Interview

Serdar Somuncu: ‚Ich möchte mich nicht mit Stefan Niggemeier vertragen‘

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Der Kabarettist, Musiker und Autor spricht über sein neues Musik-Album und was für ihn wahren Reichtum bedeutet. Außerdem stichelt Somuncu gegen Stefan Niggemeier.

Hallo Herr Somuncu, nach „beschissen“ und „nicht besser“, wie lautet in diesem Jahr Ihre Antwort auf die Frage, wie es Ihnen geht?
Es geht mir schon viel besser. Meine Tour ist endlich gespielt. Corona ist vorbei und Putin ist fast in die Knie gezwungen. Wenn wir jetzt noch eine erfolgreiche Fußball-WM spielen und die Ampelkoalition einen Abgang macht, bin ich vollends zufrieden.

Sie reden wöchentlich mehrere Stunden für den rbb in verschiedene Mikrofone und sind ein gern gebuchter Gast bei «Stern TV am Sonntag». Haben Sie noch Gedanken, die Sie nicht gleich in Content umwandeln wollen?
Oh ja, davon gibt´s eine Menge und ich bereite ja auch schon meinen Abgang ins innere Exil vor. Dann bin ich hoffentlich auch endlich gefeit vor mich chronisch missverstehenden Bloggern und Aktivistinnen, die meine Arbeit immer wieder als Anlass brauchen, um sich auf meine Kosten zu profilieren.

Sie haben kürzlich ein neues Musik-Album veröffentlicht. Werden Sie demnächst auch auf Tour gehen?
Ich hoffe, dass wir mit der Band auch ein oder zwei Konzerte spielen werden, aber auf Tour habe ich ehrlich gesagt keinen Bock mehr. Ich bin jetzt Mitte 50. Da macht es keinen Spaß mehr zwischen leeren Bierdosen und getrockneter Pommes neben dem Hotelbett zu liegen und mich zu fragen, wie die Frau neben mir heißt.

Ist ein befreiter Abend voller Lust aufs Tanzen in diesen Zeiten eigentlich möglich?
Meinen Sie in Bezug auf die derzeitige Situation?

Ja, Stichwort Krieg in der Ukraine.
Ich wüsste nicht, dass die Partygesellschaften von Berlin bis Kiew Abstriche an ihrer Vergnügungssucht machen. Ich habe allerdings ein zwiespältiges Verhältnis zum Tanzen, deshalb saufe ich lieber im Stillen weiter. Das erspart langweilige Begegnungen und ist zudem ein sicherer Zubringer in den ohnehin irgendwann lauernden Tod.

In der Album-Promo wird das Album als „brisantes Werk“ beschrieben. Haben Sie keine Angst die „falschen Leute“ anzulocken?
Für mich gibt es keine falschen Leute. Wer bezahlt, ist gut genug. Im Übrigen lasse ich mir die Definition von „Falsch“ und „Richtig“ nicht von Leuten vorschreiben, die meinen alles besser zu wissen. Ich hege zum Beispiel mittlerweile derart heftige Aversionen gegen Leute wie Strack Zimmermann und Hofreiter, dass ich gelegentlich selbst sogar zu den „Falschen Leuten“ gehören möchte.

Sie sehnen sich in ihren Liedern unter anderem nach Sozialismus und einer „echten Diktatur“. Wie viel Ironie verträgt Musik?
Das ist keine Ironie. Wenn ich heutzutage lese, wer alles zu was etwas sagen möchte, sehne ich mich wirklich nach einer Diktatur, die diesen Leuten befiehlt, die Schnauze zu halten oder ihnen mindestens vorschreibt, was sie zu sagen haben oder nicht. Ich war schon immer ein Anhänger rigider Strukturen, daran hat sich auch durch meine Arbeit als Musiker nichts geändert. Wer heute denkt, dass wir in einer funktionierenden Demokratie leben, der hat auch nicht verdient zu erfahren, wie es ist, wenn wir wirklich alle frei wären.

Sie veröffentlichen Ihre Inhalte selbst über Ihre Webseite. Misstrauen Sie den Sendern oder ist dieser Weg schlicht lukrativer?
Beides. Ich habe keine Lust mehr auf Sender oder Redaktionen, die mir vorschreiben, was ich tun und lassen soll. Außerdem bin ich so weniger erpressbar. Heutzutage ist der wahre Reichtum Unabhängigkeit und die habe ich maximal auf meinen eigenen Kanälen. Ich möchte selbst verantwortlich sein, für die Shitstorms, die ich verursache und bin letztendlich auch der loyalste Mensch, den ich mir als Partner vorstellen kann. Alles andere mache ich nur noch aus Geltungsdrang und für ein kleines Zubrot im Rampenlicht der gesitteten Öffentlichkeit.

Zuletzt wurden Sie von Stefan Niggemeier («Übermedien») für Ihren rbb-Podcast «Die blaue Stunde» stark kritisiert. Man hört von Ihnen manchmal Seitenhiebe. Würden Sie sich wünschen, dass dieser Streit zur Seite gelegt wird?
Niggemeier kann mich am Arsch lecken. Ich möchte mich weder mit ihm vertragen noch möchte ich Ziel seiner heimlichen Obsession sein. Er hat genug Grund sich über andere Dinge aufzuregen. Dagegen bin ich ein kleiner Fisch.

Wie gehen Sie als Privatmensch mit Kritik um? Gibt es konkrete Unterschiede zu ihrer Bühnenpersönlichkeit?
Das werde ich Ihnen nicht verraten. Aber Menschen, die mich kennen, wissen, warum sie mich schätzen.

Sie reisen sehr viel mit Ihrem Auto. Ist das eine persönliche Freiheit für Sie?
Das ist eine vage Behauptung, für die es keine Beweise gibt. Ich fahre sogar inzwischen wieder Bahn, obwohl mich dieser Maskenzwang und die ständige Anwesenheit von aus mit Aluminiumfolie umwickelten Flaschen Apfelschnaps trinkenden Omas nervt.

In den vergangenen Wochen kokettierten Sie häufiger mit Ihrem Abschied aus der Öffentlichkeit. Wann wäre ein guter Zeitpunkt, um aufzuhören?
Nächstes Jahr Dezember ist die letzte Tour gespielt. Dann bin ich raus.

Herr Somuncu, vielen Dank für das Gespräch!

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