachdem dieses Formtief überwunden ist, werden im Übrigen die offenen Storylines nicht geschlossen.

«Echoes» ist ein erzählerischer Blödsinn epochalen Ausmaßes. Man müsste der Autorin Vanessa Gazy eigentlich einen Emmy verleihen. Sie hat es geschafft in etwa fünf Stunden so viel unsinnige Storylines zu fassen, wie es nur möglich ist. Gleichzeitig schafft es die Serie von EndemolShine Australia – die in Amerika spielt und gedreht wurde (Bitte was?) – zeitweise gerade zu langweilen. Die Serie ist auch ein Lehrstück, wie Netflix Geld verschießt. Die Geschichte ist unglaubwürdig, schlecht geschrieben und unnötig. Das gesamte Projekt hätte nie in Serie gehen dürfen. So etwas hätte es bei Disney+ nicht gegeben.

«Echoes» läuft bei Netflix.

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