Hallo Frau Ohm. Sie sind derzeit in der Ukraine für Welt unterwegs. Wie sind die Arbeitsbedingungen vor Ort?
Die Arbeitsbedingungen sind im Großen und Ganzen in Ordnung. Wir haben bislang keine Stromausfälle erlebt, die unsere Arbeit erschweren oder unmöglich gemacht hätten. Die Hotels, in denen wir unterkommen können, haben ebenfalls Strom und fließend Wasser. Es ist eher ein Problem, dass man in einigen Regionen, wie Kryvyi Rih und Mykolaiv, aufgrund der aktuellen Ereignisse kein Hotelzimmer bekommt. Heißt: weiter weg unterkommen, mit relativ langen Anfahrtszeiten.
Sie sind seit Jahren Chefmoderatorin des Senders und damit das Gesicht von Welt. Warum haben Sie sich für den Einsatz vor Ort entschieden?
Ich bin wegen des Krieges in meiner Heimat Bosnien 1992 Journalistin geworden. Zu Beginn der russischen Invasion Anfang des Jahres hatte ich schlichtweg das Gefühl, dass hier Historisches passiert, eine Entwicklung, die viele Menschen in dieser Grausamkeit und Brutalität im Jahr 2022 nicht für möglich gehalten hätten. Mit all den geopolitischen Implikationen, die die Ereignisse hier vor Ort haben, hatte ich das Bedürfnis unser Publikum informieren zu wollen, zu müssen.
Haben Sie als Welt-Reporterin in der Ukraine eine Art Privatleben?
Das Privatleben beschränkt sich auf die abendlichen Videogespräche mit meiner Familie und mit Freunden - und den zumeist nicht sehr erfolgreichen Versuchen gelegentlich ein wenig Sport zu treiben. Aber, ganz ehrlich, das ist hier nicht die Zeit für Privatleben. Jeder Reporter wird das unterschreiben. Wenn Du im Einsatz bist, bist Du im Einsatz. Das Privatleben kommt dann wieder, wenn man daheim ist. Das ist ok.
An welche Sicherheitsvorkehrungen halten Sie sich?
An alle, die die mit uns reisenden Sicherheitsberater empfehlen. Schutzweste, Helm, wenn es nötig wird. Jede Fahrt in die Gebiete, in denen aktiv gekämpft wird, wird vorab besprochen. Wir versuchen das Risiko einzuschätzen und abzuwägen. In den umkämpften Gebieten gilt dann immer: schnell rein, drehen, was geplant war und schnell wieder raus. Unnötig lange Aufenthalte vermeiden. Vor allem aber ist jede Fahrt an die Frontlinien eine Team-Entscheidung. Wenn einer nein sagt, bis dahin will ich nicht, ist mir zu gefährlich, dann fahren wir nicht. Ganz wichtig ist auch, dass es absolut keinen wie auch immer gearteten Druck aus der Heimatredaktion gibt. Sicherheit geht immer vor, ist das Credo unseres TV-Chefredakteurs Jan Philipp Burgard.
Ist die Berichterstattung durch die technische Entwicklung einfacher geworden?
Definitiv. Wenn ich nur an all die Beta-Kassetten denke, die wir vor 20 Jahren noch mit uns rumgeschleppt haben, Übertragungspunkte suchen und buchen. Jetzt: die LiveU hängt am Rücken des Kameramanns und los geht es. Diese Form des technischen Fortschritts ist wahnsinnig hilfreich.
Seit einem Jahr hat Welt ein neues Studio im Axel-Springer-Neubau. Ist dies ein Traum für Nachrichtenmoderatoren?
Oh ja. Unser WELT-Studio ist ein absoluter Traum – und gehört dazu noch zu den modernsten Europas. Wir sind gerade Ende Oktober erst mit dem „Innovationspreis für Informationstechnik in der Medientechnologie“ durch die Fernseh- und Kinotechnischen Gesellschaft (FKTG) ausgezeichnet worden. Die Möglichkeiten, die wir haben auch mit grafischen Elementen zu arbeiten, unterschiedliche Sets einzurichten, um den Zuschauern Nachrichten nicht nur inhaltlich akkurat, sondern auch optisch ansprechend zu präsentieren, sind schon sehr besonders.
Sie schauen – abseits von der ukrainischen Berichterstattung – deutsches Fernsehen. Gibt es Sendungen, die ebenfalls ein Studio haben, welches Sie gut gelungen finden?
Ganz ehrlich, dazu kann ich mich nicht wirklich zu äußern. Ich verfolge natürlich, wenn ich wie gerade in der Ukraine bin, was die Kollegen zuhause in Berlin machen – ansonsten informiere ich mich eher auf den internationalen Kanälen.
Wie sieht eigentlich das derzeitige ukrainische Fernsehen aus?
Zu Beginn des Krieges haben sich die großen Fernsehanstalten zusammengeschlossen und sendeten rund um die Uhr Nachrichten.
Sie waren in vielen Krisengebieten der Welt unterwegs. Wie blicken Sie persönlich darauf zurück?
Es waren und sind Erfahrungen, die ich nicht missen möchte. Die Guten, wie die Schlechten. Einiges, von dem, was ich erlebt und gesehen habe, wird bereits im Geschichtsunterricht gelehrt. Dabei gewesen zu sein, ist ein unheimliches Privileg, auf das ich voller Demut und Dankbarkeit schaue.
Sie waren zwei Jahre auch beim Sat.1-Boulevardmagazin «Blitz» und haben über leichte Themen informiert. War die Station rückblickend ein Fehler?
Nein, das war kein Fehler, warum sollte das einer gewesen sein? Ich war damals beim Ableger von «Blitz», bei «Blitzlicht». Der Fokus dort war die Berichterstattung über Prominente. Leichte Kost, ja, aber auch die hat ihren Stellenwert. Es ist halt eine andere Form von Journalismus. Eine, die man können muss. Nicht jeder kann das, nicht jeder will das, weder produzieren noch konsumieren. Kein Grund aber, auf die herabzuschauen, die das anders sehen und Freude daran haben. Ich bin in jener Zeit viel gereist, habe Interviews mit Hollywoodstars und Ausnahmekünstlern wie Bruce Springsteen führen dürfen, die zwei Jahren waren definitiv eine großartige Erfahrung.
Die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender sind oftmals sehr unkritisch gegenüber Politikern, in Diskussionsrunden bei Welt-Sendungen sprechen Robin Alexander, Ulf Poschardt und Stefan Aust Klartext. Würden Sie sich mehr konfrontierende Diskussionen bei Anne Will & Co wünschen?
Ich glaube, es ist nicht meine Aufgabe, mir von den Kollegen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks irgendetwas zu wünschen. Ganz persönlich bin ich aber eher ein Freund ruhigerer Formate. Ein, zwei Gäste, in Ruhe reden, ausreden lassen, nachhaken können. Auch zwei, drei Mal. Wie beispielsweise beim «WELT TALK» mit Jan Philipp Burgard. Nur so gibt es wirklichen Erkenntnisgewinn.
Vielen Dank für Ihre Zeit und Ihren Einsatz in der Ukraine!
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